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Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Bäcker -- ich dachte den Louisd'or -- er besann sich und konnte sich nicht entschließen, den guten Handel fahren zu lassen; nun meinetwegen, sagte er endlich, ich will's Euch zu Gefallen thun! Er ging an eine Schublade und suchte einen Louisd'or zwischen einigen harten Thalern hervor. Der scheint blank; nicht wahr, so ein Goldfüchschen, das ist eine schöne Sache, sagte er, he? -- Fritz griff darnach, doch seine Hand zitterte; das Vertrauen des Mannes erschreckte ihn, er fühlte zum erstenmal, daß er im Begriff stehe, etwas Unrechtes zu thun. Der Bäcker bückte sich, denn er war kurzsichtig, zählte das Geld mit den Augen durch und rief plötzlich: Zum Teufel, da liegen ja zwei Zweigroschenstücke, die ich für Vierer nahm beim Agio! Das geht nicht, Freund. Wollt Ihr den Louisd'or haben, so müßt Ihr mehr Aufgeld geben. -- Aber ich fragte doch erst beim Kaufmann, erwiderte Fritz, und der sagte mir, sie ständen überall so. -- Was Kaufmann! Wenn man kaufen muß, kauft man theurer, als man verkauft, wenn man verkaufen muß; das ist in der ganzen Welt so und macht Handel und Wandel, und Gold ist auch Waare. -- An wie geringfügigen Dingen hängen unsere Gefühle! Fritzens Reue ward mit dem Hauche weggeblasen, der des Bäckers Wuchersucht darthat; er kniff den Louisd'or fester in die Finger: Schneidet Ihr die armen Leute nur, dachte er, Ihr werdet bald ausgeschnitten haben! Dann suchte er in einer Tasche nach seinem vorgestrigen Arbeitslohn. Er hatte ein Pfund Speck

Bäcker — ich dachte den Louisd'or — er besann sich und konnte sich nicht entschließen, den guten Handel fahren zu lassen; nun meinetwegen, sagte er endlich, ich will's Euch zu Gefallen thun! Er ging an eine Schublade und suchte einen Louisd'or zwischen einigen harten Thalern hervor. Der scheint blank; nicht wahr, so ein Goldfüchschen, das ist eine schöne Sache, sagte er, he? — Fritz griff darnach, doch seine Hand zitterte; das Vertrauen des Mannes erschreckte ihn, er fühlte zum erstenmal, daß er im Begriff stehe, etwas Unrechtes zu thun. Der Bäcker bückte sich, denn er war kurzsichtig, zählte das Geld mit den Augen durch und rief plötzlich: Zum Teufel, da liegen ja zwei Zweigroschenstücke, die ich für Vierer nahm beim Agio! Das geht nicht, Freund. Wollt Ihr den Louisd'or haben, so müßt Ihr mehr Aufgeld geben. — Aber ich fragte doch erst beim Kaufmann, erwiderte Fritz, und der sagte mir, sie ständen überall so. — Was Kaufmann! Wenn man kaufen muß, kauft man theurer, als man verkauft, wenn man verkaufen muß; das ist in der ganzen Welt so und macht Handel und Wandel, und Gold ist auch Waare. — An wie geringfügigen Dingen hängen unsere Gefühle! Fritzens Reue ward mit dem Hauche weggeblasen, der des Bäckers Wuchersucht darthat; er kniff den Louisd'or fester in die Finger: Schneidet Ihr die armen Leute nur, dachte er, Ihr werdet bald ausgeschnitten haben! Dann suchte er in einer Tasche nach seinem vorgestrigen Arbeitslohn. Er hatte ein Pfund Speck

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[0063] Bäcker — ich dachte den Louisd'or — er besann sich und konnte sich nicht entschließen, den guten Handel fahren zu lassen; nun meinetwegen, sagte er endlich, ich will's Euch zu Gefallen thun! Er ging an eine Schublade und suchte einen Louisd'or zwischen einigen harten Thalern hervor. Der scheint blank; nicht wahr, so ein Goldfüchschen, das ist eine schöne Sache, sagte er, he? — Fritz griff darnach, doch seine Hand zitterte; das Vertrauen des Mannes erschreckte ihn, er fühlte zum erstenmal, daß er im Begriff stehe, etwas Unrechtes zu thun. Der Bäcker bückte sich, denn er war kurzsichtig, zählte das Geld mit den Augen durch und rief plötzlich: Zum Teufel, da liegen ja zwei Zweigroschenstücke, die ich für Vierer nahm beim Agio! Das geht nicht, Freund. Wollt Ihr den Louisd'or haben, so müßt Ihr mehr Aufgeld geben. — Aber ich fragte doch erst beim Kaufmann, erwiderte Fritz, und der sagte mir, sie ständen überall so. — Was Kaufmann! Wenn man kaufen muß, kauft man theurer, als man verkauft, wenn man verkaufen muß; das ist in der ganzen Welt so und macht Handel und Wandel, und Gold ist auch Waare. — An wie geringfügigen Dingen hängen unsere Gefühle! Fritzens Reue ward mit dem Hauche weggeblasen, der des Bäckers Wuchersucht darthat; er kniff den Louisd'or fester in die Finger: Schneidet Ihr die armen Leute nur, dachte er, Ihr werdet bald ausgeschnitten haben! Dann suchte er in einer Tasche nach seinem vorgestrigen Arbeitslohn. Er hatte ein Pfund Speck

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt, c/o Prof. Dr. Thomas Weitin, TU Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-10T13:46:34Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget: conversion of OCR output to TEI-conformant markup and general correction. (2017-03-10T13:46:34Z)
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Zitationshilfe: Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/63>, abgerufen am 29.03.2024.