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Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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dafür kaufen wollen, aber er sagte sich, wenn ich auch ein paar Tage nur von Kartoffeln leben muß, krieg' ich dich doch unter! gab das Verlangte, nahm Abschied und ging. Hastigen Schrittes, den leeren Sack auf der Schulter, eilte er fort, von Zeit zu Zeit sah er sich um, er fürchtete, den Bäcker werde es gereuen, er könne ihm das Goldstück wieder abfordern, eine Ahnung des Gebrauchs, zu dem es bestimmt, könne ihn ergreifen, aber er kam glücklich aus der Stadt. So wie er sich allein auf dem Feldwege sah, zog er den Louisd'or hervor und küßte ihn wie ein Rasender; dann wickelte er ihn wieder in das schmutzige Papierchen und steckte es in seinen leeren Beutel. Sei du nur ruhig, sagte er, das schmächtige Leder durch die Finger ziehend, der kann mehr als das dickbäuchige Silber, das du hast ausspeien müssen!

Am andern Morgen sah er den Bäcker auf sein Haus zugehen. Fritz fuhr zusammen; er will ihn wiederhaben, dachte er. Aber der Bäcker ging bloß des Weges zum Dorfe herein und richtete seine Schritte nach Lieschens Wohnung. Geh du nur! rief Fritz höhnisch.

Lieschen's Aeltern waren im Dorfe angesehen und galten für sehr rechtliche Leute; das hinderte jedoch nicht, daß sie zu Hause kein heiteres Verhältniß zu schaffen wußten; wo aber keine Unbefangenheit ist, ist kein Vertrauen, und wo kein Vertrauen und keine Offenheit, wird die Intrigue erzogen: sie hatte sich in Mariechen

dafür kaufen wollen, aber er sagte sich, wenn ich auch ein paar Tage nur von Kartoffeln leben muß, krieg' ich dich doch unter! gab das Verlangte, nahm Abschied und ging. Hastigen Schrittes, den leeren Sack auf der Schulter, eilte er fort, von Zeit zu Zeit sah er sich um, er fürchtete, den Bäcker werde es gereuen, er könne ihm das Goldstück wieder abfordern, eine Ahnung des Gebrauchs, zu dem es bestimmt, könne ihn ergreifen, aber er kam glücklich aus der Stadt. So wie er sich allein auf dem Feldwege sah, zog er den Louisd'or hervor und küßte ihn wie ein Rasender; dann wickelte er ihn wieder in das schmutzige Papierchen und steckte es in seinen leeren Beutel. Sei du nur ruhig, sagte er, das schmächtige Leder durch die Finger ziehend, der kann mehr als das dickbäuchige Silber, das du hast ausspeien müssen!

Am andern Morgen sah er den Bäcker auf sein Haus zugehen. Fritz fuhr zusammen; er will ihn wiederhaben, dachte er. Aber der Bäcker ging bloß des Weges zum Dorfe herein und richtete seine Schritte nach Lieschens Wohnung. Geh du nur! rief Fritz höhnisch.

Lieschen's Aeltern waren im Dorfe angesehen und galten für sehr rechtliche Leute; das hinderte jedoch nicht, daß sie zu Hause kein heiteres Verhältniß zu schaffen wußten; wo aber keine Unbefangenheit ist, ist kein Vertrauen, und wo kein Vertrauen und keine Offenheit, wird die Intrigue erzogen: sie hatte sich in Mariechen

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt, c/o Prof. Dr. Thomas Weitin, TU Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-10T13:46:34Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget: conversion of OCR output to TEI-conformant markup and general correction. (2017-03-10T13:46:34Z)
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Zitationshilfe: Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/64>, abgerufen am 19.04.2024.