Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.dem Kirchplatz lag, näherte, hörte sie Kirchengesang durch die Sabbathstille schallen und wunderte sich, die Kirche schon angegangen zu finden, da der Prediger versprochen hatte, sie noch vor dem Festgottesdienst zu trauen. Sie schoben diese Versäumniß auf Rechnung der Irrlichter und des dadurch verursachten Aufenthalts und traten ziemlich verstimmt -- denn wenn sie erst nach der Kirche getraut wurden, kamen sie zu spät zum Mittagstisch nach Hause -- bei der Frau Pfarrerin ein. Wir wollten uns melden, Frau Pastorin, daß wir da wären, sagte Klaus; wie wir jedoch hören, ist die Kirche schon angegangen. Freilich, erwiderte die Pastorin; mein Mann hat dreimal ins Wirthshaus geschickt, nachzufragen, aber da ihr schon um acht Uhr da sein wolltet und es endlich zehn schlug, meinte er, ihr kämet nicht mehr, es wäre Eins oder das Andere krank geworden, oder sonst was vorgefallen. Da ist er weggegangen. Nun, bis in die Kirche ist's nicht weit, ergänzte der Bäcker, und die Predigt kann doch auch so gar lange nicht währen. Mein Mann ist auf der Jagd, entgegnete die Pastorin. Der Herr Herzog hat uns die Ehre erwiesen, ihn einzuladen, und da ein Vetter von mir heut hier zur Probe predigt, so stand dem nichts im Wege; denn wie konnte mein Mann vermuthen, daß Sie nun noch kommen würden? dem Kirchplatz lag, näherte, hörte sie Kirchengesang durch die Sabbathstille schallen und wunderte sich, die Kirche schon angegangen zu finden, da der Prediger versprochen hatte, sie noch vor dem Festgottesdienst zu trauen. Sie schoben diese Versäumniß auf Rechnung der Irrlichter und des dadurch verursachten Aufenthalts und traten ziemlich verstimmt — denn wenn sie erst nach der Kirche getraut wurden, kamen sie zu spät zum Mittagstisch nach Hause — bei der Frau Pfarrerin ein. Wir wollten uns melden, Frau Pastorin, daß wir da wären, sagte Klaus; wie wir jedoch hören, ist die Kirche schon angegangen. Freilich, erwiderte die Pastorin; mein Mann hat dreimal ins Wirthshaus geschickt, nachzufragen, aber da ihr schon um acht Uhr da sein wolltet und es endlich zehn schlug, meinte er, ihr kämet nicht mehr, es wäre Eins oder das Andere krank geworden, oder sonst was vorgefallen. Da ist er weggegangen. Nun, bis in die Kirche ist's nicht weit, ergänzte der Bäcker, und die Predigt kann doch auch so gar lange nicht währen. Mein Mann ist auf der Jagd, entgegnete die Pastorin. Der Herr Herzog hat uns die Ehre erwiesen, ihn einzuladen, und da ein Vetter von mir heut hier zur Probe predigt, so stand dem nichts im Wege; denn wie konnte mein Mann vermuthen, daß Sie nun noch kommen würden? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0102"/> dem Kirchplatz lag, näherte, hörte sie Kirchengesang durch die Sabbathstille schallen und wunderte sich, die Kirche schon angegangen zu finden, da der Prediger versprochen hatte, sie noch vor dem Festgottesdienst zu trauen. Sie schoben diese Versäumniß auf Rechnung der Irrlichter und des dadurch verursachten Aufenthalts und traten ziemlich verstimmt — denn wenn sie erst nach der Kirche getraut wurden, kamen sie zu spät zum Mittagstisch nach Hause — bei der Frau Pfarrerin ein. Wir wollten uns melden, Frau Pastorin, daß wir da wären, sagte Klaus; wie wir jedoch hören, ist die Kirche schon angegangen.</p><lb/> <p>Freilich, erwiderte die Pastorin; mein Mann hat dreimal ins Wirthshaus geschickt, nachzufragen, aber da ihr schon um acht Uhr da sein wolltet und es endlich zehn schlug, meinte er, ihr kämet nicht mehr, es wäre Eins oder das Andere krank geworden, oder sonst was vorgefallen. Da ist er weggegangen.</p><lb/> <p>Nun, bis in die Kirche ist's nicht weit, ergänzte der Bäcker, und die Predigt kann doch auch so gar lange nicht währen.</p><lb/> <p>Mein Mann ist auf der Jagd, entgegnete die Pastorin. Der Herr Herzog hat uns die Ehre erwiesen, ihn einzuladen, und da ein Vetter von mir heut hier zur Probe predigt, so stand dem nichts im Wege; denn wie konnte mein Mann vermuthen, daß Sie nun noch kommen würden?</p><lb/><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0102]
dem Kirchplatz lag, näherte, hörte sie Kirchengesang durch die Sabbathstille schallen und wunderte sich, die Kirche schon angegangen zu finden, da der Prediger versprochen hatte, sie noch vor dem Festgottesdienst zu trauen. Sie schoben diese Versäumniß auf Rechnung der Irrlichter und des dadurch verursachten Aufenthalts und traten ziemlich verstimmt — denn wenn sie erst nach der Kirche getraut wurden, kamen sie zu spät zum Mittagstisch nach Hause — bei der Frau Pfarrerin ein. Wir wollten uns melden, Frau Pastorin, daß wir da wären, sagte Klaus; wie wir jedoch hören, ist die Kirche schon angegangen.
Freilich, erwiderte die Pastorin; mein Mann hat dreimal ins Wirthshaus geschickt, nachzufragen, aber da ihr schon um acht Uhr da sein wolltet und es endlich zehn schlug, meinte er, ihr kämet nicht mehr, es wäre Eins oder das Andere krank geworden, oder sonst was vorgefallen. Da ist er weggegangen.
Nun, bis in die Kirche ist's nicht weit, ergänzte der Bäcker, und die Predigt kann doch auch so gar lange nicht währen.
Mein Mann ist auf der Jagd, entgegnete die Pastorin. Der Herr Herzog hat uns die Ehre erwiesen, ihn einzuladen, und da ein Vetter von mir heut hier zur Probe predigt, so stand dem nichts im Wege; denn wie konnte mein Mann vermuthen, daß Sie nun noch kommen würden?
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Zitationshilfe: | Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/102>, abgerufen am 16.07.2024. |