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Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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rollte der Wagen unter der rothgoldnen Pracht der schönen Hainbuchen auf dem feuchten, frischgrünen Grase dahin, das kein Unterholz verbarg; nur hier und da bedeckte es eine Blätterstreu, die raschelnd unter den Rädern wich, und, von dem Luftzug gelockt, säuselte ein einsames Blättchen den abgeschiedenen Gefährten nach. Ihm folgten mehrere, und bald zog ein tanzender Regen dieser Blätter, vom Laubdach über ihnen herabrieselnd, hinter dem Wagen her; er schreckte den Eber, der tiefer im Forste unter der starrenden Eiche nach der herabgefallenen Frucht suchte; die Gesellin erhob den Rüssel aus dem Moor, in dem sie schlürfte, sah ihrem Gefährten nach und folgte ihm auf der ungeschickt trabenden Flucht. Sieh, rief Töffel, da läuft ein Schwein -- und dort wieder -- da hinten ist noch eins! -- Na wart, ihr Schurken, ihr sollt heut noch dran kommen, ihr Felddiebe, ihr Saatenverwüster, wart!

Plötzlich erscholl ein Hifthorn, ihm antwortete ein anderes, und aus Furcht, in die Jagd zu gerathen, hieb der Fuhrmann auf die Thiere; rasch durchschnitten sie den Wald und fuhren in das Dorf ein. Vor der Schenke hielten sie, Pferde und Wagen einzustellen, und während die Brautpaare sich schnell nach der Pfarrwohnung aufmachten, erholten die armen Thiere sich im Stalle von der bestandenen Angst; denn der Wirth hatte den Ankommenden sogleich gemeldet, daß der Herr Pfarrer schon dreimal nach ihnen geschickt hätte. -- Als die Gesellschaft sich der Pfarrwohnung, die auf

rollte der Wagen unter der rothgoldnen Pracht der schönen Hainbuchen auf dem feuchten, frischgrünen Grase dahin, das kein Unterholz verbarg; nur hier und da bedeckte es eine Blätterstreu, die raschelnd unter den Rädern wich, und, von dem Luftzug gelockt, säuselte ein einsames Blättchen den abgeschiedenen Gefährten nach. Ihm folgten mehrere, und bald zog ein tanzender Regen dieser Blätter, vom Laubdach über ihnen herabrieselnd, hinter dem Wagen her; er schreckte den Eber, der tiefer im Forste unter der starrenden Eiche nach der herabgefallenen Frucht suchte; die Gesellin erhob den Rüssel aus dem Moor, in dem sie schlürfte, sah ihrem Gefährten nach und folgte ihm auf der ungeschickt trabenden Flucht. Sieh, rief Töffel, da läuft ein Schwein — und dort wieder — da hinten ist noch eins! — Na wart, ihr Schurken, ihr sollt heut noch dran kommen, ihr Felddiebe, ihr Saatenverwüster, wart!

Plötzlich erscholl ein Hifthorn, ihm antwortete ein anderes, und aus Furcht, in die Jagd zu gerathen, hieb der Fuhrmann auf die Thiere; rasch durchschnitten sie den Wald und fuhren in das Dorf ein. Vor der Schenke hielten sie, Pferde und Wagen einzustellen, und während die Brautpaare sich schnell nach der Pfarrwohnung aufmachten, erholten die armen Thiere sich im Stalle von der bestandenen Angst; denn der Wirth hatte den Ankommenden sogleich gemeldet, daß der Herr Pfarrer schon dreimal nach ihnen geschickt hätte. — Als die Gesellschaft sich der Pfarrwohnung, die auf

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Zitationshilfe: Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/101>, abgerufen am 24.04.2024.