Unter-Obrigkeit, wenn das Ubel größer wird, und mehr überhand nimmt, als gewissenhaffte Richter vor GOtt ihre Ursachen haben werden, warum sie des Blut-Armen nicht schonen kön- nen, sondern Gewalt brauchen müssen; so, daß folgendlich man auch derselben ihren Befeh- len sich, so viel möglich, zu unterwerffen ver- bunden ist.
Da dergleichen Scrupel in großer Menge mir aufgestossen, der ich doch iederzeit mich der Christlichen Freyheit bedienet, und den rechten, und zuläßigen Gebrauch der Mittel-Dinge ver- theidiget; zu was vor Gewissens-Zweifel wer- den nicht andre arme Melancholici können verlei- tet werden, die nicht studiret, und denen man bald diß, bald das zur Sünde machen, auch wohl gar sie zu absolviren Bedencken tragen will, wo sie nicht ihre Lebens-Art ändern? Jsts hernach Wunder, wenn auch vielmahl solche Leute, deren Profeßion, und Gewerbe doch etliche Schritte weiter von der Gelegenheit, und Veranlaßung zur Sünde entfernet ist, sich ein Gewissen ma- chen bey ihrer Arbeit, und Handthierung zu bleiben, ihr Nahrungs-Wesen mit Dippeln, und Gichteln vor sündlich halten, und lieber im Lande müßig herumlauffen wollen? Der eine trinckt Wein, sein Hertze zu erfreuen, der andere säufft sich darinnen voll. Der eine trägt sein
Kleid
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gequaͤlet, gleichwie andere
Unter-Obrigkeit, wenn das Ubel groͤßer wird, und mehr uͤberhand nimmt, als gewiſſenhaffte Richter vor GOtt ihre Urſachen haben werden, warum ſie des Blut-Armen nicht ſchonen koͤn- nen, ſondern Gewalt brauchen muͤſſen; ſo, daß folgendlich man auch derſelben ihren Befeh- len ſich, ſo viel moͤglich, zu unterwerffen ver- bunden iſt.
Da dergleichen Scrupel in großer Menge mir aufgeſtoſſen, der ich doch iederzeit mich der Chriſtlichen Freyheit bedienet, und den rechten, und zulaͤßigen Gebrauch der Mittel-Dinge ver- theidiget; zu was vor Gewiſſens-Zweifel wer- den nicht andre arme Melancholici koͤnnen verlei- tet werden, die nicht ſtudiret, und denen man bald diß, bald das zur Suͤnde machen, auch wohl gar ſie zu abſolviren Bedencken tragen will, wo ſie nicht ihre Lebens-Art aͤndern? Jſts hernach Wunder, wenn auch vielmahl ſolche Leute, deren Profeßion, und Gewerbe doch etliche Schritte weiter von der Gelegenheit, und Veranlaßung zur Suͤnde entfernet iſt, ſich ein Gewiſſen ma- chen bey ihrer Arbeit, und Handthierung zu bleiben, ihr Nahrungs-Weſen mit Dippeln, und Gichteln vor ſuͤndlich halten, und lieber im Lande muͤßig herumlauffen wollen? Der eine trinckt Wein, ſein Hertze zu erfreuen, der andere ſaͤufft ſich darinnen voll. Der eine traͤgt ſein
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gequaͤlet, gleichwie andere
Unter-Obrigkeit, wenn das Ubel groͤßer wird,
und mehr uͤberhand nimmt, als gewiſſenhaffte
Richter vor GOtt ihre Urſachen haben werden,
warum ſie des Blut-Armen nicht ſchonen koͤn-
nen, ſondern Gewalt brauchen muͤſſen; ſo,
daß folgendlich man auch derſelben ihren Befeh-
len ſich, ſo viel moͤglich, zu unterwerffen ver-
bunden iſt.
Da dergleichen Scrupel in großer Menge
mir aufgeſtoſſen, der ich doch iederzeit mich der
Chriſtlichen Freyheit bedienet, und den rechten,
und zulaͤßigen Gebrauch der Mittel-Dinge ver-
theidiget; zu was vor Gewiſſens-Zweifel wer-
den nicht andre arme Melancholici koͤnnen verlei-
tet werden, die nicht ſtudiret, und denen man
bald diß, bald das zur Suͤnde machen, auch wohl
gar ſie zu abſolviren Bedencken tragen will, wo
ſie nicht ihre Lebens-Art aͤndern? Jſts hernach
Wunder, wenn auch vielmahl ſolche Leute, deren
Profeßion, und Gewerbe doch etliche Schritte
weiter von der Gelegenheit, und Veranlaßung
zur Suͤnde entfernet iſt, ſich ein Gewiſſen ma-
chen bey ihrer Arbeit, und Handthierung zu
bleiben, ihr Nahrungs-Weſen mit Dippeln,
und Gichteln vor ſuͤndlich halten, und lieber im
Lande muͤßig herumlauffen wollen? Der eine
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 739. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/785>, abgerufen am 24.11.2024.
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