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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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und auch ihr Ende
Freunde. Zu demselben kam ich an dem Abend
des damahligen Buß-Tages, der vor Palmarum
vorher gieng, und wolte ihm meine Noth und
Anliegen, obschon mit dunckeln Worten, ein we-
nig klagen. Jhm konte meine Passion, wider
die ich in meinem Leben am meisten zu streiten
gehabt habe, gar nicht unbekannt seyn. Er
hatte bey 20. und mehr Jahren mit Augen gese-
hen, wie ich mein Geld unter die Armen Hauffen-
weise, ich will nicht sagen aus der Tugend der
Freygebigkeit, ausgetheilet, sondern beynahe eher
aus natürlicher Weichlichkeit, wo nicht gar aus
Wollust, verschwendet: wie ich es an keinem
Gelde und Kosten ermangeln laßen, meinem Leibe
mehr gütlich zu thun, als wohl billig, und auf
dessen Gesundheit mehr aufzuwenden, als nöthig
gewesen; und gleichwohl wolte er mir eine
scharffe Straf-Predigt wegen meines Geitzes
halten.

Nun war es eine unaussprechliche Wohl-
that von GOtt, da die Tage und Nächte glück-
lich vorbey giengen, die vor diesem mir schon zu
andern Zeiten so betrübt, und so fatal gewesen;
Wegen unbeschreiblicher Größe aber solcher
Wohlthat war ich am Palm-Sonntage und
Char-Freytage frühe gantz etourdi, erstarret,
und nur bestürtzt, an statt, daß ich meynte, mein
Hertze würde alsdenn vor Freude zerspringen.

Ach,
Z z

und auch ihr Ende
Freunde. Zu demſelben kam ich an dem Abend
des damahligen Buß-Tages, der vor Palmarum
vorher gieng, und wolte ihm meine Noth und
Anliegen, obſchon mit dunckeln Worten, ein we-
nig klagen. Jhm konte meine Paſſion, wider
die ich in meinem Leben am meiſten zu ſtreiten
gehabt habe, gar nicht unbekannt ſeyn. Er
hatte bey 20. und mehr Jahren mit Augen geſe-
hen, wie ich mein Geld unter die Armen Hauffen-
weiſe, ich will nicht ſagen aus der Tugend der
Freygebigkeit, ausgetheilet, ſondern beynahe eher
aus natuͤrlicher Weichlichkeit, wo nicht gar aus
Wolluſt, verſchwendet: wie ich es an keinem
Gelde und Koſten ermangeln laßen, meinem Leibe
mehr guͤtlich zu thun, als wohl billig, und auf
deſſen Geſundheit mehr aufzuwenden, als noͤthig
geweſen; und gleichwohl wolte er mir eine
ſcharffe Straf-Predigt wegen meines Geitzes
halten.

Nun war es eine unausſprechliche Wohl-
that von GOtt, da die Tage und Naͤchte gluͤck-
lich vorbey giengen, die vor dieſem mir ſchon zu
andern Zeiten ſo betruͤbt, und ſo fatal geweſen;
Wegen unbeſchreiblicher Groͤße aber ſolcher
Wohlthat war ich am Palm-Sonntage und
Char-Freytage fruͤhe gantz étourdi, erſtarret,
und nur beſtuͤrtzt, an ſtatt, daß ich meynte, mein
Hertze wuͤrde alsdenn vor Freude zerſpringen.

Ach,
Z z
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[721/0767] und auch ihr Ende Freunde. Zu demſelben kam ich an dem Abend des damahligen Buß-Tages, der vor Palmarum vorher gieng, und wolte ihm meine Noth und Anliegen, obſchon mit dunckeln Worten, ein we- nig klagen. Jhm konte meine Paſſion, wider die ich in meinem Leben am meiſten zu ſtreiten gehabt habe, gar nicht unbekannt ſeyn. Er hatte bey 20. und mehr Jahren mit Augen geſe- hen, wie ich mein Geld unter die Armen Hauffen- weiſe, ich will nicht ſagen aus der Tugend der Freygebigkeit, ausgetheilet, ſondern beynahe eher aus natuͤrlicher Weichlichkeit, wo nicht gar aus Wolluſt, verſchwendet: wie ich es an keinem Gelde und Koſten ermangeln laßen, meinem Leibe mehr guͤtlich zu thun, als wohl billig, und auf deſſen Geſundheit mehr aufzuwenden, als noͤthig geweſen; und gleichwohl wolte er mir eine ſcharffe Straf-Predigt wegen meines Geitzes halten. Nun war es eine unausſprechliche Wohl- that von GOtt, da die Tage und Naͤchte gluͤck- lich vorbey giengen, die vor dieſem mir ſchon zu andern Zeiten ſo betruͤbt, und ſo fatal geweſen; Wegen unbeſchreiblicher Groͤße aber ſolcher Wohlthat war ich am Palm-Sonntage und Char-Freytage fruͤhe gantz étourdi, erſtarret, und nur beſtuͤrtzt, an ſtatt, daß ich meynte, mein Hertze wuͤrde alsdenn vor Freude zerſpringen. Ach, Z z

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 721. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/767>, abgerufen am 17.06.2024.