den armen Mann zu entschuldigen? Den Tag vorhero begegnete er einem gewissen Doctori Ju- ris auf der Gasse, der sein guter Freund war, und ihn auch manchmahl besuchte. Der Doctor hat kaum etliche Worte mit ihm zu reden ange- fangen, so mercket er, daß er nicht wohl bey Verstande ist, wie er mir solches ausdrücklich erzehlet.
Anno 1735-36. §. 154.
Bey solchen Fällen ist leicht zu erachten, wie das Gemüthe eines Miltzsüchtigen müße seyn gequälet und gemartert worden. Jch kan aus der Erfahrung sagen, so lange die Kranck- heit und das Ubel im Leibe, und im Miltze hafftet, so ist kein Trost in die Seele zu bekom- men. Jch habe in meinem Leben nicht so offt- mahlige, und so vielfältige Tröstungen und Er- quickungen GOttes in meiner Seele, wie auch Muth- und Glaubens-Freudigkeit, als diß Jahr, von Michael an bis Ostern bekommen; ja die Versicherung von GOtt in meiner Seele, daß ich wegen Ostern, oder der Marter-Woche nichts zu befürchten hätte, war in der Kirche, und auch zu Hause, insonderheit im II. post Epi- phanias, den Tag vor Mariä Reinigung, und am Sonntage Oculi so ausnehmend, daß sie
nicht
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Troͤſtungen, und Erquickungen,
den armen Mann zu entſchuldigen? Den Tag vorhero begegnete er einem gewiſſen Doctori Ju- ris auf der Gaſſe, der ſein guter Freund war, und ihn auch manchmahl beſuchte. Der Doctor hat kaum etliche Worte mit ihm zu reden ange- fangen, ſo mercket er, daß er nicht wohl bey Verſtande iſt, wie er mir ſolches ausdruͤcklich erzehlet.
Anno 1735-36. §. 154.
Bey ſolchen Faͤllen iſt leicht zu erachten, wie das Gemuͤthe eines Miltzſuͤchtigen muͤße ſeyn gequaͤlet und gemartert worden. Jch kan aus der Erfahrung ſagen, ſo lange die Kranck- heit und das Ubel im Leibe, und im Miltze hafftet, ſo iſt kein Troſt in die Seele zu bekom- men. Jch habe in meinem Leben nicht ſo offt- mahlige, und ſo vielfaͤltige Troͤſtungen und Er- quickungen GOttes in meiner Seele, wie auch Muth- und Glaubens-Freudigkeit, als diß Jahr, von Michael an bis Oſtern bekommen; ja die Verſicherung von GOtt in meiner Seele, daß ich wegen Oſtern, oder der Marter-Woche nichts zu befuͤrchten haͤtte, war in der Kirche, und auch zu Hauſe, inſonderheit im II. poſt Epi- phanias, den Tag vor Mariaͤ Reinigung, und am Sonntage Oculi ſo ausnehmend, daß ſie
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Troͤſtungen, und Erquickungen,
den armen Mann zu entſchuldigen? Den Tag
vorhero begegnete er einem gewiſſen Doctori Ju-
ris auf der Gaſſe, der ſein guter Freund war,
und ihn auch manchmahl beſuchte. Der Doctor
hat kaum etliche Worte mit ihm zu reden ange-
fangen, ſo mercket er, daß er nicht wohl bey
Verſtande iſt, wie er mir ſolches ausdruͤcklich
erzehlet.
Anno 1735-36.
§. 154.
Bey ſolchen Faͤllen iſt leicht zu erachten,
wie das Gemuͤthe eines Miltzſuͤchtigen muͤße
ſeyn gequaͤlet und gemartert worden. Jch kan
aus der Erfahrung ſagen, ſo lange die Kranck-
heit und das Ubel im Leibe, und im Miltze
hafftet, ſo iſt kein Troſt in die Seele zu bekom-
men. Jch habe in meinem Leben nicht ſo offt-
mahlige, und ſo vielfaͤltige Troͤſtungen und Er-
quickungen GOttes in meiner Seele, wie auch
Muth- und Glaubens-Freudigkeit, als diß
Jahr, von Michael an bis Oſtern bekommen;
ja die Verſicherung von GOtt in meiner Seele,
daß ich wegen Oſtern, oder der Marter-Woche
nichts zu befuͤrchten haͤtte, war in der Kirche,
und auch zu Hauſe, inſonderheit im II. poſt Epi-
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 713. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/759>, abgerufen am 24.11.2024.
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