vor Ostern ausgestanden, ist in meinem Leben noch zweymahl um eben diese Zeit nach diesem über mich gekommen, und noch dazu in grösserm Maaße; und aus allen, und iedesmahl hat mich doch der HErr erlöset.
Jndem ich aber dieses schreibe, und du dieses liesest, so begehre ich nicht, daß du deßhalben ein grosses Mitleiden mit mir haben dürffest, welches bey solchen Fällen die Liebe, und die Gewogen- heit leicht erregen könte. Denn du magst sicher dencken, wo solche schreckliche, und seltsame und ausnehmende Plagen und Trübsaalen, und noch dazu zu unterschiedenen mahlen von GOtt über einen Menschen verhänget werden, daß entweder noch viel unlauteres, und sündliche Verderbniße, so dergleichen bittere Ruthen verdienen, müßen gefun- den werden; oder daß GOtt vonnöthen habe, durch solche Ubel einen Menschen vor Rück-Fällen, und vor der herrschenden Liebe der Welt, die ohne solche starcke Demüthigungen leicht wieder ein- wurtzeln würde, zu bewahren. Jn meinen jün- gern Jahren hatte ich die Meynung, welche Erasmus Roterodamus in seinem Tractat, Mili- tia Christiana genannt, hat, und dachte, eine un- gewöhnliche, und schreckliche, große Anfechtung könne nur über einen Menschen einmahl in sei- nem Leben kommen, daferne sie nur einmahl glücklich überstanden wäre; ich bin aber nun-
mehro
gaͤntzlich vergangen,
vor Oſtern ausgeſtanden, iſt in meinem Leben noch zweymahl um eben dieſe Zeit nach dieſem uͤber mich gekommen, und noch dazu in groͤſſerm Maaße; und aus allen, und iedesmahl hat mich doch der HErr erloͤſet.
Jndem ich aber dieſes ſchreibe, und du dieſes lieſeſt, ſo begehre ich nicht, daß du deßhalben ein groſſes Mitleiden mit mir haben duͤrffeſt, welches bey ſolchen Faͤllen die Liebe, und die Gewogen- heit leicht erregen koͤnte. Denn du magſt ſicher dencken, wo ſolche ſchreckliche, und ſeltſame und ausnehmende Plagen und Truͤbſaalen, und noch dazu zu unterſchiedenen mahlen von GOtt uͤber einen Menſchen verhaͤnget werden, daß entweder noch viel unlauteres, und ſuͤndliche Verderbniße, ſo dergleichen bittere Ruthen verdienen, muͤßen gefun- den werden; oder daß GOtt vonnoͤthen habe, durch ſolche Ubel einen Menſchen vor Ruͤck-Faͤllen, und vor der herrſchenden Liebe der Welt, die ohne ſolche ſtarcke Demuͤthigungen leicht wieder ein- wurtzeln wuͤrde, zu bewahren. Jn meinen juͤn- gern Jahren hatte ich die Meynung, welche Eraſmus Roterodamus in ſeinem Tractat, Mili- tia Chriſtiana genannt, hat, und dachte, eine un- gewoͤhnliche, und ſchreckliche, große Anfechtung koͤnne nur uͤber einen Menſchen einmahl in ſei- nem Leben kommen, daferne ſie nur einmahl gluͤcklich uͤberſtanden waͤre; ich bin aber nun-
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gaͤntzlich vergangen,
vor Oſtern ausgeſtanden, iſt in meinem Leben
noch zweymahl um eben dieſe Zeit nach dieſem
uͤber mich gekommen, und noch dazu in groͤſſerm
Maaße; und aus allen, und iedesmahl hat mich
doch der HErr erloͤſet.
Jndem ich aber dieſes ſchreibe, und du dieſes
lieſeſt, ſo begehre ich nicht, daß du deßhalben ein
groſſes Mitleiden mit mir haben duͤrffeſt, welches
bey ſolchen Faͤllen die Liebe, und die Gewogen-
heit leicht erregen koͤnte. Denn du magſt ſicher
dencken, wo ſolche ſchreckliche, und ſeltſame und
ausnehmende Plagen und Truͤbſaalen, und noch
dazu zu unterſchiedenen mahlen von GOtt uͤber
einen Menſchen verhaͤnget werden, daß entweder
noch viel unlauteres, und ſuͤndliche Verderbniße, ſo
dergleichen bittere Ruthen verdienen, muͤßen gefun-
den werden; oder daß GOtt vonnoͤthen habe, durch
ſolche Ubel einen Menſchen vor Ruͤck-Faͤllen,
und vor der herrſchenden Liebe der Welt, die ohne
ſolche ſtarcke Demuͤthigungen leicht wieder ein-
wurtzeln wuͤrde, zu bewahren. Jn meinen juͤn-
gern Jahren hatte ich die Meynung, welche
Eraſmus Roterodamus in ſeinem Tractat, Mili-
tia Chriſtiana genannt, hat, und dachte, eine un-
gewoͤhnliche, und ſchreckliche, große Anfechtung
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 648. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/694>, abgerufen am 22.11.2024.
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