Die Hoffnung aber, die ich hatte, daß er meinen Leib curiren, und mich völlig gesund ma- chen kunte, wurde nicht so erfüllet, als ich gemey- net hatte. Ja die Milch-Cur, die er mir end- lich erlaubte, weil ich selbst dazu so große Nei- gung, und so viel Vertrauen auf dieselbe gesetzt hatte, machte mein Ubel nur noch ärger. Er befand zwar für gut, vor allen Dingen die Säure aus dem Geblüte zu vertreiben; allein die we- nige Artzney, die er mir darwider eingab, mochte wohl noch lange nicht genug gewesen seyn, ein von vielen und langen Jahren her verdorbenes und versauertes Geblüte zu ändern. Jch hatte also kaum einige wenige Zeit frühe die Ziegen- Milch in sauren Magen hineingegossen, so merckte ich gar bald, daß ich meinen Zustand noch verschlimmert hätte; und weil ich mich beredete, und bereden ließ, das Anhalten und beständige Fortsetzen der Milch-Cur werde endlich alle Säure selbst vertreiben, dergleichen ich etwan in einem medicinischen Tractate de Cura lactis in Arthritide gelesen hatte, so kan ich nicht sagen, in was für Noth und Gefahr, und Furcht, daß die- ses innerliche Ubel endlich ausbrechen möchte, ich mich dadurch gestürtzet hatte. Jch wuste eine Zeit lang nicht, wie ich die beyden Treppen in meinem Hause hinunter kommen solte, weil das Hinaufsteigen mir nicht so gefährlich war, als
das
Diæt zu aͤndern.
Die Hoffnung aber, die ich hatte, daß er meinen Leib curiren, und mich voͤllig geſund ma- chen kunte, wurde nicht ſo erfuͤllet, als ich gemey- net hatte. Ja die Milch-Cur, die er mir end- lich erlaubte, weil ich ſelbſt dazu ſo große Nei- gung, und ſo viel Vertrauen auf dieſelbe geſetzt hatte, machte mein Ubel nur noch aͤrger. Er befand zwar fuͤr gut, vor allen Dingen die Saͤure aus dem Gebluͤte zu vertreiben; allein die we- nige Artzney, die er mir darwider eingab, mochte wohl noch lange nicht genug geweſen ſeyn, ein von vielen und langen Jahren her verdorbenes und verſauertes Gebluͤte zu aͤndern. Jch hatte alſo kaum einige wenige Zeit fruͤhe die Ziegen- Milch in ſauren Magen hineingegoſſen, ſo merckte ich gar bald, daß ich meinen Zuſtand noch verſchlimmert haͤtte; und weil ich mich beredete, und bereden ließ, das Anhalten und beſtaͤndige Fortſetzen der Milch-Cur werde endlich alle Saͤure ſelbſt vertreiben, dergleichen ich etwan in einem mediciniſchen Tractate de Cura lactis in Arthritide geleſen hatte, ſo kan ich nicht ſagen, in was fuͤr Noth und Gefahr, und Furcht, daß die- ſes innerliche Ubel endlich ausbrechen moͤchte, ich mich dadurch geſtuͤrtzet hatte. Jch wuſte eine Zeit lang nicht, wie ich die beyden Treppen in meinem Hauſe hinunter kommen ſolte, weil das Hinaufſteigen mir nicht ſo gefaͤhrlich war, als
das
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Diæt zu aͤndern.
Die Hoffnung aber, die ich hatte, daß er
meinen Leib curiren, und mich voͤllig geſund ma-
chen kunte, wurde nicht ſo erfuͤllet, als ich gemey-
net hatte. Ja die Milch-Cur, die er mir end-
lich erlaubte, weil ich ſelbſt dazu ſo große Nei-
gung, und ſo viel Vertrauen auf dieſelbe geſetzt
hatte, machte mein Ubel nur noch aͤrger. Er
befand zwar fuͤr gut, vor allen Dingen die Saͤure
aus dem Gebluͤte zu vertreiben; allein die we-
nige Artzney, die er mir darwider eingab, mochte
wohl noch lange nicht genug geweſen ſeyn, ein
von vielen und langen Jahren her verdorbenes
und verſauertes Gebluͤte zu aͤndern. Jch hatte
alſo kaum einige wenige Zeit fruͤhe die Ziegen-
Milch in ſauren Magen hineingegoſſen, ſo
merckte ich gar bald, daß ich meinen Zuſtand noch
verſchlimmert haͤtte; und weil ich mich beredete,
und bereden ließ, das Anhalten und beſtaͤndige
Fortſetzen der Milch-Cur werde endlich alle
Saͤure ſelbſt vertreiben, dergleichen ich etwan in
einem mediciniſchen Tractate de Cura lactis in
Arthritide geleſen hatte, ſo kan ich nicht ſagen, in
was fuͤr Noth und Gefahr, und Furcht, daß die-
ſes innerliche Ubel endlich ausbrechen moͤchte, ich
mich dadurch geſtuͤrtzet hatte. Jch wuſte eine
Zeit lang nicht, wie ich die beyden Treppen in
meinem Hauſe hinunter kommen ſolte, weil das
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 642. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/688>, abgerufen am 22.11.2024.
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