Hülffe zu nehmen; allein ich machte dadurch zu allem Unglück das Ubel nur noch ärger.
Jch wurde curieux, einmahl den Medicum zu verändern, und erwehlte einen gewissen Ma- gister, der noch im Leben, und der dazumahl, weil er Medicinam studiret, hier und da curirte. Der Vorwitz trieb mich dazu an, bey dieser Ge- legenheit mit ihm bekannt zu werden, und zu hö- ren, ob dem also sey, was man mir von seinen Sentiments und Meynungen in Religions- Sachen beygebracht hatte. Man hatte mir kurtz zuvor von ihm erzehlet, er wäre einst kranck gewesen, und sein Herr Vater, ein berühmter Jurist, hätte ihm seinen Beicht-Vater über den Hals geschickt, der ihm vor seinem Tode die Jrr- thümer benehmen sollen, so er in Glaubens- Sachen hegte. Da er nun auf Begehren des Beicht-Vaters sein Bekäntniß, und was er von der Art und Weise unserer Rechtfertigung hielte, ablegen sollen, so hätte er sich verlauten lassen: Er glaube, daß er gerechtfertiget werde durch diejenige Gottseligkeit und Frömmigkeit, welche der Geist JEsu CHristi würcke. Diese Gott- seligkeit und Heiligkeit sey die bessere Gerech- tigkeit, welche CHristus der Pharisaischen vor- gezogen, welche nur in Unterlassung der äußer- lichen groben sündlichen Wercke, v. g. des Ehe- bruchs, des Diebstahls, des Todtschlags etc.
bestan-
Zufaͤlle des Leibes,
Huͤlffe zu nehmen; allein ich machte dadurch zu allem Ungluͤck das Ubel nur noch aͤrger.
Jch wurde curieux, einmahl den Medicum zu veraͤndern, und erwehlte einen gewiſſen Ma- giſter, der noch im Leben, und der dazumahl, weil er Medicinam ſtudiret, hier und da curirte. Der Vorwitz trieb mich dazu an, bey dieſer Ge- legenheit mit ihm bekannt zu werden, und zu hoͤ- ren, ob dem alſo ſey, was man mir von ſeinen Sentiments und Meynungen in Religions- Sachen beygebracht hatte. Man hatte mir kurtz zuvor von ihm erzehlet, er waͤre einſt kranck geweſen, und ſein Herr Vater, ein beruͤhmter Juriſt, haͤtte ihm ſeinen Beicht-Vater uͤber den Hals geſchickt, der ihm vor ſeinem Tode die Jrr- thuͤmer benehmen ſollen, ſo er in Glaubens- Sachen hegte. Da er nun auf Begehren des Beicht-Vaters ſein Bekaͤntniß, und was er von der Art und Weiſe unſerer Rechtfertigung hielte, ablegen ſollen, ſo haͤtte er ſich verlauten laſſen: Er glaube, daß er gerechtfertiget werde durch diejenige Gottſeligkeit und Froͤmmigkeit, welche der Geiſt JEſu CHriſti wuͤrcke. Dieſe Gott- ſeligkeit und Heiligkeit ſey die beſſere Gerech- tigkeit, welche CHriſtus der Phariſaiſchen vor- gezogen, welche nur in Unterlaſſung der aͤußer- lichen groben ſuͤndlichen Wercke, v. g. des Ehe- bruchs, des Diebſtahls, des Todtſchlags ꝛc.
beſtan-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0685"n="639"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Zufaͤlle des Leibes,</hi></fw><lb/>
Huͤlffe zu nehmen; allein ich machte dadurch<lb/>
zu allem Ungluͤck das Ubel nur noch aͤrger.</p><lb/><p>Jch wurde <hirendition="#aq">curieux,</hi> einmahl den <hirendition="#aq">Medicum</hi><lb/>
zu veraͤndern, und erwehlte einen gewiſſen <hirendition="#aq">Ma-<lb/>
giſter,</hi> der noch im Leben, und der dazumahl,<lb/>
weil er <hirendition="#aq">Medicinam ſtudi</hi>ret, hier und da <hirendition="#aq">curi</hi>rte.<lb/>
Der Vorwitz trieb mich dazu an, bey dieſer Ge-<lb/>
legenheit mit ihm bekannt zu werden, und zu hoͤ-<lb/>
ren, ob dem alſo ſey, was man mir von ſeinen<lb/><hirendition="#aq">Sentiments</hi> und Meynungen in Religions-<lb/>
Sachen beygebracht hatte. Man hatte mir<lb/>
kurtz zuvor von ihm erzehlet, er waͤre einſt kranck<lb/>
geweſen, und ſein Herr Vater, ein beruͤhmter<lb/><hirendition="#aq">Juriſt,</hi> haͤtte ihm ſeinen Beicht-Vater uͤber den<lb/>
Hals geſchickt, der ihm vor ſeinem Tode die Jrr-<lb/>
thuͤmer benehmen ſollen, ſo er in Glaubens-<lb/>
Sachen hegte. Da er nun auf Begehren des<lb/>
Beicht-Vaters ſein Bekaͤntniß, und was er von<lb/>
der Art und Weiſe unſerer Rechtfertigung hielte,<lb/>
ablegen ſollen, ſo haͤtte er ſich verlauten laſſen:<lb/>
Er glaube, daß er gerechtfertiget werde durch<lb/>
diejenige Gottſeligkeit und Froͤmmigkeit, welche<lb/>
der Geiſt JEſu CHriſti wuͤrcke. Dieſe Gott-<lb/>ſeligkeit und Heiligkeit ſey die <hirendition="#fr">beſſere</hi> Gerech-<lb/>
tigkeit, welche CHriſtus der Phariſaiſchen vor-<lb/>
gezogen, welche nur in Unterlaſſung der aͤußer-<lb/>
lichen groben ſuͤndlichen Wercke, <hirendition="#aq">v. g.</hi> des Ehe-<lb/>
bruchs, des Diebſtahls, des Todtſchlags ꝛc.<lb/><fwplace="bottom"type="catch">beſtan-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[639/0685]
Zufaͤlle des Leibes,
Huͤlffe zu nehmen; allein ich machte dadurch
zu allem Ungluͤck das Ubel nur noch aͤrger.
Jch wurde curieux, einmahl den Medicum
zu veraͤndern, und erwehlte einen gewiſſen Ma-
giſter, der noch im Leben, und der dazumahl,
weil er Medicinam ſtudiret, hier und da curirte.
Der Vorwitz trieb mich dazu an, bey dieſer Ge-
legenheit mit ihm bekannt zu werden, und zu hoͤ-
ren, ob dem alſo ſey, was man mir von ſeinen
Sentiments und Meynungen in Religions-
Sachen beygebracht hatte. Man hatte mir
kurtz zuvor von ihm erzehlet, er waͤre einſt kranck
geweſen, und ſein Herr Vater, ein beruͤhmter
Juriſt, haͤtte ihm ſeinen Beicht-Vater uͤber den
Hals geſchickt, der ihm vor ſeinem Tode die Jrr-
thuͤmer benehmen ſollen, ſo er in Glaubens-
Sachen hegte. Da er nun auf Begehren des
Beicht-Vaters ſein Bekaͤntniß, und was er von
der Art und Weiſe unſerer Rechtfertigung hielte,
ablegen ſollen, ſo haͤtte er ſich verlauten laſſen:
Er glaube, daß er gerechtfertiget werde durch
diejenige Gottſeligkeit und Froͤmmigkeit, welche
der Geiſt JEſu CHriſti wuͤrcke. Dieſe Gott-
ſeligkeit und Heiligkeit ſey die beſſere Gerech-
tigkeit, welche CHriſtus der Phariſaiſchen vor-
gezogen, welche nur in Unterlaſſung der aͤußer-
lichen groben ſuͤndlichen Wercke, v. g. des Ehe-
bruchs, des Diebſtahls, des Todtſchlags ꝛc.
beſtan-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 639. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/685>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.