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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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Zufälle des Leibes,
Hülffe zu nehmen; allein ich machte dadurch
zu allem Unglück das Ubel nur noch ärger.

Jch wurde curieux, einmahl den Medicum
zu verändern, und erwehlte einen gewissen Ma-
gister,
der noch im Leben, und der dazumahl,
weil er Medicinam studiret, hier und da curirte.
Der Vorwitz trieb mich dazu an, bey dieser Ge-
legenheit mit ihm bekannt zu werden, und zu hö-
ren, ob dem also sey, was man mir von seinen
Sentiments und Meynungen in Religions-
Sachen beygebracht hatte. Man hatte mir
kurtz zuvor von ihm erzehlet, er wäre einst kranck
gewesen, und sein Herr Vater, ein berühmter
Jurist, hätte ihm seinen Beicht-Vater über den
Hals geschickt, der ihm vor seinem Tode die Jrr-
thümer benehmen sollen, so er in Glaubens-
Sachen hegte. Da er nun auf Begehren des
Beicht-Vaters sein Bekäntniß, und was er von
der Art und Weise unserer Rechtfertigung hielte,
ablegen sollen, so hätte er sich verlauten lassen:
Er glaube, daß er gerechtfertiget werde durch
diejenige Gottseligkeit und Frömmigkeit, welche
der Geist JEsu CHristi würcke. Diese Gott-
seligkeit und Heiligkeit sey die bessere Gerech-
tigkeit, welche CHristus der Pharisaischen vor-
gezogen, welche nur in Unterlassung der äußer-
lichen groben sündlichen Wercke, v. g. des Ehe-
bruchs, des Diebstahls, des Todtschlags etc.

bestan-

Zufaͤlle des Leibes,
Huͤlffe zu nehmen; allein ich machte dadurch
zu allem Ungluͤck das Ubel nur noch aͤrger.

Jch wurde curieux, einmahl den Medicum
zu veraͤndern, und erwehlte einen gewiſſen Ma-
giſter,
der noch im Leben, und der dazumahl,
weil er Medicinam ſtudiret, hier und da curirte.
Der Vorwitz trieb mich dazu an, bey dieſer Ge-
legenheit mit ihm bekannt zu werden, und zu hoͤ-
ren, ob dem alſo ſey, was man mir von ſeinen
Sentiments und Meynungen in Religions-
Sachen beygebracht hatte. Man hatte mir
kurtz zuvor von ihm erzehlet, er waͤre einſt kranck
geweſen, und ſein Herr Vater, ein beruͤhmter
Juriſt, haͤtte ihm ſeinen Beicht-Vater uͤber den
Hals geſchickt, der ihm vor ſeinem Tode die Jrr-
thuͤmer benehmen ſollen, ſo er in Glaubens-
Sachen hegte. Da er nun auf Begehren des
Beicht-Vaters ſein Bekaͤntniß, und was er von
der Art und Weiſe unſerer Rechtfertigung hielte,
ablegen ſollen, ſo haͤtte er ſich verlauten laſſen:
Er glaube, daß er gerechtfertiget werde durch
diejenige Gottſeligkeit und Froͤmmigkeit, welche
der Geiſt JEſu CHriſti wuͤrcke. Dieſe Gott-
ſeligkeit und Heiligkeit ſey die beſſere Gerech-
tigkeit, welche CHriſtus der Phariſaiſchen vor-
gezogen, welche nur in Unterlaſſung der aͤußer-
lichen groben ſuͤndlichen Wercke, v. g. des Ehe-
bruchs, des Diebſtahls, des Todtſchlags ꝛc.

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[639/0685] Zufaͤlle des Leibes, Huͤlffe zu nehmen; allein ich machte dadurch zu allem Ungluͤck das Ubel nur noch aͤrger. Jch wurde curieux, einmahl den Medicum zu veraͤndern, und erwehlte einen gewiſſen Ma- giſter, der noch im Leben, und der dazumahl, weil er Medicinam ſtudiret, hier und da curirte. Der Vorwitz trieb mich dazu an, bey dieſer Ge- legenheit mit ihm bekannt zu werden, und zu hoͤ- ren, ob dem alſo ſey, was man mir von ſeinen Sentiments und Meynungen in Religions- Sachen beygebracht hatte. Man hatte mir kurtz zuvor von ihm erzehlet, er waͤre einſt kranck geweſen, und ſein Herr Vater, ein beruͤhmter Juriſt, haͤtte ihm ſeinen Beicht-Vater uͤber den Hals geſchickt, der ihm vor ſeinem Tode die Jrr- thuͤmer benehmen ſollen, ſo er in Glaubens- Sachen hegte. Da er nun auf Begehren des Beicht-Vaters ſein Bekaͤntniß, und was er von der Art und Weiſe unſerer Rechtfertigung hielte, ablegen ſollen, ſo haͤtte er ſich verlauten laſſen: Er glaube, daß er gerechtfertiget werde durch diejenige Gottſeligkeit und Froͤmmigkeit, welche der Geiſt JEſu CHriſti wuͤrcke. Dieſe Gott- ſeligkeit und Heiligkeit ſey die beſſere Gerech- tigkeit, welche CHriſtus der Phariſaiſchen vor- gezogen, welche nur in Unterlaſſung der aͤußer- lichen groben ſuͤndlichen Wercke, v. g. des Ehe- bruchs, des Diebſtahls, des Todtſchlags ꝛc. beſtan-

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 639. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/685>, abgerufen am 22.11.2024.