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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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das andre Jahr drauf
und zur Unkeuschheit gelocket werden, und der
wiedergebohrne Theil in ihr könte darwider strei-
ten, und solche seltsame Verwahrungs-Mittel
brauchen, dergleichen wohl noch kein Frauenzim-
mer, zum wenigsten wohl noch niemahls in Leip-
zig, gebrauchet hat. Da hingegen bey diesem
Bortenwürcker, und andern seines gleichen,
kein reitzen und locken, noch Lust zum Selbstmord,
wie vielleicht bey andern bösen Menschen öffters
entstehen mag, sondern nur der Gedancke davon,
und die gröste Einbildung, und Furcht, daß sol-
ches geschehen werde, entstanden war. Jch
forschte nach seinem Leben und Wandel, er wuste
mir aber nichts zu nennen, als einige Kleinig-
keiten, die von keiner Importanz waren, und
die er sich selbst zur Sünde machte. Er meynte
unter andern, diese Ubel würden ihm ietzo zuge-
schickt, weil er sich in der Jugend durch seinen
Ungehorsam an seinen Eltern versündiget, welche
ihn ehemahls von Ergreiffung dieser Profession
abzuhalten gesucht, und denen er doch nicht hätte
folgen wollen, und also GOtt im Himmel belei-
diget. Um die Erzehlung nicht ohne Noth
weitläufftig zu machen, so traff ich die Ursache
seiner Melancholie mehr in seiner unordentlichen
Diaet, als in seinem sündigen Leben an. Denn
da ich genauer nachforschte, wie er im Essen und
Trincken sich verhielte, so gestunde er mir selbst,

daß
Q q 4

das andre Jahr drauf
und zur Unkeuſchheit gelocket werden, und der
wiedergebohrne Theil in ihr koͤnte darwider ſtrei-
ten, und ſolche ſeltſame Verwahrungs-Mittel
brauchen, dergleichen wohl noch kein Frauenzim-
mer, zum wenigſten wohl noch niemahls in Leip-
zig, gebrauchet hat. Da hingegen bey dieſem
Bortenwuͤrcker, und andern ſeines gleichen,
kein reitzen und locken, noch Luſt zum Selbſtmord,
wie vielleicht bey andern boͤſen Menſchen oͤffters
entſtehen mag, ſondern nur der Gedancke davon,
und die groͤſte Einbildung, und Furcht, daß ſol-
ches geſchehen werde, entſtanden war. Jch
forſchte nach ſeinem Leben und Wandel, er wuſte
mir aber nichts zu nennen, als einige Kleinig-
keiten, die von keiner Importanz waren, und
die er ſich ſelbſt zur Suͤnde machte. Er meynte
unter andern, dieſe Ubel wuͤrden ihm ietzo zuge-
ſchickt, weil er ſich in der Jugend durch ſeinen
Ungehorſam an ſeinen Eltern verſuͤndiget, welche
ihn ehemahls von Ergreiffung dieſer Profeſſion
abzuhalten geſucht, und denen er doch nicht haͤtte
folgen wollen, und alſo GOtt im Himmel belei-
diget. Um die Erzehlung nicht ohne Noth
weitlaͤufftig zu machen, ſo traff ich die Urſache
ſeiner Melancholie mehr in ſeiner unordentlichen
Diæt, als in ſeinem ſuͤndigen Leben an. Denn
da ich genauer nachforſchte, wie er im Eſſen und
Trincken ſich verhielte, ſo geſtunde er mir ſelbſt,

daß
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[615/0661] das andre Jahr drauf und zur Unkeuſchheit gelocket werden, und der wiedergebohrne Theil in ihr koͤnte darwider ſtrei- ten, und ſolche ſeltſame Verwahrungs-Mittel brauchen, dergleichen wohl noch kein Frauenzim- mer, zum wenigſten wohl noch niemahls in Leip- zig, gebrauchet hat. Da hingegen bey dieſem Bortenwuͤrcker, und andern ſeines gleichen, kein reitzen und locken, noch Luſt zum Selbſtmord, wie vielleicht bey andern boͤſen Menſchen oͤffters entſtehen mag, ſondern nur der Gedancke davon, und die groͤſte Einbildung, und Furcht, daß ſol- ches geſchehen werde, entſtanden war. Jch forſchte nach ſeinem Leben und Wandel, er wuſte mir aber nichts zu nennen, als einige Kleinig- keiten, die von keiner Importanz waren, und die er ſich ſelbſt zur Suͤnde machte. Er meynte unter andern, dieſe Ubel wuͤrden ihm ietzo zuge- ſchickt, weil er ſich in der Jugend durch ſeinen Ungehorſam an ſeinen Eltern verſuͤndiget, welche ihn ehemahls von Ergreiffung dieſer Profeſſion abzuhalten geſucht, und denen er doch nicht haͤtte folgen wollen, und alſo GOtt im Himmel belei- diget. Um die Erzehlung nicht ohne Noth weitlaͤufftig zu machen, ſo traff ich die Urſache ſeiner Melancholie mehr in ſeiner unordentlichen Diæt, als in ſeinem ſuͤndigen Leben an. Denn da ich genauer nachforſchte, wie er im Eſſen und Trincken ſich verhielte, ſo geſtunde er mir ſelbſt, daß Q q 4

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 615. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/661>, abgerufen am 11.06.2024.