Auditoribus distinguiret. Jch war ihm auch vor andern sehr gewogen gewesen; denn er hatte auf dem Gymnasio fast solche Dinge erfahren, wie ich 1695. und 1704. und wuste von seltsamen An- fechtungen zu erzehlen, so ihm auf dem Gymna- sio begegnet. Er war sehr begierig immer fröm- mer zu werden, wie diejenigen sind, so aus der Erfahrung wissen, was Sünde, was Buße, was Glaube, was CHristus, was Betial, was GOTTes Zorn, und was GOTTes Gnade. Beym Einbruche der Schweden aber hatte er sich nach Halle gewendet. Jch fragte ihn um das Absehen seiner Reise nach Leipzig; er, un- wissend wegen meiner Wahl, welche 1709. im Herbste geschehen, erzehlte mir, daß ein Cate- chete in Leipzig erwählet wäre worden, und der- selbe wäre schon ein halbes Jahr kranck; und da der Rath willens wäre einen andern zu er- wehlen, so hätte ihm Herr Lic. Teller geschrie- ben, daß er kommen, und eine Gast-Predigt thun, oder sich vor einigen Patronis solte hören lassen. Jch weiß nicht, ob ich mehr erschrack, oder mehr lachen muste über diese seltsame Avan- ture. Denn ich war der Catechet, so kranck worden, und der auch erwehlet war worden; und solte ietzt hören, daß mein ehemaliger Disci- pel und Auditor mir solte vorgezogen werden. Jch kan nicht wissen, ob er den Patronis, alß er
gepre-
trifft einen an, der an ſeiner Statt
Auditoribus diſtinguiret. Jch war ihm auch vor andern ſehr gewogen geweſen; denn er hatte auf dem Gymnaſio faſt ſolche Dinge erfahren, wie ich 1695. und 1704. und wuſte von ſeltſamen An- fechtungen zu erzehlen, ſo ihm auf dem Gymna- ſio begegnet. Er war ſehr begierig immer froͤm- mer zu werden, wie diejenigen ſind, ſo aus der Erfahrung wiſſen, was Suͤnde, was Buße, was Glaube, was CHriſtus, was Betial, was GOTTes Zorn, und was GOTTes Gnade. Beym Einbruche der Schweden aber hatte er ſich nach Halle gewendet. Jch fragte ihn um das Abſehen ſeiner Reiſe nach Leipzig; er, un- wiſſend wegen meiner Wahl, welche 1709. im Herbſte geſchehen, erzehlte mir, daß ein Cate- chete in Leipzig erwaͤhlet waͤre worden, und der- ſelbe waͤre ſchon ein halbes Jahr kranck; und da der Rath willens waͤre einen andern zu er- wehlen, ſo haͤtte ihm Herr Lic. Teller geſchrie- ben, daß er kommen, und eine Gaſt-Predigt thun, oder ſich vor einigen Patronis ſolte hoͤren laſſen. Jch weiß nicht, ob ich mehr erſchrack, oder mehr lachen muſte uͤber dieſe ſeltſame Avan- ture. Denn ich war der Catechet, ſo kranck worden, und der auch erwehlet war worden; und ſolte ietzt hoͤren, daß mein ehemaliger Diſci- pel und Auditor mir ſolte vorgezogen werden. Jch kan nicht wiſſen, ob er den Patronis, alß er
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trifft einen an, der an ſeiner Statt
Auditoribus diſtinguiret. Jch war ihm auch vor
andern ſehr gewogen geweſen; denn er hatte auf
dem Gymnaſio faſt ſolche Dinge erfahren, wie
ich 1695. und 1704. und wuſte von ſeltſamen An-
fechtungen zu erzehlen, ſo ihm auf dem Gymna-
ſio begegnet. Er war ſehr begierig immer froͤm-
mer zu werden, wie diejenigen ſind, ſo aus der
Erfahrung wiſſen, was Suͤnde, was Buße,
was Glaube, was CHriſtus, was Betial, was
GOTTes Zorn, und was GOTTes Gnade.
Beym Einbruche der Schweden aber hatte er
ſich nach Halle gewendet. Jch fragte ihn um
das Abſehen ſeiner Reiſe nach Leipzig; er, un-
wiſſend wegen meiner Wahl, welche 1709. im
Herbſte geſchehen, erzehlte mir, daß ein Cate-
chete in Leipzig erwaͤhlet waͤre worden, und der-
ſelbe waͤre ſchon ein halbes Jahr kranck; und
da der Rath willens waͤre einen andern zu er-
wehlen, ſo haͤtte ihm Herr Lic. Teller geſchrie-
ben, daß er kommen, und eine Gaſt-Predigt
thun, oder ſich vor einigen Patronis ſolte hoͤren
laſſen. Jch weiß nicht, ob ich mehr erſchrack,
oder mehr lachen muſte uͤber dieſe ſeltſame Avan-
ture. Denn ich war der Catechet, ſo kranck
worden, und der auch erwehlet war worden;
und ſolte ietzt hoͤren, daß mein ehemaliger Diſci-
pel und Auditor mir ſolte vorgezogen werden.
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/534>, abgerufen am 22.11.2024.
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