Ausbruchs der Kranckheit ausüben können, und daß ich einst in einer Schule, da ich mich nur gegen einen Knaben zornig anstellen wollen, durch das Bild eines Zornigen, das ich ange- nommen, den Leib gebildet, alteriret, und be- weget, wie er bey einem wahrhafftig Zornigen zu seyn pfleget, so daß ich nicht länger stehen können, sondern mich setzen müssen; und es mir bald wie dem bekannten Moliere gegangen wäre, der in einer seiner Commoedien, ich weiß nicht, ob kranck, oder todt sich anstellen wollen, und dabey durch starcke Einbildung sei- nem ohne Zweiffel zu solcher Kranckheit schon geschicktem Leibe die Kranckheit, und den Tod zugezogen. Wäre mir es dazumahl auch so gegangen, wie ich denn im Angesichte blaß, und nach dem Urtheil des Informatoris zornig genug aussahe, obgleich meine Seele vom Zorne nichts wuste, so daß die Kranckheit bey mir ausgebro- chen, und ich daran gestorben wäre; wie würde ich haben müssen herhalten! wie würde es geheißen haben: Sehet doch den groß seyn wollendenMoralisten, er hat stets so starck vor die wahre Gottseligkeit, und vor die Sanfftmuth geeifert, und nun hat er sich über einen Jungen in der Schule er- bost, daß er drüber sterben müssen!
So
dergleichen Leute hier,
Ausbruchs der Kranckheit ausuͤben koͤnnen, und daß ich einſt in einer Schule, da ich mich nur gegen einen Knaben zornig anſtellen wollen, durch das Bild eines Zornigen, das ich ange- nommen, den Leib gebildet, alteriret, und be- weget, wie er bey einem wahrhafftig Zornigen zu ſeyn pfleget, ſo daß ich nicht laͤnger ſtehen koͤnnen, ſondern mich ſetzen muͤſſen; und es mir bald wie dem bekannten Moliere gegangen waͤre, der in einer ſeiner Commœdien, ich weiß nicht, ob kranck, oder todt ſich anſtellen wollen, und dabey durch ſtarcke Einbildung ſei- nem ohne Zweiffel zu ſolcher Kranckheit ſchon geſchicktem Leibe die Kranckheit, und den Tod zugezogen. Waͤre mir es dazumahl auch ſo gegangen, wie ich denn im Angeſichte blaß, und nach dem Urtheil des Informatoris zornig genug ausſahe, obgleich meine Seele vom Zorne nichts wuſte, ſo daß die Kranckheit bey mir ausgebro- chen, und ich daran geſtorben waͤre; wie wuͤrde ich haben muͤſſen herhalten! wie wuͤrde es geheißen haben: Sehet doch den groß ſeyn wollendenMoraliſten, er hat ſtets ſo ſtarck vor die wahre Gottſeligkeit, und vor die Sanfftmuth geeifert, und nun hat er ſich uͤber einen Jungen in der Schule er- boſt, daß er druͤber ſterben muͤſſen!
So
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0411"n="365"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">dergleichen Leute hier,</hi></fw><lb/>
Ausbruchs der Kranckheit ausuͤben koͤnnen, und<lb/>
daß ich einſt in einer Schule, da ich mich nur<lb/>
gegen einen Knaben zornig anſtellen wollen,<lb/>
durch das Bild eines Zornigen, das ich ange-<lb/>
nommen, den Leib gebildet, <hirendition="#aq">alteri</hi>ret, und be-<lb/>
weget, wie er bey einem wahrhafftig Zornigen<lb/>
zu ſeyn pfleget, ſo daß ich nicht laͤnger ſtehen<lb/>
koͤnnen, ſondern mich ſetzen muͤſſen; und es<lb/>
mir bald wie dem bekannten <hirendition="#aq">Moliere</hi> gegangen<lb/>
waͤre, der in einer ſeiner <hirendition="#aq">Commœdi</hi>en, ich<lb/>
weiß nicht, ob kranck, oder todt ſich anſtellen<lb/>
wollen, und dabey durch ſtarcke Einbildung ſei-<lb/>
nem ohne Zweiffel zu ſolcher Kranckheit ſchon<lb/>
geſchicktem Leibe die Kranckheit, und den Tod<lb/>
zugezogen. Waͤre mir es dazumahl auch ſo<lb/>
gegangen, wie ich denn im Angeſichte blaß, und<lb/>
nach dem Urtheil des <hirendition="#aq">Informatoris</hi> zornig genug<lb/>
ausſahe, obgleich meine Seele vom Zorne nichts<lb/>
wuſte, ſo daß die Kranckheit bey mir ausgebro-<lb/>
chen, und ich daran geſtorben waͤre; wie<lb/>
wuͤrde ich haben muͤſſen herhalten! wie wuͤrde<lb/>
es geheißen haben: <hirendition="#fr">Sehet doch den groß<lb/>ſeyn wollenden</hi><hirendition="#aq">Moraliſt</hi><hirendition="#fr">en, er hat ſtets ſo<lb/>ſtarck vor die wahre Gottſeligkeit, und vor<lb/>
die Sanfftmuth geeifert, und nun hat er<lb/>ſich uͤber einen Jungen in der Schule er-<lb/>
boſt, daß er druͤber ſterben muͤſſen!</hi></p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">So</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[365/0411]
dergleichen Leute hier,
Ausbruchs der Kranckheit ausuͤben koͤnnen, und
daß ich einſt in einer Schule, da ich mich nur
gegen einen Knaben zornig anſtellen wollen,
durch das Bild eines Zornigen, das ich ange-
nommen, den Leib gebildet, alteriret, und be-
weget, wie er bey einem wahrhafftig Zornigen
zu ſeyn pfleget, ſo daß ich nicht laͤnger ſtehen
koͤnnen, ſondern mich ſetzen muͤſſen; und es
mir bald wie dem bekannten Moliere gegangen
waͤre, der in einer ſeiner Commœdien, ich
weiß nicht, ob kranck, oder todt ſich anſtellen
wollen, und dabey durch ſtarcke Einbildung ſei-
nem ohne Zweiffel zu ſolcher Kranckheit ſchon
geſchicktem Leibe die Kranckheit, und den Tod
zugezogen. Waͤre mir es dazumahl auch ſo
gegangen, wie ich denn im Angeſichte blaß, und
nach dem Urtheil des Informatoris zornig genug
ausſahe, obgleich meine Seele vom Zorne nichts
wuſte, ſo daß die Kranckheit bey mir ausgebro-
chen, und ich daran geſtorben waͤre; wie
wuͤrde ich haben muͤſſen herhalten! wie wuͤrde
es geheißen haben: Sehet doch den groß
ſeyn wollenden Moraliſten, er hat ſtets ſo
ſtarck vor die wahre Gottſeligkeit, und vor
die Sanfftmuth geeifert, und nun hat er
ſich uͤber einen Jungen in der Schule er-
boſt, daß er druͤber ſterben muͤſſen!
So
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/411>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.