Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

bekommt er eine Condition
überbliebenen Furcht, welche die Liebe zu GOtt
noch nicht völlig ausgetrieben, nunmehr, da
meine Mutter todt, würden seine wunderbare
Gerichte und Prüffungen über mich in größerm
Maaße ausbrechen. Und es geschahe auch, wie
ich gedacht hatte. Zwar gieng es mir zu An-
fang dieses Sommers dermaßen wohl, daß es
nicht anders schien, als ob GOTT den letzten
Wunsch und Segen, den mir meine Mutter
sowol bey meinem Abschiede aus Breßlau, als
auch bey ihrem Abschiede aus der Welt gegeben,
erfüllen wolte. Denn ich bekam eine feine
Condition und Information auf dem rothen
Collegio, wohin ich auch zoge; und GOTT
hatte daselbst einer armen Wittwen geboten, daß
sie mich versorgen solte. Das war die Frau
Schultzin, des ehemaligen Depositors hinter-
lassene Wittib. Sie hatte einen Sohn, der
ietzt Pastor in Schönborn, nicht weit von Gör-
litz, ist. Derselbe solte ad Studia Academica
praepari
ret werden, und ich trug kein Bedencken,
die Condition anzunehmen. Jch bekam vor
meine Mühe des Jahrs 30. Rthl. Doch die Mühe
war nicht groß, und wurde mir meine Arbeit
durch die Lehr-Begierigkeit meines Discipels,
der damals ein Knabe oder Jüngling von 16.
Jahren war, ungemein versüsset. Es war bey
ihm lauter Eifer etwas zu lernen, und dabey so

viel

bekommt er eine Condition
uͤberbliebenen Furcht, welche die Liebe zu GOtt
noch nicht voͤllig ausgetrieben, nunmehr, da
meine Mutter todt, wuͤrden ſeine wunderbare
Gerichte und Pruͤffungen uͤber mich in groͤßerm
Maaße ausbrechen. Und es geſchahe auch, wie
ich gedacht hatte. Zwar gieng es mir zu An-
fang dieſes Sommers dermaßen wohl, daß es
nicht anders ſchien, als ob GOTT den letzten
Wunſch und Segen, den mir meine Mutter
ſowol bey meinem Abſchiede aus Breßlau, als
auch bey ihrem Abſchiede aus der Welt gegeben,
erfuͤllen wolte. Denn ich bekam eine feine
Condition und Information auf dem rothen
Collegio, wohin ich auch zoge; und GOTT
hatte daſelbſt einer armen Wittwen geboten, daß
ſie mich verſorgen ſolte. Das war die Frau
Schultzin, des ehemaligen Depoſitors hinter-
laſſene Wittib. Sie hatte einen Sohn, der
ietzt Paſtor in Schoͤnborn, nicht weit von Goͤr-
litz, iſt. Derſelbe ſolte ad Studia Academica
præpari
ret werden, und ich trug kein Bedencken,
die Condition anzunehmen. Jch bekam vor
meine Muͤhe des Jahrs 30. Rthl. Doch die Muͤhe
war nicht groß, und wurde mir meine Arbeit
durch die Lehr-Begierigkeit meines Diſcipels,
der damals ein Knabe oder Juͤngling von 16.
Jahren war, ungemein verſuͤſſet. Es war bey
ihm lauter Eifer etwas zu lernen, und dabey ſo

viel
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0237" n="191"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">bekommt er eine</hi><hi rendition="#aq">Condition</hi></fw><lb/>
u&#x0364;berbliebenen Furcht, welche die Liebe zu GOtt<lb/>
noch nicht vo&#x0364;llig ausgetrieben, nunmehr, da<lb/>
meine Mutter todt, wu&#x0364;rden &#x017F;eine wunderbare<lb/>
Gerichte und Pru&#x0364;ffungen u&#x0364;ber mich in gro&#x0364;ßerm<lb/>
Maaße ausbrechen. Und es ge&#x017F;chahe auch, wie<lb/>
ich gedacht hatte. Zwar gieng es mir zu An-<lb/>
fang die&#x017F;es Sommers dermaßen wohl, daß es<lb/>
nicht anders &#x017F;chien, als ob <hi rendition="#g">GOTT</hi> den letzten<lb/>
Wun&#x017F;ch und Segen, den mir meine Mutter<lb/>
&#x017F;owol bey meinem Ab&#x017F;chiede aus Breßlau, als<lb/>
auch bey ihrem Ab&#x017F;chiede aus der Welt gegeben,<lb/>
erfu&#x0364;llen wolte. Denn ich bekam eine feine<lb/><hi rendition="#aq">Condition</hi> und <hi rendition="#aq">Information</hi> auf dem rothen<lb/><hi rendition="#aq">Collegio,</hi> wohin ich auch zoge; und GOTT<lb/>
hatte da&#x017F;elb&#x017F;t einer armen Wittwen geboten, daß<lb/>
&#x017F;ie mich ver&#x017F;orgen &#x017F;olte. Das war die Frau<lb/>
Schultzin, des ehemaligen <hi rendition="#aq">Depo&#x017F;itors</hi> hinter-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;ene Wittib. Sie hatte einen Sohn, der<lb/>
ietzt <hi rendition="#aq">Pa&#x017F;tor</hi> in Scho&#x0364;nborn, nicht weit von Go&#x0364;r-<lb/>
litz, i&#x017F;t. Der&#x017F;elbe &#x017F;olte <hi rendition="#aq">ad Studia Academica<lb/>
præpari</hi>ret werden, und ich trug kein Bedencken,<lb/>
die <hi rendition="#aq">Condition</hi> anzunehmen. Jch bekam vor<lb/>
meine Mu&#x0364;he des Jahrs 30. Rthl. Doch die Mu&#x0364;he<lb/>
war nicht groß, und wurde mir meine Arbeit<lb/>
durch die Lehr-Begierigkeit meines <hi rendition="#aq">Di&#x017F;cipel</hi>s,<lb/>
der damals ein Knabe oder Ju&#x0364;ngling von 16.<lb/>
Jahren war, ungemein ver&#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;et. Es war bey<lb/>
ihm lauter Eifer etwas zu lernen, und dabey &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">viel</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[191/0237] bekommt er eine Condition uͤberbliebenen Furcht, welche die Liebe zu GOtt noch nicht voͤllig ausgetrieben, nunmehr, da meine Mutter todt, wuͤrden ſeine wunderbare Gerichte und Pruͤffungen uͤber mich in groͤßerm Maaße ausbrechen. Und es geſchahe auch, wie ich gedacht hatte. Zwar gieng es mir zu An- fang dieſes Sommers dermaßen wohl, daß es nicht anders ſchien, als ob GOTT den letzten Wunſch und Segen, den mir meine Mutter ſowol bey meinem Abſchiede aus Breßlau, als auch bey ihrem Abſchiede aus der Welt gegeben, erfuͤllen wolte. Denn ich bekam eine feine Condition und Information auf dem rothen Collegio, wohin ich auch zoge; und GOTT hatte daſelbſt einer armen Wittwen geboten, daß ſie mich verſorgen ſolte. Das war die Frau Schultzin, des ehemaligen Depoſitors hinter- laſſene Wittib. Sie hatte einen Sohn, der ietzt Paſtor in Schoͤnborn, nicht weit von Goͤr- litz, iſt. Derſelbe ſolte ad Studia Academica præpariret werden, und ich trug kein Bedencken, die Condition anzunehmen. Jch bekam vor meine Muͤhe des Jahrs 30. Rthl. Doch die Muͤhe war nicht groß, und wurde mir meine Arbeit durch die Lehr-Begierigkeit meines Diſcipels, der damals ein Knabe oder Juͤngling von 16. Jahren war, ungemein verſuͤſſet. Es war bey ihm lauter Eifer etwas zu lernen, und dabey ſo viel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/237
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/237>, abgerufen am 24.11.2024.