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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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auf seine Stube,
mich in ein Gespräch mit ihm ein, und bot ihm
freye Stube an, ohne etwas anders als die Frey-
heit mit ihm zu parliren, von ihm zu verlangen,
so offt er zu Hause wäre. Wir wurden mit
einander gleich eins; denn deutsch kunte er ohne-
dem noch wenig, oder nichts. Er war ein ge-
bohrner Schottländer, und hatte mit seinem
Vater, weil derselbe des Jacobi Parthey gehal-
ten, flüchtig werden, und sich nach Franckreich
retiriren müssen. Zu Paris hatte er studiret,
und auch in Spanien auf der Universität Alcala
de Henares.
Wie er Jtaliänisch gelernet,
kan ich mich nicht mehr besinnen; denn er par-
li
rte seine 4. 5. Sprachen, und gab in denselben
Lection, verdiente auch dabey viel Geld, indem
er bis 6. Stunden des Tages besetzet hatte, und
wegen seines lustigen Humeurs gar angenehm
war. Die Aristotelische Philosophie hatte er
wohl inne, und hatte in Paris Magister werden
sollen, war aber, wie er vorgab, im Zorn da-
von gelauffen, als ihm einer bey der Promotion
vorgezogen worden. Er hieß Olearius, oder,
wie er sich nach der Englischen Aussprache nen-
nen ließ, Olerius. Der Anfang war gut.
Jch fand an ihm, was ich gesucht hatte. Er
war ein animal disputax; und, wenn er des
Abends zu dem Gastwirth kam, wo ich speisete,
mich abzuholen, so kunte man mit ihm Lateinisch,

Jtaliä-

auf ſeine Stube,
mich in ein Geſpraͤch mit ihm ein, und bot ihm
freye Stube an, ohne etwas anders als die Frey-
heit mit ihm zu parliren, von ihm zu verlangen,
ſo offt er zu Hauſe waͤre. Wir wurden mit
einander gleich eins; denn deutſch kunte er ohne-
dem noch wenig, oder nichts. Er war ein ge-
bohrner Schottlaͤnder, und hatte mit ſeinem
Vater, weil derſelbe des Jacobi Parthey gehal-
ten, fluͤchtig werden, und ſich nach Franckreich
retiriren muͤſſen. Zu Paris hatte er ſtudiret,
und auch in Spanien auf der Univerſitaͤt Alcala
de Henares.
Wie er Jtaliaͤniſch gelernet,
kan ich mich nicht mehr beſinnen; denn er par-
li
rte ſeine 4. 5. Sprachen, und gab in denſelben
Lection, verdiente auch dabey viel Geld, indem
er bis 6. Stunden des Tages beſetzet hatte, und
wegen ſeines luſtigen Humeurs gar angenehm
war. Die Ariſtoteliſche Philoſophie hatte er
wohl inne, und hatte in Paris Magiſter werden
ſollen, war aber, wie er vorgab, im Zorn da-
von gelauffen, als ihm einer bey der Promotion
vorgezogen worden. Er hieß Olearius, oder,
wie er ſich nach der Engliſchen Ausſprache nen-
nen ließ, Olerius. Der Anfang war gut.
Jch fand an ihm, was ich geſucht hatte. Er
war ein animal diſputax; und, wenn er des
Abends zu dem Gaſtwirth kam, wo ich ſpeiſete,
mich abzuholen, ſo kunte man mit ihm Lateiniſch,

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[186/0232] auf ſeine Stube, mich in ein Geſpraͤch mit ihm ein, und bot ihm freye Stube an, ohne etwas anders als die Frey- heit mit ihm zu parliren, von ihm zu verlangen, ſo offt er zu Hauſe waͤre. Wir wurden mit einander gleich eins; denn deutſch kunte er ohne- dem noch wenig, oder nichts. Er war ein ge- bohrner Schottlaͤnder, und hatte mit ſeinem Vater, weil derſelbe des Jacobi Parthey gehal- ten, fluͤchtig werden, und ſich nach Franckreich retiriren muͤſſen. Zu Paris hatte er ſtudiret, und auch in Spanien auf der Univerſitaͤt Alcala de Henares. Wie er Jtaliaͤniſch gelernet, kan ich mich nicht mehr beſinnen; denn er par- lirte ſeine 4. 5. Sprachen, und gab in denſelben Lection, verdiente auch dabey viel Geld, indem er bis 6. Stunden des Tages beſetzet hatte, und wegen ſeines luſtigen Humeurs gar angenehm war. Die Ariſtoteliſche Philoſophie hatte er wohl inne, und hatte in Paris Magiſter werden ſollen, war aber, wie er vorgab, im Zorn da- von gelauffen, als ihm einer bey der Promotion vorgezogen worden. Er hieß Olearius, oder, wie er ſich nach der Engliſchen Ausſprache nen- nen ließ, Olerius. Der Anfang war gut. Jch fand an ihm, was ich geſucht hatte. Er war ein animal diſputax; und, wenn er des Abends zu dem Gaſtwirth kam, wo ich ſpeiſete, mich abzuholen, ſo kunte man mit ihm Lateiniſch, Jtaliaͤ-

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/232>, abgerufen am 18.05.2024.