Der eine bis jetzt noch unerklärt gebliebene Umstand beruht nun dann, daß man Geschiebe von Felsarten (und zwar in Menge) darin findet, welche entweder in den Alpen gar nicht -- oder doch nur in den südlichen Thälern derselben vorkommen (d. h. deren heutige Flußgebiete gegen Süden auslaufen, wie das der Rhone, des Ticino und Inn), -- oder daß Geschiebe von Gesteinsarten wieder gänzlich in der Nagelfluh fehlen, die man in großer Menge darin erwarten sollte, weil sie in den Alpen außerordentlich reichlich vorhanden sind. Es bleibt somit nichts Anderes übrig, als anzu¬ nehmen: daß die Rollsteine der Nagelfluh von Gebirgen herrühren, die bei einer der großen Erdumwälzungen gänzlich zertrümmert, dann durch die Friktion in den Fluthungen des Urmeeres abge¬ schliffen und gerundet, hierauf in gewaltigen Schichten abgelagert, von Cementschlamm umhüllt und endlich bei der Hebung der Alpen mit aus den Meerestiefen emporgehoben wurden.
Eine zweite noch interessantere, aber auch noch minder erklär¬ liche Erscheinung ist die der Impressionen. Sucht man nur einige Augenblicke an blosgelegten Nagelfluh-Felsen, namentlich an solchen, deren Bindemittel nicht zu hart ist, so daß man die Roll¬ steine leicht aus ihnen herauslösen kann, so wird man von letzteren Exemplare finden, welche tiefe, muldenförmige Eindrücke von ihren unmittelbaren Nachbarn erhalten haben, etwa so, als wenn man in frisches, geknetetes Brod irgend einen beliebigen harten Gegen¬ stand eindrücken würde. Nun sind aber beide Steine in der Regel von gleich harter Masse, und der Stein Nummero Zwei, welcher die Impression in dem von Nummero Eins hervorbrachte, erhält an einer anderen Stelle von einem dritten Nachbar selbst wieder ganz ähnliche Quetschungen oder Vertiefungen. Da man nun doch annehmen muß, daß die Rollsteine, ehe sie rundlich abgeschliffen wurden, bereits hart und spröde waren, so ist es schwer erklärlich, wie sie von gleich harten Nebenkörpern solche Eindrücke empfangen konnten.
Nagelfluh.
Der eine bis jetzt noch unerklärt gebliebene Umſtand beruht nun dann, daß man Geſchiebe von Felsarten (und zwar in Menge) darin findet, welche entweder in den Alpen gar nicht — oder doch nur in den ſüdlichen Thälern derſelben vorkommen (d. h. deren heutige Flußgebiete gegen Süden auslaufen, wie das der Rhône, des Ticino und Inn), — oder daß Geſchiebe von Geſteinsarten wieder gänzlich in der Nagelfluh fehlen, die man in großer Menge darin erwarten ſollte, weil ſie in den Alpen außerordentlich reichlich vorhanden ſind. Es bleibt ſomit nichts Anderes übrig, als anzu¬ nehmen: daß die Rollſteine der Nagelfluh von Gebirgen herrühren, die bei einer der großen Erdumwälzungen gänzlich zertrümmert, dann durch die Friktion in den Fluthungen des Urmeeres abge¬ ſchliffen und gerundet, hierauf in gewaltigen Schichten abgelagert, von Cementſchlamm umhüllt und endlich bei der Hebung der Alpen mit aus den Meerestiefen emporgehoben wurden.
Eine zweite noch intereſſantere, aber auch noch minder erklär¬ liche Erſcheinung iſt die der Impreſſionen. Sucht man nur einige Augenblicke an blosgelegten Nagelfluh-Felſen, namentlich an ſolchen, deren Bindemittel nicht zu hart iſt, ſo daß man die Roll¬ ſteine leicht aus ihnen herauslöſen kann, ſo wird man von letzteren Exemplare finden, welche tiefe, muldenförmige Eindrücke von ihren unmittelbaren Nachbarn erhalten haben, etwa ſo, als wenn man in friſches, geknetetes Brod irgend einen beliebigen harten Gegen¬ ſtand eindrücken würde. Nun ſind aber beide Steine in der Regel von gleich harter Maſſe, und der Stein Nummero Zwei, welcher die Impreſſion in dem von Nummero Eins hervorbrachte, erhält an einer anderen Stelle von einem dritten Nachbar ſelbſt wieder ganz ähnliche Quetſchungen oder Vertiefungen. Da man nun doch annehmen muß, daß die Rollſteine, ehe ſie rundlich abgeſchliffen wurden, bereits hart und ſpröde waren, ſo iſt es ſchwer erklärlich, wie ſie von gleich harten Nebenkörpern ſolche Eindrücke empfangen konnten.
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Nagelfluh.
Der eine bis jetzt noch unerklärt gebliebene Umſtand beruht
nun dann, daß man Geſchiebe von Felsarten (und zwar in Menge)
darin findet, welche entweder in den Alpen gar nicht — oder doch
nur in den ſüdlichen Thälern derſelben vorkommen (d. h. deren
heutige Flußgebiete gegen Süden auslaufen, wie das der Rhône,
des Ticino und Inn), — oder daß Geſchiebe von Geſteinsarten
wieder gänzlich in der Nagelfluh fehlen, die man in großer Menge
darin erwarten ſollte, weil ſie in den Alpen außerordentlich reichlich
vorhanden ſind. Es bleibt ſomit nichts Anderes übrig, als anzu¬
nehmen: daß die Rollſteine der Nagelfluh von Gebirgen herrühren,
die bei einer der großen Erdumwälzungen gänzlich zertrümmert,
dann durch die Friktion in den Fluthungen des Urmeeres abge¬
ſchliffen und gerundet, hierauf in gewaltigen Schichten abgelagert,
von Cementſchlamm umhüllt und endlich bei der Hebung der Alpen
mit aus den Meerestiefen emporgehoben wurden.
Eine zweite noch intereſſantere, aber auch noch minder erklär¬
liche Erſcheinung iſt die der Impreſſionen. Sucht man nur
einige Augenblicke an blosgelegten Nagelfluh-Felſen, namentlich an
ſolchen, deren Bindemittel nicht zu hart iſt, ſo daß man die Roll¬
ſteine leicht aus ihnen herauslöſen kann, ſo wird man von letzteren
Exemplare finden, welche tiefe, muldenförmige Eindrücke von ihren
unmittelbaren Nachbarn erhalten haben, etwa ſo, als wenn man
in friſches, geknetetes Brod irgend einen beliebigen harten Gegen¬
ſtand eindrücken würde. Nun ſind aber beide Steine in der Regel
von gleich harter Maſſe, und der Stein Nummero Zwei, welcher
die Impreſſion in dem von Nummero Eins hervorbrachte, erhält
an einer anderen Stelle von einem dritten Nachbar ſelbſt wieder
ganz ähnliche Quetſchungen oder Vertiefungen. Da man nun doch
annehmen muß, daß die Rollſteine, ehe ſie rundlich abgeſchliffen
wurden, bereits hart und ſpröde waren, ſo iſt es ſchwer erklärlich,
wie ſie von gleich harten Nebenkörpern ſolche Eindrücke empfangen
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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/60>, abgerufen am 24.11.2024.
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