Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite
Nagelfluh.

Der eine bis jetzt noch unerklärt gebliebene Umstand beruht
nun dann, daß man Geschiebe von Felsarten (und zwar in Menge)
darin findet, welche entweder in den Alpen gar nicht -- oder doch
nur in den südlichen Thälern derselben vorkommen (d. h. deren
heutige Flußgebiete gegen Süden auslaufen, wie das der Rhone,
des Ticino und Inn), -- oder daß Geschiebe von Gesteinsarten
wieder gänzlich in der Nagelfluh fehlen, die man in großer Menge
darin erwarten sollte, weil sie in den Alpen außerordentlich reichlich
vorhanden sind. Es bleibt somit nichts Anderes übrig, als anzu¬
nehmen: daß die Rollsteine der Nagelfluh von Gebirgen herrühren,
die bei einer der großen Erdumwälzungen gänzlich zertrümmert,
dann durch die Friktion in den Fluthungen des Urmeeres abge¬
schliffen und gerundet, hierauf in gewaltigen Schichten abgelagert,
von Cementschlamm umhüllt und endlich bei der Hebung der Alpen
mit aus den Meerestiefen emporgehoben wurden.

Eine zweite noch interessantere, aber auch noch minder erklär¬
liche Erscheinung ist die der Impressionen. Sucht man nur
einige Augenblicke an blosgelegten Nagelfluh-Felsen, namentlich an
solchen, deren Bindemittel nicht zu hart ist, so daß man die Roll¬
steine leicht aus ihnen herauslösen kann, so wird man von letzteren
Exemplare finden, welche tiefe, muldenförmige Eindrücke von ihren
unmittelbaren Nachbarn erhalten haben, etwa so, als wenn man
in frisches, geknetetes Brod irgend einen beliebigen harten Gegen¬
stand eindrücken würde. Nun sind aber beide Steine in der Regel
von gleich harter Masse, und der Stein Nummero Zwei, welcher
die Impression in dem von Nummero Eins hervorbrachte, erhält
an einer anderen Stelle von einem dritten Nachbar selbst wieder
ganz ähnliche Quetschungen oder Vertiefungen. Da man nun doch
annehmen muß, daß die Rollsteine, ehe sie rundlich abgeschliffen
wurden, bereits hart und spröde waren, so ist es schwer erklärlich,
wie sie von gleich harten Nebenkörpern solche Eindrücke empfangen
konnten.

Nagelfluh.

Der eine bis jetzt noch unerklärt gebliebene Umſtand beruht
nun dann, daß man Geſchiebe von Felsarten (und zwar in Menge)
darin findet, welche entweder in den Alpen gar nicht — oder doch
nur in den ſüdlichen Thälern derſelben vorkommen (d. h. deren
heutige Flußgebiete gegen Süden auslaufen, wie das der Rhône,
des Ticino und Inn), — oder daß Geſchiebe von Geſteinsarten
wieder gänzlich in der Nagelfluh fehlen, die man in großer Menge
darin erwarten ſollte, weil ſie in den Alpen außerordentlich reichlich
vorhanden ſind. Es bleibt ſomit nichts Anderes übrig, als anzu¬
nehmen: daß die Rollſteine der Nagelfluh von Gebirgen herrühren,
die bei einer der großen Erdumwälzungen gänzlich zertrümmert,
dann durch die Friktion in den Fluthungen des Urmeeres abge¬
ſchliffen und gerundet, hierauf in gewaltigen Schichten abgelagert,
von Cementſchlamm umhüllt und endlich bei der Hebung der Alpen
mit aus den Meerestiefen emporgehoben wurden.

Eine zweite noch intereſſantere, aber auch noch minder erklär¬
liche Erſcheinung iſt die der Impreſſionen. Sucht man nur
einige Augenblicke an blosgelegten Nagelfluh-Felſen, namentlich an
ſolchen, deren Bindemittel nicht zu hart iſt, ſo daß man die Roll¬
ſteine leicht aus ihnen herauslöſen kann, ſo wird man von letzteren
Exemplare finden, welche tiefe, muldenförmige Eindrücke von ihren
unmittelbaren Nachbarn erhalten haben, etwa ſo, als wenn man
in friſches, geknetetes Brod irgend einen beliebigen harten Gegen¬
ſtand eindrücken würde. Nun ſind aber beide Steine in der Regel
von gleich harter Maſſe, und der Stein Nummero Zwei, welcher
die Impreſſion in dem von Nummero Eins hervorbrachte, erhält
an einer anderen Stelle von einem dritten Nachbar ſelbſt wieder
ganz ähnliche Quetſchungen oder Vertiefungen. Da man nun doch
annehmen muß, daß die Rollſteine, ehe ſie rundlich abgeſchliffen
wurden, bereits hart und ſpröde waren, ſo iſt es ſchwer erklärlich,
wie ſie von gleich harten Nebenkörpern ſolche Eindrücke empfangen
konnten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0060" n="42"/>
        <fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Nagelfluh</hi>.<lb/></fw>
        <p>Der eine bis jetzt noch unerklärt gebliebene Um&#x017F;tand beruht<lb/>
nun dann, daß man Ge&#x017F;chiebe von Felsarten (und zwar in Menge)<lb/>
darin findet, welche entweder in den Alpen gar nicht &#x2014; oder doch<lb/>
nur in den &#x017F;üdlichen Thälern der&#x017F;elben vorkommen (d. h. deren<lb/>
heutige Flußgebiete gegen Süden auslaufen, wie das der Rhône,<lb/>
des Ticino und Inn), &#x2014; oder daß Ge&#x017F;chiebe von Ge&#x017F;teinsarten<lb/>
wieder gänzlich in der Nagelfluh fehlen, die man in großer Menge<lb/>
darin erwarten &#x017F;ollte, weil &#x017F;ie in den Alpen außerordentlich reichlich<lb/>
vorhanden &#x017F;ind. Es bleibt &#x017F;omit nichts Anderes übrig, als anzu¬<lb/>
nehmen: daß die Roll&#x017F;teine der Nagelfluh von Gebirgen herrühren,<lb/>
die bei einer der großen Erdumwälzungen gänzlich zertrümmert,<lb/>
dann durch die Friktion in den Fluthungen des Urmeeres abge¬<lb/>
&#x017F;chliffen und gerundet, hierauf in gewaltigen Schichten abgelagert,<lb/>
von Cement&#x017F;chlamm umhüllt und endlich bei der Hebung der Alpen<lb/>
mit aus den Meerestiefen emporgehoben wurden.</p><lb/>
        <p>Eine zweite noch intere&#x017F;&#x017F;antere, aber auch noch minder erklär¬<lb/>
liche Er&#x017F;cheinung i&#x017F;t die der <hi rendition="#g">Impre&#x017F;&#x017F;ionen</hi>. Sucht man nur<lb/>
einige Augenblicke an blosgelegten Nagelfluh-Fel&#x017F;en, namentlich an<lb/>
&#x017F;olchen, deren Bindemittel nicht zu hart i&#x017F;t, &#x017F;o daß man die Roll¬<lb/>
&#x017F;teine leicht aus ihnen herauslö&#x017F;en kann, &#x017F;o wird man von letzteren<lb/>
Exemplare finden, welche tiefe, muldenförmige Eindrücke von ihren<lb/>
unmittelbaren Nachbarn erhalten haben, etwa &#x017F;o, als wenn man<lb/>
in fri&#x017F;ches, geknetetes Brod irgend einen beliebigen harten Gegen¬<lb/>
&#x017F;tand eindrücken würde. Nun &#x017F;ind aber beide Steine in der Regel<lb/>
von gleich harter Ma&#x017F;&#x017F;e, und der Stein Nummero Zwei, welcher<lb/>
die Impre&#x017F;&#x017F;ion in dem von Nummero Eins hervorbrachte, erhält<lb/>
an einer anderen Stelle von einem dritten Nachbar &#x017F;elb&#x017F;t wieder<lb/>
ganz ähnliche Quet&#x017F;chungen oder Vertiefungen. Da man nun doch<lb/>
annehmen muß, daß die Roll&#x017F;teine, ehe &#x017F;ie rundlich abge&#x017F;chliffen<lb/>
wurden, bereits hart und &#x017F;pröde waren, &#x017F;o i&#x017F;t es &#x017F;chwer erklärlich,<lb/>
wie &#x017F;ie von gleich harten Nebenkörpern &#x017F;olche Eindrücke empfangen<lb/>
konnten.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0060] Nagelfluh. Der eine bis jetzt noch unerklärt gebliebene Umſtand beruht nun dann, daß man Geſchiebe von Felsarten (und zwar in Menge) darin findet, welche entweder in den Alpen gar nicht — oder doch nur in den ſüdlichen Thälern derſelben vorkommen (d. h. deren heutige Flußgebiete gegen Süden auslaufen, wie das der Rhône, des Ticino und Inn), — oder daß Geſchiebe von Geſteinsarten wieder gänzlich in der Nagelfluh fehlen, die man in großer Menge darin erwarten ſollte, weil ſie in den Alpen außerordentlich reichlich vorhanden ſind. Es bleibt ſomit nichts Anderes übrig, als anzu¬ nehmen: daß die Rollſteine der Nagelfluh von Gebirgen herrühren, die bei einer der großen Erdumwälzungen gänzlich zertrümmert, dann durch die Friktion in den Fluthungen des Urmeeres abge¬ ſchliffen und gerundet, hierauf in gewaltigen Schichten abgelagert, von Cementſchlamm umhüllt und endlich bei der Hebung der Alpen mit aus den Meerestiefen emporgehoben wurden. Eine zweite noch intereſſantere, aber auch noch minder erklär¬ liche Erſcheinung iſt die der Impreſſionen. Sucht man nur einige Augenblicke an blosgelegten Nagelfluh-Felſen, namentlich an ſolchen, deren Bindemittel nicht zu hart iſt, ſo daß man die Roll¬ ſteine leicht aus ihnen herauslöſen kann, ſo wird man von letzteren Exemplare finden, welche tiefe, muldenförmige Eindrücke von ihren unmittelbaren Nachbarn erhalten haben, etwa ſo, als wenn man in friſches, geknetetes Brod irgend einen beliebigen harten Gegen¬ ſtand eindrücken würde. Nun ſind aber beide Steine in der Regel von gleich harter Maſſe, und der Stein Nummero Zwei, welcher die Impreſſion in dem von Nummero Eins hervorbrachte, erhält an einer anderen Stelle von einem dritten Nachbar ſelbſt wieder ganz ähnliche Quetſchungen oder Vertiefungen. Da man nun doch annehmen muß, daß die Rollſteine, ehe ſie rundlich abgeſchliffen wurden, bereits hart und ſpröde waren, ſo iſt es ſchwer erklärlich, wie ſie von gleich harten Nebenkörpern ſolche Eindrücke empfangen konnten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/60
Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/60>, abgerufen am 05.05.2024.