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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

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Nagelfluh.
mentalen Arbeiten, ja sogar zu Mühlsteinen benutzt hat. Die
Größe der in den Cement eingebackenen Rollsteine variirt außer¬
ordentlich; man findet deren, die wie winzige Hirsekörnchen neben¬
einander liegen und somit der Schicht das Ansehen eines grob¬
körnigen Sandsteinlagers geben, -- und wiederum solche von dem
Umfange großer klafterhaltiger Blöcke.

Dies Alles würde aber die Nagelfluh noch zu keinem besonders
interessanten Naturprodukt machen, wenn nicht ein Paar Umstände
dabei noch vorwalteten, die bisher noch keine genügende Aufklärung
fanden. Die Nagelfluh besteht nämlich, wie eine jede Kiesgrube,
aus den verschiedenartigsten, kugelig, oblong oder flach-rundlich
abgeschliffenen Gesteins-Fragmenten. Je nach ihrer Farbe und
qualitativen Zusammensetzung hat man sie in die beiden Haupt¬
gruppen der bunten- und der Kalk-Nagelfluh abgetheilt. Zur
bunten Nagelfluh gehören jene Konglomerate, welche, wie der Name
schon sagt, in reicher Farben-Mosaik prangen. Da finden wir
feurigrothe Porphyrkugeln neben hellleuchtenden saftig-apfelgrünen
Granit-Rollsteinen, warm violettgefärbte Spilit-Cylinder neben
schwarzgrün getiegerten Serpentin-Ovalen, goldokerfarbige, abgerun¬
dete Kalkstein-Gerölle neben fleischfarbig geaderten Feldspath-Sphä¬
roiden, -- ein schönes, reiches Bild bunter Gruppirung der ver¬
schiedenfarbigsten Gesteine. Minder brillant sieht die Kalk-Nagelfluh
aus. Bei ihr sind gebrochene graue, blaue und schwärzliche Töne
vorherrschend; doch giebt es auch solche, die davon abweicht, wie
z. B. die Nagelfluh am Fuße des Speers bei Wesen am Wallen¬
see, welche fast das Ansehen von Rothwurst oder Gothaer Preßkopf
hat. Denn in dem dunkelrothen eisenhaltigen Cement sind weiße
Feldspath-Geschiebe eingebacken, die wie fette Speckwürfel aussehen,
und wieder andere kalkhaltige Gesteine, die man ohne sonderliche
Anstrengung der Phantasie für Schweineschwarte und Kesselfleisch
halten kann. Unmittelbar hinter dem Bahnhof in Wesen kann der
Kuriositätenfreund sich Bruchstücke dieses Naturspieles auflesen.

Nagelfluh.
mentalen Arbeiten, ja ſogar zu Mühlſteinen benutzt hat. Die
Größe der in den Cement eingebackenen Rollſteine variirt außer¬
ordentlich; man findet deren, die wie winzige Hirſekörnchen neben¬
einander liegen und ſomit der Schicht das Anſehen eines grob¬
körnigen Sandſteinlagers geben, — und wiederum ſolche von dem
Umfange großer klafterhaltiger Blöcke.

Dies Alles würde aber die Nagelfluh noch zu keinem beſonders
intereſſanten Naturprodukt machen, wenn nicht ein Paar Umſtände
dabei noch vorwalteten, die bisher noch keine genügende Aufklärung
fanden. Die Nagelfluh beſteht nämlich, wie eine jede Kiesgrube,
aus den verſchiedenartigſten, kugelig, oblong oder flach-rundlich
abgeſchliffenen Geſteins-Fragmenten. Je nach ihrer Farbe und
qualitativen Zuſammenſetzung hat man ſie in die beiden Haupt¬
gruppen der bunten- und der Kalk-Nagelfluh abgetheilt. Zur
bunten Nagelfluh gehören jene Konglomerate, welche, wie der Name
ſchon ſagt, in reicher Farben-Moſaik prangen. Da finden wir
feurigrothe Porphyrkugeln neben hellleuchtenden ſaftig-apfelgrünen
Granit-Rollſteinen, warm violettgefärbte Spilit-Cylinder neben
ſchwarzgrün getiegerten Serpentin-Ovalen, goldokerfarbige, abgerun¬
dete Kalkſtein-Gerölle neben fleiſchfarbig geaderten Feldſpath-Sphä¬
roiden, — ein ſchönes, reiches Bild bunter Gruppirung der ver¬
ſchiedenfarbigſten Geſteine. Minder brillant ſieht die Kalk-Nagelfluh
aus. Bei ihr ſind gebrochene graue, blaue und ſchwärzliche Töne
vorherrſchend; doch giebt es auch ſolche, die davon abweicht, wie
z. B. die Nagelfluh am Fuße des Speers bei Weſen am Wallen¬
ſee, welche faſt das Anſehen von Rothwurſt oder Gothaer Preßkopf
hat. Denn in dem dunkelrothen eiſenhaltigen Cement ſind weiße
Feldſpath-Geſchiebe eingebacken, die wie fette Speckwürfel ausſehen,
und wieder andere kalkhaltige Geſteine, die man ohne ſonderliche
Anſtrengung der Phantaſie für Schweineſchwarte und Keſſelfleiſch
halten kann. Unmittelbar hinter dem Bahnhof in Weſen kann der
Kurioſitätenfreund ſich Bruchſtücke dieſes Naturſpieles aufleſen.

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[41/0059] Nagelfluh. mentalen Arbeiten, ja ſogar zu Mühlſteinen benutzt hat. Die Größe der in den Cement eingebackenen Rollſteine variirt außer¬ ordentlich; man findet deren, die wie winzige Hirſekörnchen neben¬ einander liegen und ſomit der Schicht das Anſehen eines grob¬ körnigen Sandſteinlagers geben, — und wiederum ſolche von dem Umfange großer klafterhaltiger Blöcke. Dies Alles würde aber die Nagelfluh noch zu keinem beſonders intereſſanten Naturprodukt machen, wenn nicht ein Paar Umſtände dabei noch vorwalteten, die bisher noch keine genügende Aufklärung fanden. Die Nagelfluh beſteht nämlich, wie eine jede Kiesgrube, aus den verſchiedenartigſten, kugelig, oblong oder flach-rundlich abgeſchliffenen Geſteins-Fragmenten. Je nach ihrer Farbe und qualitativen Zuſammenſetzung hat man ſie in die beiden Haupt¬ gruppen der bunten- und der Kalk-Nagelfluh abgetheilt. Zur bunten Nagelfluh gehören jene Konglomerate, welche, wie der Name ſchon ſagt, in reicher Farben-Moſaik prangen. Da finden wir feurigrothe Porphyrkugeln neben hellleuchtenden ſaftig-apfelgrünen Granit-Rollſteinen, warm violettgefärbte Spilit-Cylinder neben ſchwarzgrün getiegerten Serpentin-Ovalen, goldokerfarbige, abgerun¬ dete Kalkſtein-Gerölle neben fleiſchfarbig geaderten Feldſpath-Sphä¬ roiden, — ein ſchönes, reiches Bild bunter Gruppirung der ver¬ ſchiedenfarbigſten Geſteine. Minder brillant ſieht die Kalk-Nagelfluh aus. Bei ihr ſind gebrochene graue, blaue und ſchwärzliche Töne vorherrſchend; doch giebt es auch ſolche, die davon abweicht, wie z. B. die Nagelfluh am Fuße des Speers bei Weſen am Wallen¬ ſee, welche faſt das Anſehen von Rothwurſt oder Gothaer Preßkopf hat. Denn in dem dunkelrothen eiſenhaltigen Cement ſind weiße Feldſpath-Geſchiebe eingebacken, die wie fette Speckwürfel ausſehen, und wieder andere kalkhaltige Geſteine, die man ohne ſonderliche Anſtrengung der Phantaſie für Schweineſchwarte und Keſſelfleiſch halten kann. Unmittelbar hinter dem Bahnhof in Weſen kann der Kurioſitätenfreund ſich Bruchſtücke dieſes Naturſpieles aufleſen.

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Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/59>, abgerufen am 05.05.2024.