Wollte man annehmen, jene Rollsteine seien zur Zeit ihrer Ablagerung noch in ziemlich weichem Zustande, somit leichter em¬ pfänglich für Impressionen gewesen, so muß man einen gleichen Härtegrad auch bei denjenigen Steinen voraussetzen, welche die Eindrücke hervorbrachten. Zwei gleich weiche Körper aber werden bei Pressungen sich wohl abplatten, nicht aber der eine in den anderen eindringen. Hierzu kommt noch eine andere Erscheinung, welche unzweifelhaft darauf hinweist, daß alle Nagelfluhsteine vor ihrer Umhüllung mit Cement schon sehr erhärtet waren; dies ist die spiegelglatte, gestreift-glänzende Politur vieler derselben an verschiedenen Stellen. Man findet Exemplare, die, wie vom Steinschleifer behandelt, in der Sonne weithin blitzend strahlen, gleich blanken Glasscherben, -- andere, die scharf geritzte, fun¬ kelnde, in Menge nebeneinander liegende Linien zeigen und den körnigen Kalkstein an der Oberfläche fast wie faserigen Asbest erscheinen lassen, -- und noch andere, an denen das Wunder¬ laboratorium der Natur so energische Incisionen hervorgebracht hat, als ob die Steine mit einem diamantenen Hohl-Hobel aus¬ gekehlt worden wären. Die meisten dieser Politurstreifen tragen metallischen Glanz. Unzweifelhaft rührt die ganze Erscheinung von der Hebung der Massen oder einem von den Alpen ausge¬ übten Seitendruck her, wobei die Steine mit unberechenbarer Vehemenz über einander hinglitten und sich gegenseitig, durch die Friktion erhitzt, abschliffen. Solch ein polirter Stein giebt Ge¬ legenheit zu einer reizenden mikroskopischen Spielerei. Bringt man denselben unters Instrument und läßt entweder helles Lampenlicht, oder, noch besser, die Sonne in geeignetem Strahlenbrechungswinkel darauf reflectiren, so entstehen unbeschreiblich prächtige Farben¬ effekte. Ein Kaleidoskop, in welches die brillantest gefärbten Glas¬ stückchen eingelegt wurden, vermag nicht solch eine flimmernde, schwirrende, im eigentlichsten Sinne kämpfende Farbenpracht zu entwickeln, wie die winzig kleinen geschliffenen Krystallchen des
Nagelfluh.
Wollte man annehmen, jene Rollſteine ſeien zur Zeit ihrer Ablagerung noch in ziemlich weichem Zuſtande, ſomit leichter em¬ pfänglich für Impreſſionen geweſen, ſo muß man einen gleichen Härtegrad auch bei denjenigen Steinen vorausſetzen, welche die Eindrücke hervorbrachten. Zwei gleich weiche Körper aber werden bei Preſſungen ſich wohl abplatten, nicht aber der eine in den anderen eindringen. Hierzu kommt noch eine andere Erſcheinung, welche unzweifelhaft darauf hinweiſt, daß alle Nagelfluhſteine vor ihrer Umhüllung mit Cement ſchon ſehr erhärtet waren; dies iſt die ſpiegelglatte, geſtreift-glänzende Politur vieler derſelben an verſchiedenen Stellen. Man findet Exemplare, die, wie vom Steinſchleifer behandelt, in der Sonne weithin blitzend ſtrahlen, gleich blanken Glasſcherben, — andere, die ſcharf geritzte, fun¬ kelnde, in Menge nebeneinander liegende Linien zeigen und den körnigen Kalkſtein an der Oberfläche faſt wie faſerigen Asbeſt erſcheinen laſſen, — und noch andere, an denen das Wunder¬ laboratorium der Natur ſo energiſche Inciſionen hervorgebracht hat, als ob die Steine mit einem diamantenen Hohl-Hobel aus¬ gekehlt worden wären. Die meiſten dieſer Politurſtreifen tragen metalliſchen Glanz. Unzweifelhaft rührt die ganze Erſcheinung von der Hebung der Maſſen oder einem von den Alpen ausge¬ übten Seitendruck her, wobei die Steine mit unberechenbarer Vehemenz über einander hinglitten und ſich gegenſeitig, durch die Friktion erhitzt, abſchliffen. Solch ein polirter Stein giebt Ge¬ legenheit zu einer reizenden mikroſkopiſchen Spielerei. Bringt man denſelben unters Inſtrument und läßt entweder helles Lampenlicht, oder, noch beſſer, die Sonne in geeignetem Strahlenbrechungswinkel darauf reflectiren, ſo entſtehen unbeſchreiblich prächtige Farben¬ effekte. Ein Kaleidoſkop, in welches die brillanteſt gefärbten Glas¬ ſtückchen eingelegt wurden, vermag nicht ſolch eine flimmernde, ſchwirrende, im eigentlichſten Sinne kämpfende Farbenpracht zu entwickeln, wie die winzig kleinen geſchliffenen Kryſtallchen des
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[43/0061]
Nagelfluh.
Wollte man annehmen, jene Rollſteine ſeien zur Zeit ihrer
Ablagerung noch in ziemlich weichem Zuſtande, ſomit leichter em¬
pfänglich für Impreſſionen geweſen, ſo muß man einen gleichen
Härtegrad auch bei denjenigen Steinen vorausſetzen, welche die
Eindrücke hervorbrachten. Zwei gleich weiche Körper aber werden
bei Preſſungen ſich wohl abplatten, nicht aber der eine in den
anderen eindringen. Hierzu kommt noch eine andere Erſcheinung,
welche unzweifelhaft darauf hinweiſt, daß alle Nagelfluhſteine vor
ihrer Umhüllung mit Cement ſchon ſehr erhärtet waren; dies iſt
die ſpiegelglatte, geſtreift-glänzende Politur vieler derſelben an
verſchiedenen Stellen. Man findet Exemplare, die, wie vom
Steinſchleifer behandelt, in der Sonne weithin blitzend ſtrahlen,
gleich blanken Glasſcherben, — andere, die ſcharf geritzte, fun¬
kelnde, in Menge nebeneinander liegende Linien zeigen und den
körnigen Kalkſtein an der Oberfläche faſt wie faſerigen Asbeſt
erſcheinen laſſen, — und noch andere, an denen das Wunder¬
laboratorium der Natur ſo energiſche Inciſionen hervorgebracht
hat, als ob die Steine mit einem diamantenen Hohl-Hobel aus¬
gekehlt worden wären. Die meiſten dieſer Politurſtreifen tragen
metalliſchen Glanz. Unzweifelhaft rührt die ganze Erſcheinung
von der Hebung der Maſſen oder einem von den Alpen ausge¬
übten Seitendruck her, wobei die Steine mit unberechenbarer
Vehemenz über einander hinglitten und ſich gegenſeitig, durch die
Friktion erhitzt, abſchliffen. Solch ein polirter Stein giebt Ge¬
legenheit zu einer reizenden mikroſkopiſchen Spielerei. Bringt man
denſelben unters Inſtrument und läßt entweder helles Lampenlicht,
oder, noch beſſer, die Sonne in geeignetem Strahlenbrechungswinkel
darauf reflectiren, ſo entſtehen unbeſchreiblich prächtige Farben¬
effekte. Ein Kaleidoſkop, in welches die brillanteſt gefärbten Glas¬
ſtückchen eingelegt wurden, vermag nicht ſolch eine flimmernde,
ſchwirrende, im eigentlichſten Sinne kämpfende Farbenpracht zu
entwickeln, wie die winzig kleinen geſchliffenen Kryſtallchen des
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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/61>, abgerufen am 24.11.2024.
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