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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

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Alpstubete oder Aelplerfest.
Athmen kein Hinderniß beschwerlich falle; die Hemdärmel sind bis
über den Ellenbogen hinaufgerollt, so daß die Arme entblößt sich
um so leichter bewegen können. An der ganzen Kleidung soll,
altem Herkommen gemäß, nichts Geschnürtes bleiben, überhaupt der
Eine wie der Andere im Anzuge sein, weil bei längerem, hartnäcki¬
gem Kampfe irgend eine Kleinigkeit durch früheres Ermüden den
Ausschlag geben könnte. So vorbereitet tritt das erste Paar in
den Kreis; Freude, Heiterkeit, Zuversicht, Kampfeslust leuchten aus
den Augen. In aller Ruhe erfolgt das Zusammengreifen, d. h.
ein Jeder schlägt seine rechte Hand fest in den Taillen-Gurt des
Gegners, die linke in den aufgerollten Hosenwulst am rechten Schenkel
des Anderen, oder wies im Entlibuch heißt "ins Gestöß". Alle
falschen und betrügerischen Praktiken sind streng untersagt, wohin
namentlich auch gehört, den Gurt mit Talg einzureiben, weil dann
der Gegner keinen festen Halt hat. Das "Zusammengreifen" ge¬
schieht je nach Belieben stehend oder knieend, die Köpfe Beider
je auf des Gegners rechter Schulter liegend. Sinds nun zwei
recht geübte Ringer, so treiben sie, im taktmäßigen Hin- und Her¬
wogen, sich mehrere Minuten lang im Kreise umher; Keiner von
Beiden versucht den ersten Kunstgriff oder Schwung, bevor er nicht
den rechten Moment gekommen glaubt. Weil ein Jeder sich auf
der Defensive hält, so erwartet er von Augenblick zu Augenblick
des Gegners unvermutheten Angriff und hat vorläufig seine ganze
Aufmerksamkeit darauf gerichtet, fest zu stehen. Die kleinste Blöße,
die geringste Schwäche vom Gegner wahrgenommen, benutzt dieser
sofort zu einem energischen Schwung oder Zug. Es begegnet
aber auch, daß Beide so lange auf einander "dusen", (wie es im
Entlibuch heißt), daß sie ermattet voneinander ablassen, sich auf
den kühlen Rasen werfen, um zu verschnaufen, brüderlich ein Glas
Wein selbander trinken zur neuen Stärkung, die Hände mit Erde
reiben, um die Haut rauher zu machen. Während des "Dusens"
herrscht lautlose Stille im Kreise; Alle lauschen gespannt auf den

Alpstubete oder Aelplerfeſt.
Athmen kein Hinderniß beſchwerlich falle; die Hemdärmel ſind bis
über den Ellenbogen hinaufgerollt, ſo daß die Arme entblößt ſich
um ſo leichter bewegen können. An der ganzen Kleidung ſoll,
altem Herkommen gemäß, nichts Geſchnürtes bleiben, überhaupt der
Eine wie der Andere im Anzuge ſein, weil bei längerem, hartnäcki¬
gem Kampfe irgend eine Kleinigkeit durch früheres Ermüden den
Ausſchlag geben könnte. So vorbereitet tritt das erſte Paar in
den Kreis; Freude, Heiterkeit, Zuverſicht, Kampfesluſt leuchten aus
den Augen. In aller Ruhe erfolgt das Zuſammengreifen, d. h.
ein Jeder ſchlägt ſeine rechte Hand feſt in den Taillen-Gurt des
Gegners, die linke in den aufgerollten Hoſenwulſt am rechten Schenkel
des Anderen, oder wies im Entlibuch heißt „ins Geſtöß“. Alle
falſchen und betrügeriſchen Praktiken ſind ſtreng unterſagt, wohin
namentlich auch gehört, den Gurt mit Talg einzureiben, weil dann
der Gegner keinen feſten Halt hat. Das „Zuſammengreifen“ ge¬
ſchieht je nach Belieben ſtehend oder knieend, die Köpfe Beider
je auf des Gegners rechter Schulter liegend. Sinds nun zwei
recht geübte Ringer, ſo treiben ſie, im taktmäßigen Hin- und Her¬
wogen, ſich mehrere Minuten lang im Kreiſe umher; Keiner von
Beiden verſucht den erſten Kunſtgriff oder Schwung, bevor er nicht
den rechten Moment gekommen glaubt. Weil ein Jeder ſich auf
der Defenſive hält, ſo erwartet er von Augenblick zu Augenblick
des Gegners unvermutheten Angriff und hat vorläufig ſeine ganze
Aufmerkſamkeit darauf gerichtet, feſt zu ſtehen. Die kleinſte Blöße,
die geringſte Schwäche vom Gegner wahrgenommen, benutzt dieſer
ſofort zu einem energiſchen Schwung oder Zug. Es begegnet
aber auch, daß Beide ſo lange auf einander „duſen“, (wie es im
Entlibuch heißt), daß ſie ermattet voneinander ablaſſen, ſich auf
den kühlen Raſen werfen, um zu verſchnaufen, brüderlich ein Glas
Wein ſelbander trinken zur neuen Stärkung, die Hände mit Erde
reiben, um die Haut rauher zu machen. Während des „Duſens“
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[393/0437] Alpstubete oder Aelplerfeſt. Athmen kein Hinderniß beſchwerlich falle; die Hemdärmel ſind bis über den Ellenbogen hinaufgerollt, ſo daß die Arme entblößt ſich um ſo leichter bewegen können. An der ganzen Kleidung ſoll, altem Herkommen gemäß, nichts Geſchnürtes bleiben, überhaupt der Eine wie der Andere im Anzuge ſein, weil bei längerem, hartnäcki¬ gem Kampfe irgend eine Kleinigkeit durch früheres Ermüden den Ausſchlag geben könnte. So vorbereitet tritt das erſte Paar in den Kreis; Freude, Heiterkeit, Zuverſicht, Kampfesluſt leuchten aus den Augen. In aller Ruhe erfolgt das Zuſammengreifen, d. h. ein Jeder ſchlägt ſeine rechte Hand feſt in den Taillen-Gurt des Gegners, die linke in den aufgerollten Hoſenwulſt am rechten Schenkel des Anderen, oder wies im Entlibuch heißt „ins Geſtöß“. Alle falſchen und betrügeriſchen Praktiken ſind ſtreng unterſagt, wohin namentlich auch gehört, den Gurt mit Talg einzureiben, weil dann der Gegner keinen feſten Halt hat. Das „Zuſammengreifen“ ge¬ ſchieht je nach Belieben ſtehend oder knieend, die Köpfe Beider je auf des Gegners rechter Schulter liegend. Sinds nun zwei recht geübte Ringer, ſo treiben ſie, im taktmäßigen Hin- und Her¬ wogen, ſich mehrere Minuten lang im Kreiſe umher; Keiner von Beiden verſucht den erſten Kunſtgriff oder Schwung, bevor er nicht den rechten Moment gekommen glaubt. Weil ein Jeder ſich auf der Defenſive hält, ſo erwartet er von Augenblick zu Augenblick des Gegners unvermutheten Angriff und hat vorläufig ſeine ganze Aufmerkſamkeit darauf gerichtet, feſt zu ſtehen. Die kleinſte Blöße, die geringſte Schwäche vom Gegner wahrgenommen, benutzt dieſer ſofort zu einem energiſchen Schwung oder Zug. Es begegnet aber auch, daß Beide ſo lange auf einander „duſen“, (wie es im Entlibuch heißt), daß ſie ermattet voneinander ablaſſen, ſich auf den kühlen Raſen werfen, um zu verſchnaufen, brüderlich ein Glas Wein ſelbander trinken zur neuen Stärkung, die Hände mit Erde reiben, um die Haut rauher zu machen. Während des „Duſens“ herrſcht lautloſe Stille im Kreiſe; Alle lauſchen geſpannt auf den

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Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/437>, abgerufen am 25.11.2024.