die Lüfte mit seinen maifrischen Jauchzern und schwingt das lachende Alpenkind hoch über sich wie ein Spielzeug seiner rosigsten Laune.
Jetzt, als wollt es mit Macht durchreißen die Kette des Tanzes, Schwingt sich ein muthiges Paar dort in den dichtesten Reihn. Schnell vor ihm her entsteht ihm die Bahn, die hinter ihm schwindet, Wie durch magische Hand öffnet und schließt sich der Weg.
Schiller. So gaukelt und braust es durcheinander, ein im Entstehen sich schon wieder verzehrendes Bild.
Das ist der innere Kern, das Centrum der Freude und Lust. Mit reichen, lebensvollen Gruppen, je wenig Menschen ein drasti¬ sches Genrebild aufstellend, ist diese große Scene eingefaßt. Auch die Kühe sind herzugekommen und starren mit verwunderten Augen hinein in das Gedränge, das ihrem stillen Tempe sonst so fremd ist. Durch lautes Blöken geben sie ihre Theilnahme zu erkennen; solls ein Protest sein, daß man ihren kräuterreichen Futterboden so über¬ müthig zerstampft, oder sinds Beifallsbezeigungen in der Kuhsprache! Der Gaumer, der sich an einem Glase Wein ergötzt hatte, gestattet aber solche familiäre Einmischung der Hausthiere nicht und jagt die mit gestrecktem Schweif zurückgaloppirenden Thiere wieder auf das ihnen zur Weide angewiesene Terrain.
Endlich lechzt und schnauft und fieberglüht der ganze Kreis unter dem Druck der sengenden Strahlen, -- der Regenschirm- Geiger und der "Hackbrettli-Ma", die Buben und Mädchen müssen rasten vom Uebermaß der Luft.
Da zieht ein neuer Kreis, den wir bisher nicht beachtet hatten, unsere volle Aufmerksamkeit auf sich. Ein großer, schwerer Centner¬ stein fliegt durch die Luft und fällt dumpf dröhnend auf den Boden; gellendes Gelächter folgt. Das sind die Kraftproben im Stein¬ stoßen, dieses wiederum uralte Aelplerspiel, eine Mahnung an die rollenden Felsenblöcke in den Schlachten am Morgarten und am Stoß, die wie der böse Feind in die kampfgerüsteten Züge der
AlpſtubeteoderAelplerfeſt.
die Lüfte mit ſeinen maifriſchen Jauchzern und ſchwingt das lachende Alpenkind hoch über ſich wie ein Spielzeug ſeiner roſigſten Laune.
Jetzt, als wollt es mit Macht durchreißen die Kette des Tanzes, Schwingt ſich ein muthiges Paar dort in den dichteſten Reihn. Schnell vor ihm her entſteht ihm die Bahn, die hinter ihm ſchwindet, Wie durch magiſche Hand öffnet und ſchließt ſich der Weg.
Schiller. So gaukelt und brauſt es durcheinander, ein im Entſtehen ſich ſchon wieder verzehrendes Bild.
Das iſt der innere Kern, das Centrum der Freude und Luſt. Mit reichen, lebensvollen Gruppen, je wenig Menſchen ein draſti¬ ſches Genrebild aufſtellend, iſt dieſe große Scene eingefaßt. Auch die Kühe ſind herzugekommen und ſtarren mit verwunderten Augen hinein in das Gedränge, das ihrem ſtillen Tempe ſonſt ſo fremd iſt. Durch lautes Blöken geben ſie ihre Theilnahme zu erkennen; ſolls ein Proteſt ſein, daß man ihren kräuterreichen Futterboden ſo über¬ müthig zerſtampft, oder ſinds Beifallsbezeigungen in der Kuhſprache! Der Gaumer, der ſich an einem Glaſe Wein ergötzt hatte, geſtattet aber ſolche familiäre Einmiſchung der Hausthiere nicht und jagt die mit geſtrecktem Schweif zurückgaloppirenden Thiere wieder auf das ihnen zur Weide angewieſene Terrain.
Endlich lechzt und ſchnauft und fieberglüht der ganze Kreis unter dem Druck der ſengenden Strahlen, — der Regenſchirm- Geiger und der „Hackbrettli-Ma“, die Buben und Mädchen müſſen raſten vom Uebermaß der Luft.
Da zieht ein neuer Kreis, den wir bisher nicht beachtet hatten, unſere volle Aufmerkſamkeit auf ſich. Ein großer, ſchwerer Centner¬ ſtein fliegt durch die Luft und fällt dumpf dröhnend auf den Boden; gellendes Gelächter folgt. Das ſind die Kraftproben im Stein¬ ſtoßen, dieſes wiederum uralte Aelplerſpiel, eine Mahnung an die rollenden Felſenblöcke in den Schlachten am Morgarten und am Stoß, die wie der böſe Feind in die kampfgerüſteten Züge der
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Alpſtubete oder Aelplerfeſt.
die Lüfte mit ſeinen maifriſchen Jauchzern und ſchwingt das
lachende Alpenkind hoch über ſich wie ein Spielzeug ſeiner roſigſten
Laune.
Jetzt, als wollt es mit Macht durchreißen die Kette des Tanzes,
Schwingt ſich ein muthiges Paar dort in den dichteſten Reihn.
Schnell vor ihm her entſteht ihm die Bahn, die hinter ihm ſchwindet,
Wie durch magiſche Hand öffnet und ſchließt ſich der Weg.
Schiller.
So gaukelt und brauſt es durcheinander, ein im Entſtehen ſich
ſchon wieder verzehrendes Bild.
Das iſt der innere Kern, das Centrum der Freude und Luſt.
Mit reichen, lebensvollen Gruppen, je wenig Menſchen ein draſti¬
ſches Genrebild aufſtellend, iſt dieſe große Scene eingefaßt. Auch
die Kühe ſind herzugekommen und ſtarren mit verwunderten Augen
hinein in das Gedränge, das ihrem ſtillen Tempe ſonſt ſo fremd iſt.
Durch lautes Blöken geben ſie ihre Theilnahme zu erkennen; ſolls
ein Proteſt ſein, daß man ihren kräuterreichen Futterboden ſo über¬
müthig zerſtampft, oder ſinds Beifallsbezeigungen in der Kuhſprache!
Der Gaumer, der ſich an einem Glaſe Wein ergötzt hatte, geſtattet
aber ſolche familiäre Einmiſchung der Hausthiere nicht und jagt
die mit geſtrecktem Schweif zurückgaloppirenden Thiere wieder auf
das ihnen zur Weide angewieſene Terrain.
Endlich lechzt und ſchnauft und fieberglüht der ganze Kreis
unter dem Druck der ſengenden Strahlen, — der Regenſchirm-
Geiger und der „Hackbrettli-Ma“, die Buben und Mädchen müſſen
raſten vom Uebermaß der Luft.
Da zieht ein neuer Kreis, den wir bisher nicht beachtet hatten,
unſere volle Aufmerkſamkeit auf ſich. Ein großer, ſchwerer Centner¬
ſtein fliegt durch die Luft und fällt dumpf dröhnend auf den Boden;
gellendes Gelächter folgt. Das ſind die Kraftproben im Stein¬
ſtoßen, dieſes wiederum uralte Aelplerſpiel, eine Mahnung an
die rollenden Felſenblöcke in den Schlachten am Morgarten und
am Stoß, die wie der böſe Feind in die kampfgerüſteten Züge der
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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/434>, abgerufen am 22.11.2024.
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