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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

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Die Hospitien.
hier keine schriftlichen Urkunden als Beweismittel vorhanden sind.
Es ist weit dürftiger ausgestattet als die vorhergenannten, wird
von der Gemeinde zu Aosta in seinen Bedürfnissen unterstützt und
von einigen delegirten Brüdern des Großen Bernhard bewohnt.
Der Tradition zufolge soll Hannibal auf dieser Höhe gerastet und
Kriegsrath gehalten haben, weshalb ein mit großen, rohen Stein¬
blöcken eingefaßter Raum auf der Ebene der Paßhöhe noch der
Cirque d'Annibal genannt wird. Die jungen Geistlichen, welche
sich zum Dienst in diesen Klöstern entschließen, treten gewöhnlich
schon mit dem zwanzigsten Lebensjahre ein, und übernehmen die
Verpflichtung, fünfzehn Jahre hier oben zu bleiben. Viele von
ihnen erliegen vor der Zeit der Härte des Klimas und den An¬
strengungen oder Lebensgefahren, wenn sie im Winter und Früh¬
jahr nach dem Fall von Lauinen oder wilder Schneestürme mit
den Hunden die vorgeschriebenen Excurse machen, um allfällig Ver¬
unglückten beistehen zu können. Die wenigen erträglichen Sommer-
Monate, während welcher Vergnügungs-Reisende hier heraufkommen,
sind die einzige Rekreation für die sonst sehr entbehrenden Mönche.
Während dieser Zeit genießen sie aber ihr Leben auch in vollen
Zügen, widmen sich ganz der Unterhaltung, machen Ausflüge mit
den Damen auf benachbarte Aussichtspunkte, musiciren am Piano
und wissen durch ihr feines, kavaliermäßiges Benehmen sich die
Gunst aller ihrer Gäste in hohem Grade zu erwerben. Die Wissen¬
schaften scheinen ihnen den Kopf nicht besonders schwer zu machen, und
wenn auch hier und da ein Einzelner sich mit irgend einer Disciplin
beschäftiget, so sind die Resultate doch immer ziemlich unbedeutend.

Die Freundlichkeit des Entgegenkommens und die Aufmerk¬
samkeit in Behandlung der Fremden, wenn deren nicht allzuviel
schon Einquartierung genommen haben, ist wirklich groß. Bereits
beim Eintritt kommt, wie in einem guten Hotel, irgend ein die¬
nender Bruder dem Ankömmling entgegen und führt ihn, je nach
dessen Stande, entweder in das Refektorium oder in ein großes,

Die Hospitien.
hier keine ſchriftlichen Urkunden als Beweismittel vorhanden ſind.
Es iſt weit dürftiger ausgeſtattet als die vorhergenannten, wird
von der Gemeinde zu Aoſta in ſeinen Bedürfniſſen unterſtützt und
von einigen delegirten Brüdern des Großen Bernhard bewohnt.
Der Tradition zufolge ſoll Hannibal auf dieſer Höhe geraſtet und
Kriegsrath gehalten haben, weshalb ein mit großen, rohen Stein¬
blöcken eingefaßter Raum auf der Ebene der Paßhöhe noch der
Cirque d'Annibal genannt wird. Die jungen Geiſtlichen, welche
ſich zum Dienſt in dieſen Klöſtern entſchließen, treten gewöhnlich
ſchon mit dem zwanzigſten Lebensjahre ein, und übernehmen die
Verpflichtung, fünfzehn Jahre hier oben zu bleiben. Viele von
ihnen erliegen vor der Zeit der Härte des Klimas und den An¬
ſtrengungen oder Lebensgefahren, wenn ſie im Winter und Früh¬
jahr nach dem Fall von Lauinen oder wilder Schneeſtürme mit
den Hunden die vorgeſchriebenen Excurſe machen, um allfällig Ver¬
unglückten beiſtehen zu können. Die wenigen erträglichen Sommer-
Monate, während welcher Vergnügungs-Reiſende hier heraufkommen,
ſind die einzige Rekreation für die ſonſt ſehr entbehrenden Mönche.
Während dieſer Zeit genießen ſie aber ihr Leben auch in vollen
Zügen, widmen ſich ganz der Unterhaltung, machen Ausflüge mit
den Damen auf benachbarte Ausſichtspunkte, muſiciren am Piano
und wiſſen durch ihr feines, kavaliermäßiges Benehmen ſich die
Gunſt aller ihrer Gäſte in hohem Grade zu erwerben. Die Wiſſen¬
ſchaften ſcheinen ihnen den Kopf nicht beſonders ſchwer zu machen, und
wenn auch hier und da ein Einzelner ſich mit irgend einer Disciplin
beſchäftiget, ſo ſind die Reſultate doch immer ziemlich unbedeutend.

Die Freundlichkeit des Entgegenkommens und die Aufmerk¬
ſamkeit in Behandlung der Fremden, wenn deren nicht allzuviel
ſchon Einquartierung genommen haben, iſt wirklich groß. Bereits
beim Eintritt kommt, wie in einem guten Hôtel, irgend ein die¬
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[320/0356] Die Hospitien. hier keine ſchriftlichen Urkunden als Beweismittel vorhanden ſind. Es iſt weit dürftiger ausgeſtattet als die vorhergenannten, wird von der Gemeinde zu Aoſta in ſeinen Bedürfniſſen unterſtützt und von einigen delegirten Brüdern des Großen Bernhard bewohnt. Der Tradition zufolge ſoll Hannibal auf dieſer Höhe geraſtet und Kriegsrath gehalten haben, weshalb ein mit großen, rohen Stein¬ blöcken eingefaßter Raum auf der Ebene der Paßhöhe noch der Cirque d'Annibal genannt wird. Die jungen Geiſtlichen, welche ſich zum Dienſt in dieſen Klöſtern entſchließen, treten gewöhnlich ſchon mit dem zwanzigſten Lebensjahre ein, und übernehmen die Verpflichtung, fünfzehn Jahre hier oben zu bleiben. Viele von ihnen erliegen vor der Zeit der Härte des Klimas und den An¬ ſtrengungen oder Lebensgefahren, wenn ſie im Winter und Früh¬ jahr nach dem Fall von Lauinen oder wilder Schneeſtürme mit den Hunden die vorgeſchriebenen Excurſe machen, um allfällig Ver¬ unglückten beiſtehen zu können. Die wenigen erträglichen Sommer- Monate, während welcher Vergnügungs-Reiſende hier heraufkommen, ſind die einzige Rekreation für die ſonſt ſehr entbehrenden Mönche. Während dieſer Zeit genießen ſie aber ihr Leben auch in vollen Zügen, widmen ſich ganz der Unterhaltung, machen Ausflüge mit den Damen auf benachbarte Ausſichtspunkte, muſiciren am Piano und wiſſen durch ihr feines, kavaliermäßiges Benehmen ſich die Gunſt aller ihrer Gäſte in hohem Grade zu erwerben. Die Wiſſen¬ ſchaften ſcheinen ihnen den Kopf nicht beſonders ſchwer zu machen, und wenn auch hier und da ein Einzelner ſich mit irgend einer Disciplin beſchäftiget, ſo ſind die Reſultate doch immer ziemlich unbedeutend. Die Freundlichkeit des Entgegenkommens und die Aufmerk¬ ſamkeit in Behandlung der Fremden, wenn deren nicht allzuviel ſchon Einquartierung genommen haben, iſt wirklich groß. Bereits beim Eintritt kommt, wie in einem guten Hôtel, irgend ein die¬ nender Bruder dem Ankömmling entgegen und führt ihn, je nach deſſen Stande, entweder in das Refektorium oder in ein großes,

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Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/356>, abgerufen am 25.11.2024.