Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Die Hospitien. alle Alpenpässe erfreuen sich dieser großen Wohlthat; nur dieUebergänge über Col de Lautaret (Mont Genevre), Mont Cenis, über den Großen und Kleinen Bernhard, Simplon und Gotthard, über die Grimsel, San Giacomo im Tessin und über den Lukmanier sind mit Hospitien ausgerüstet. Alle anderen haben höchstens Berghäuser (in Tyrol Tauernhäuser), in denen ums Geld gewirth¬ schaftet wird. -- Ihre Höhenlage ist immer nur wenige tausend Fuß unter der Linie des perennirenden Schnees. Auf dem Gotthard beginnt der Schneefall in der Regel schon Mitte Oktober und dauert bis gegen das letzte Drittel des Monats Mai; er währt also volle sieben Monate. Außerdem giebts keinen Tag im Kalender, an dem es nicht schon in diesem oder jenem Jahrgange geschneit hätte. Oft ists im Juli und August so empfindlich kalt in dieser Höhe von 6388 Fuß überm Meeresspiegel, daß Blumen, wie im Winter, an den Fenstern frieren, und Tag für Tag geheizt werden muß. Der Lago grande nächst dem "Ospizio" hat gewöhnlich bis Anfangs Juli Eis, und im Winter giebt es Nächte, deren beißende Kälte mit jener von Nova Sembla und Spitzbergen kon¬ kurriren mag. Mehr als die Hälfte der Tage eines Jahres hüllen das Haus dichte Nebel ein, während vielleicht in den Thälern oder auf höheren Bergen sonnenheiteres Leben lacht. Denn die Paßübergänge sind auch die Wege, auf denen die wässerigen Dunst¬ kolosse aus den südlichen, feuchtwarmen Thälern die Alpen über¬ schreiten und als schwere Wolkenmäntel und trübe Nebelkappen sich um die nächsten Felsenpfeiler hängen, bis sie entweder der Südwind hinüber treibt und zu eigentlichen Regen-Urnen formirt, oder der schärfere Nord dieselben zurückdrängt. Ungefähr ähnlich gestaltet sichs um das Hospiz auf dem Col de Lautaret (6443 Fuß). Auf dem Großen Bernhard wächst bei einer Höhenlage von 7368 Fuß die Zahl der Wintermonate auf neun, und die ganz heiteren, sonnenhellen Tage des Jahres sind rasch gezählt. Alles Brennmaterial muß viele Stunden weit hinausgeschafft werden. Die Hospitien. alle Alpenpäſſe erfreuen ſich dieſer großen Wohlthat; nur dieUebergänge über Col de Lautaret (Mont Genèvre), Mont Cenis, über den Großen und Kleinen Bernhard, Simplon und Gotthard, über die Grimſel, San Giacomo im Teſſin und über den Lukmanier ſind mit Hospitien ausgerüſtet. Alle anderen haben höchſtens Berghäuſer (in Tyrol Tauernhäuſer), in denen ums Geld gewirth¬ ſchaftet wird. — Ihre Höhenlage iſt immer nur wenige tauſend Fuß unter der Linie des perennirenden Schnees. Auf dem Gotthard beginnt der Schneefall in der Regel ſchon Mitte Oktober und dauert bis gegen das letzte Drittel des Monats Mai; er währt alſo volle ſieben Monate. Außerdem giebts keinen Tag im Kalender, an dem es nicht ſchon in dieſem oder jenem Jahrgange geſchneit hätte. Oft iſts im Juli und Auguſt ſo empfindlich kalt in dieſer Höhe von 6388 Fuß überm Meeresſpiegel, daß Blumen, wie im Winter, an den Fenſtern frieren, und Tag für Tag geheizt werden muß. Der Lago grande nächſt dem „Ospizio“ hat gewöhnlich bis Anfangs Juli Eis, und im Winter giebt es Nächte, deren beißende Kälte mit jener von Nova Sembla und Spitzbergen kon¬ kurriren mag. Mehr als die Hälfte der Tage eines Jahres hüllen das Haus dichte Nebel ein, während vielleicht in den Thälern oder auf höheren Bergen ſonnenheiteres Leben lacht. Denn die Paßübergänge ſind auch die Wege, auf denen die wäſſerigen Dunſt¬ koloſſe aus den ſüdlichen, feuchtwarmen Thälern die Alpen über¬ ſchreiten und als ſchwere Wolkenmäntel und trübe Nebelkappen ſich um die nächſten Felſenpfeiler hängen, bis ſie entweder der Südwind hinüber treibt und zu eigentlichen Regen-Urnen formirt, oder der ſchärfere Nord dieſelben zurückdrängt. Ungefähr ähnlich geſtaltet ſichs um das Hoſpiz auf dem Col de Lautaret (6443 Fuß). Auf dem Großen Bernhard wächſt bei einer Höhenlage von 7368 Fuß die Zahl der Wintermonate auf neun, und die ganz heiteren, ſonnenhellen Tage des Jahres ſind raſch gezählt. 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Die Hospitien.
alle Alpenpäſſe erfreuen ſich dieſer großen Wohlthat; nur die
Uebergänge über Col de Lautaret (Mont Genèvre), Mont Cenis,
über den Großen und Kleinen Bernhard, Simplon und Gotthard,
über die Grimſel, San Giacomo im Teſſin und über den Lukmanier
ſind mit Hospitien ausgerüſtet. Alle anderen haben höchſtens
Berghäuſer (in Tyrol Tauernhäuſer), in denen ums Geld gewirth¬
ſchaftet wird. — Ihre Höhenlage iſt immer nur wenige tauſend
Fuß unter der Linie des perennirenden Schnees. Auf dem Gotthard
beginnt der Schneefall in der Regel ſchon Mitte Oktober und
dauert bis gegen das letzte Drittel des Monats Mai; er währt
alſo volle ſieben Monate. Außerdem giebts keinen Tag im Kalender,
an dem es nicht ſchon in dieſem oder jenem Jahrgange geſchneit
hätte. Oft iſts im Juli und Auguſt ſo empfindlich kalt in dieſer
Höhe von 6388 Fuß überm Meeresſpiegel, daß Blumen, wie im
Winter, an den Fenſtern frieren, und Tag für Tag geheizt werden
muß. Der Lago grande nächſt dem „Ospizio“ hat gewöhnlich
bis Anfangs Juli Eis, und im Winter giebt es Nächte, deren
beißende Kälte mit jener von Nova Sembla und Spitzbergen kon¬
kurriren mag. Mehr als die Hälfte der Tage eines Jahres hüllen
das Haus dichte Nebel ein, während vielleicht in den Thälern
oder auf höheren Bergen ſonnenheiteres Leben lacht. Denn die
Paßübergänge ſind auch die Wege, auf denen die wäſſerigen Dunſt¬
koloſſe aus den ſüdlichen, feuchtwarmen Thälern die Alpen über¬
ſchreiten und als ſchwere Wolkenmäntel und trübe Nebelkappen ſich
um die nächſten Felſenpfeiler hängen, bis ſie entweder der Südwind
hinüber treibt und zu eigentlichen Regen-Urnen formirt, oder der
ſchärfere Nord dieſelben zurückdrängt. Ungefähr ähnlich geſtaltet
ſichs um das Hoſpiz auf dem Col de Lautaret (6443 Fuß). Auf
dem Großen Bernhard wächſt bei einer Höhenlage von 7368 Fuß die
Zahl der Wintermonate auf neun, und die ganz heiteren, ſonnenhellen
Tage des Jahres ſind raſch gezählt. Alles Brennmaterial muß
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