Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Gebirgs-Pässe und Alpen-Straßen. röllhalden lavirt der, mehr in der Erinnerung des Paß-Gängersvorhandene oder durch einzelne Orientirungs-Momente eigentlich erst zu schaffende Weg nach dem kluftigen Felsen-Gewirr hinauf, in dessen tiefster Einsattelung der Uebergangspunkt liegt. Hier senkt sich nicht, wie auf jenen couranten Pässen, eine muldige Hochebene zwischen dem breiten Rücken des Gebirgszuges ein, mit dem in bei¬ nahe ewigen Naturschlafe ruhenden Bergsee; meist scheidet der scharfe zackige, wenige Fuß breite Grat das Diesseits und Jenseits, pracht¬ volle Rück- und Vorblicke gestattend, wie z. B. beim Juchli (6905 Fuß) zwischen dem Engelberger- und Melch-Thal im Kanton Unter¬ walden, bei der Gocht in den Churfirsten zwischen Quinten am Wallen-See und Alt-St. Johann im Toggenburg, -- bei der Saxer Lucke im Appenzeller Alpstein u. a. m. Paßpfade dieser Art zeigen sich meist in den zerrissenen, an Felsensplittern reichen Kalkalpen. Wilder und in der Regel ungeheuerlicher sind jene Scheideggen, Gebirgs-Päſſe und Alpen-Straßen. röllhalden lavirt der, mehr in der Erinnerung des Paß-Gängersvorhandene oder durch einzelne Orientirungs-Momente eigentlich erſt zu ſchaffende Weg nach dem kluftigen Felſen-Gewirr hinauf, in deſſen tiefſter Einſattelung der Uebergangspunkt liegt. Hier ſenkt ſich nicht, wie auf jenen couranten Päſſen, eine muldige Hochebene zwiſchen dem breiten Rücken des Gebirgszuges ein, mit dem in bei¬ nahe ewigen Naturſchlafe ruhenden Bergſee; meiſt ſcheidet der ſcharfe zackige, wenige Fuß breite Grat das Dieſſeits und Jenſeits, pracht¬ volle Rück- und Vorblicke geſtattend, wie z. B. beim Juchli (6905 Fuß) zwiſchen dem Engelberger- und Melch-Thal im Kanton Unter¬ walden, bei der Gocht in den Churfirſten zwiſchen Quinten am Wallen-See und Alt-St. Johann im Toggenburg, — bei der Saxer Lucke im Appenzeller Alpſtein u. a. m. Paßpfade dieſer Art zeigen ſich meiſt in den zerriſſenen, an Felſenſplittern reichen Kalkalpen. Wilder und in der Regel ungeheuerlicher ſind jene Scheideggen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0346" n="310"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Gebirgs-Päſſe und Alpen-Straßen</hi>.<lb/></fw> röllhalden lavirt der, mehr in der Erinnerung des Paß-Gängers<lb/> vorhandene oder durch einzelne Orientirungs-Momente eigentlich erſt<lb/> zu ſchaffende Weg nach dem kluftigen Felſen-Gewirr hinauf, in<lb/> deſſen tiefſter Einſattelung der Uebergangspunkt liegt. Hier ſenkt<lb/> ſich nicht, wie auf jenen couranten Päſſen, eine muldige Hochebene<lb/> zwiſchen dem breiten Rücken des Gebirgszuges ein, mit dem in bei¬<lb/> nahe ewigen Naturſchlafe ruhenden Bergſee; meiſt ſcheidet der ſcharfe<lb/> zackige, wenige Fuß breite Grat das Dieſſeits und Jenſeits, pracht¬<lb/> volle Rück- und Vorblicke geſtattend, wie z. B. beim Juchli (6905<lb/> Fuß) zwiſchen dem Engelberger- und Melch-Thal im Kanton Unter¬<lb/> walden, bei der Gocht in den Churfirſten zwiſchen Quinten am<lb/> Wallen-See und Alt-St. Johann im Toggenburg, — bei der<lb/> Saxer Lucke im Appenzeller Alpſtein u. a. m. Paßpfade dieſer<lb/> Art zeigen ſich meiſt in den zerriſſenen, an Felſenſplittern reichen<lb/> Kalkalpen.</p><lb/> <p>Wilder und in der Regel ungeheuerlicher ſind jene Scheideggen,<lb/> die über die Schneegränze heinaufſteigen, wie es z. B. bei dem<lb/> Segnas- oder Flimſer-Paß, (8081 Fuß, zwiſchen den Kantonen Glarus<lb/> und Graubünden) der Fall iſt, wo ein ſchmaler, ſchwarz-grauer<lb/> Kalkrücken aus den Firnlagern ſteil aufſteigt; hier iſt das berühmte<lb/> Martinsloch, ein natürliches Felſenfenſter von bedeutender Breite<lb/> in der Tſchingelwand, durch welches im März und September<lb/> während drei Tagen die Sonne das Glarner Dorf Elm beſcheint.<lb/> Auf dieſem Paß wüthen die Schneeſtürme mit diaboliſcher Wucht<lb/> und ſchon viele Wanderer wurden hier oben eine Beute derſelben.<lb/> Andere, welche ſich verirrten und glaubten, der Weg führe durch das<lb/> Martinsloch, ſtürzten über den Felſenhang herunter und mußten<lb/> von den Aelplern, ſchwer verwundet, hinabgeſchafft werden. Noch<lb/> ſchauerlicher iſt der weſtliche Nachbar deſſelben, der 8500 Fuß<lb/> hohe Kiſten-Paß, der von Linththal (Kanton Glarus) nach Brigels<lb/> (im Bündner Vorder-Rheinthal) führt. Dort zieht ſich der Weg<lb/> an den Felſenwänden des Ruchi nach dem ſ. g. „Hohen Loch“<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [310/0346]
Gebirgs-Päſſe und Alpen-Straßen.
röllhalden lavirt der, mehr in der Erinnerung des Paß-Gängers
vorhandene oder durch einzelne Orientirungs-Momente eigentlich erſt
zu ſchaffende Weg nach dem kluftigen Felſen-Gewirr hinauf, in
deſſen tiefſter Einſattelung der Uebergangspunkt liegt. Hier ſenkt
ſich nicht, wie auf jenen couranten Päſſen, eine muldige Hochebene
zwiſchen dem breiten Rücken des Gebirgszuges ein, mit dem in bei¬
nahe ewigen Naturſchlafe ruhenden Bergſee; meiſt ſcheidet der ſcharfe
zackige, wenige Fuß breite Grat das Dieſſeits und Jenſeits, pracht¬
volle Rück- und Vorblicke geſtattend, wie z. B. beim Juchli (6905
Fuß) zwiſchen dem Engelberger- und Melch-Thal im Kanton Unter¬
walden, bei der Gocht in den Churfirſten zwiſchen Quinten am
Wallen-See und Alt-St. Johann im Toggenburg, — bei der
Saxer Lucke im Appenzeller Alpſtein u. a. m. Paßpfade dieſer
Art zeigen ſich meiſt in den zerriſſenen, an Felſenſplittern reichen
Kalkalpen.
Wilder und in der Regel ungeheuerlicher ſind jene Scheideggen,
die über die Schneegränze heinaufſteigen, wie es z. B. bei dem
Segnas- oder Flimſer-Paß, (8081 Fuß, zwiſchen den Kantonen Glarus
und Graubünden) der Fall iſt, wo ein ſchmaler, ſchwarz-grauer
Kalkrücken aus den Firnlagern ſteil aufſteigt; hier iſt das berühmte
Martinsloch, ein natürliches Felſenfenſter von bedeutender Breite
in der Tſchingelwand, durch welches im März und September
während drei Tagen die Sonne das Glarner Dorf Elm beſcheint.
Auf dieſem Paß wüthen die Schneeſtürme mit diaboliſcher Wucht
und ſchon viele Wanderer wurden hier oben eine Beute derſelben.
Andere, welche ſich verirrten und glaubten, der Weg führe durch das
Martinsloch, ſtürzten über den Felſenhang herunter und mußten
von den Aelplern, ſchwer verwundet, hinabgeſchafft werden. Noch
ſchauerlicher iſt der weſtliche Nachbar deſſelben, der 8500 Fuß
hohe Kiſten-Paß, der von Linththal (Kanton Glarus) nach Brigels
(im Bündner Vorder-Rheinthal) führt. Dort zieht ſich der Weg
an den Felſenwänden des Ruchi nach dem ſ. g. „Hohen Loch“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |