Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Gebirgs-Pässe und Alpen-Straßen. auf diesen Sattel werden die Waarenballen, welche eine ziemlichgleichmäßige Gestalt haben müssen, so vertheilt aufgeladen, daß die ganze Last von höchstens drei Centnern im Gleichgewicht hängt. Herkömmlich ists, daß die Saumthiere Maulkörbe tragen; man traf diese Einrichtung, um zu verhindern, daß die Pferde wäh¬ rend des Marsches am Wege stehendes Gras abweiden und da¬ durch den ganzen Zug der hintereinander gehenden Thiere auf¬ halten. Außerdem war jedes Saumroß mit einer Glocke ver¬ sehen, damit auf den früher sehr schmalen Pfaden, namentlich während der Winterszeit, einander begegnende Karavanen an den bestimmten Ausweicheplätzen ungehindert passiren konnten. Ueber die ganze Last des Thieres wird eine große Wachstuch-Decke aus¬ gebreitet, meist braunroth bemahlt und mit dem Namen des Säu¬ mers versehen. Da auf jeder Seite des Packsattels die aufge¬ ladenen Waaren ziemlich weit hervorstehen, so bedarf jedes Pferd begreiflich einen ziemlich breiten Weg-Raum, und dieser Umstand nöthiget die Thiere, nicht in der Mitte des Pfades, wo sie an den steilen, oft hervorstehenden oder überhängenden Felsen-Ecken leicht anstoßen oder hängen bleiben könnten, zu gehen, sondern längs dem Rande des Paß-Weges, also oft unmittelbar an Ab¬ gründen. Eine Kleinigkeit, ein einziger unvorsichtiger Tritt, kann das Thier zum zerschellenden Sturze in Schauertiefen bringen. -- Diese Kavalkaden, ein Saumroß hinter dem andern, von Weitem durch lautes harmonisches Gebimmel schon sich ankündigend, waren ehedem eine wesentlich zierende Staffage der Alpenlandschaften. Jeder Säumer führte 6 bis 7 Pferde, und eine solche Sektion wurde ein "Staab Rosse" genannt. Die Unternehmer dieser organisirten Alpen-Karavanen theilten sich, 20*
Gebirgs-Päſſe und Alpen-Straßen. auf dieſen Sattel werden die Waarenballen, welche eine ziemlichgleichmäßige Geſtalt haben müſſen, ſo vertheilt aufgeladen, daß die ganze Laſt von höchſtens drei Centnern im Gleichgewicht hängt. Herkömmlich iſts, daß die Saumthiere Maulkörbe tragen; man traf dieſe Einrichtung, um zu verhindern, daß die Pferde wäh¬ rend des Marſches am Wege ſtehendes Gras abweiden und da¬ durch den ganzen Zug der hintereinander gehenden Thiere auf¬ halten. Außerdem war jedes Saumroß mit einer Glocke ver¬ ſehen, damit auf den früher ſehr ſchmalen Pfaden, namentlich während der Winterszeit, einander begegnende Karavanen an den beſtimmten Ausweicheplätzen ungehindert paſſiren konnten. Ueber die ganze Laſt des Thieres wird eine große Wachstuch-Decke aus¬ gebreitet, meiſt braunroth bemahlt und mit dem Namen des Säu¬ mers verſehen. Da auf jeder Seite des Packſattels die aufge¬ ladenen Waaren ziemlich weit hervorſtehen, ſo bedarf jedes Pferd begreiflich einen ziemlich breiten Weg-Raum, und dieſer Umſtand nöthiget die Thiere, nicht in der Mitte des Pfades, wo ſie an den ſteilen, oft hervorſtehenden oder überhängenden Felſen-Ecken leicht anſtoßen oder hängen bleiben könnten, zu gehen, ſondern längs dem Rande des Paß-Weges, alſo oft unmittelbar an Ab¬ gründen. Eine Kleinigkeit, ein einziger unvorſichtiger Tritt, kann das Thier zum zerſchellenden Sturze in Schauertiefen bringen. — Dieſe Kavalkaden, ein Saumroß hinter dem andern, von Weitem durch lautes harmoniſches Gebimmel ſchon ſich ankündigend, waren ehedem eine weſentlich zierende Staffage der Alpenlandſchaften. Jeder Säumer führte 6 bis 7 Pferde, und eine ſolche Sektion wurde ein „Staab Roſſe“ genannt. Die Unternehmer dieſer organiſirten Alpen-Karavanen theilten ſich, 20*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0343" n="307"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Gebirgs-Päſſe und Alpen-Straßen</hi>.<lb/></fw>auf dieſen Sattel werden die Waarenballen, welche eine ziemlich<lb/> gleichmäßige Geſtalt haben müſſen, ſo vertheilt aufgeladen, daß<lb/> die ganze Laſt von höchſtens drei Centnern im Gleichgewicht hängt.<lb/> Herkömmlich iſts, daß die Saumthiere Maulkörbe tragen; man<lb/> traf dieſe Einrichtung, um zu verhindern, daß die Pferde wäh¬<lb/> rend des Marſches am Wege ſtehendes Gras abweiden und da¬<lb/> durch den ganzen Zug der hintereinander gehenden Thiere auf¬<lb/> halten. Außerdem war jedes Saumroß mit einer Glocke ver¬<lb/> ſehen, damit auf den früher ſehr ſchmalen Pfaden, namentlich<lb/> während der Winterszeit, einander begegnende Karavanen an den<lb/> beſtimmten Ausweicheplätzen ungehindert paſſiren konnten. Ueber<lb/> die ganze Laſt des Thieres wird eine große Wachstuch-Decke aus¬<lb/> gebreitet, meiſt braunroth bemahlt und mit dem Namen des Säu¬<lb/> mers verſehen. Da auf jeder Seite des Packſattels die aufge¬<lb/> ladenen Waaren ziemlich weit hervorſtehen, ſo bedarf jedes Pferd<lb/> begreiflich einen ziemlich breiten Weg-Raum, und dieſer Umſtand<lb/> nöthiget die Thiere, nicht in der Mitte des Pfades, wo ſie an<lb/> den ſteilen, oft hervorſtehenden oder überhängenden Felſen-Ecken<lb/> leicht anſtoßen oder hängen bleiben könnten, zu gehen, ſondern<lb/> längs dem Rande des Paß-Weges, alſo oft unmittelbar an Ab¬<lb/> gründen. Eine Kleinigkeit, ein einziger unvorſichtiger Tritt, kann<lb/> das Thier zum zerſchellenden Sturze in Schauertiefen bringen. —<lb/> Dieſe Kavalkaden, ein Saumroß hinter dem andern, von Weitem<lb/> durch lautes harmoniſches Gebimmel ſchon ſich ankündigend, waren<lb/> ehedem eine weſentlich zierende Staffage der Alpenlandſchaften.<lb/> Jeder Säumer führte 6 bis 7 Pferde, und eine ſolche Sektion<lb/> wurde ein „Staab Roſſe“ genannt.</p><lb/> <p>Die Unternehmer dieſer organiſirten Alpen-Karavanen theilten ſich,<lb/> je nach der Strecke, welche ihre Transport-Züge zu begehen pflegten, in<lb/> „<hi rendition="#g">Strackfuhrleute</hi> oder <hi rendition="#aq">Adrittura</hi>-Säumer“ und in „<hi rendition="#g">Rood¬<lb/> fuhrleute</hi>.“ Erſtere paſſirten den Berg, ohne ihre Waaren ab¬<lb/> zugeben, vom italieniſchen Stapelplatz (Chiavenna, Bellinzona,<lb/> <fw place="bottom" type="sig">20*<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [307/0343]
Gebirgs-Päſſe und Alpen-Straßen.
auf dieſen Sattel werden die Waarenballen, welche eine ziemlich
gleichmäßige Geſtalt haben müſſen, ſo vertheilt aufgeladen, daß
die ganze Laſt von höchſtens drei Centnern im Gleichgewicht hängt.
Herkömmlich iſts, daß die Saumthiere Maulkörbe tragen; man
traf dieſe Einrichtung, um zu verhindern, daß die Pferde wäh¬
rend des Marſches am Wege ſtehendes Gras abweiden und da¬
durch den ganzen Zug der hintereinander gehenden Thiere auf¬
halten. Außerdem war jedes Saumroß mit einer Glocke ver¬
ſehen, damit auf den früher ſehr ſchmalen Pfaden, namentlich
während der Winterszeit, einander begegnende Karavanen an den
beſtimmten Ausweicheplätzen ungehindert paſſiren konnten. Ueber
die ganze Laſt des Thieres wird eine große Wachstuch-Decke aus¬
gebreitet, meiſt braunroth bemahlt und mit dem Namen des Säu¬
mers verſehen. Da auf jeder Seite des Packſattels die aufge¬
ladenen Waaren ziemlich weit hervorſtehen, ſo bedarf jedes Pferd
begreiflich einen ziemlich breiten Weg-Raum, und dieſer Umſtand
nöthiget die Thiere, nicht in der Mitte des Pfades, wo ſie an
den ſteilen, oft hervorſtehenden oder überhängenden Felſen-Ecken
leicht anſtoßen oder hängen bleiben könnten, zu gehen, ſondern
längs dem Rande des Paß-Weges, alſo oft unmittelbar an Ab¬
gründen. Eine Kleinigkeit, ein einziger unvorſichtiger Tritt, kann
das Thier zum zerſchellenden Sturze in Schauertiefen bringen. —
Dieſe Kavalkaden, ein Saumroß hinter dem andern, von Weitem
durch lautes harmoniſches Gebimmel ſchon ſich ankündigend, waren
ehedem eine weſentlich zierende Staffage der Alpenlandſchaften.
Jeder Säumer führte 6 bis 7 Pferde, und eine ſolche Sektion
wurde ein „Staab Roſſe“ genannt.
Die Unternehmer dieſer organiſirten Alpen-Karavanen theilten ſich,
je nach der Strecke, welche ihre Transport-Züge zu begehen pflegten, in
„Strackfuhrleute oder Adrittura-Säumer“ und in „Rood¬
fuhrleute.“ Erſtere paſſirten den Berg, ohne ihre Waaren ab¬
zugeben, vom italieniſchen Stapelplatz (Chiavenna, Bellinzona,
20*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |