Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Alpenspitzen. Rosegg, andererseits gegen einen Gletscher-Cirkus abfällt. Bei deram 13. Septbr. 1850 erfolgten ersten Besteigung dieser giganti¬ schen Central-Masse überwand den Sattel Herr Coaz (Forstinspektor in Chur) mit seinen beiden Führern rittlings rutschend. -- Am Groß- Glockner (12158 par. Fuß, Tyrol) führt der Weg über einen 36 Fuß langen, nur 4 bis 6 Zoll breiten Felsensattel, vom Schnee leicht geebnet, zum eigentlichen Gipfel; der österr. Major Sonklar Edler von Innstädten passirte ihn mit 3 Gefährten und 5 Führern halb kriechend, halb reitend am 4. Septbr. 1855. Aehnlich, aber noch komplicirter ist der Zugang zum Monte Rosa (14284 par. Fuß). Johannes Zumtaugwald überschritt bei der am 14. August 1855 erfolgten zweiten Besteigung, den kaum einen Fuß breiten Kamm aufrecht, die Schneekante schwindelfrei durch Niedertreten verebnend, als obs im flachen Felde wäre; Herr Weilenmann, der verwegene Berggänger, folgte ihm (nach eigenem Geständniß) "mit angehaltenem Athem und nicht ohne Schauern, ebenfalls aufrecht gehend." Hiermit war aber der Kulm der äußersten Spitze noch nicht erreicht; jetzt galt es eine zwar nur wenig Schritte breite, aber glänzend-glatt mit Eis überzogene Felsenplatte zu traversiren, welche abschüssig auf die jäh gen den Gorner-Gletscher niedersin¬ kende Schneewand ausläuft. Wie auch diese überwunden war, so mußte endlich noch eine fast vertikale, kaminähnliche Runse erklet¬ tert werden, welche direkt auf den äußersten Kulm führt. Im Er¬ steigen derselben schiebt sich zu guter Letzt noch eine überragende Felsenplatte vor, welche ohne Beihilfe gewandter, fester und muthiger Kameraden unmöglich zu überturnen ist. Peter Zumtaug¬ wald spreizte sich wie ein Kaminfeger fest in die Wände der Schlucht ein, ließ seinen Vetter Johannes dann auf seine Schultern treten, und so ward es Letzterem möglich, den Vorsprung mit kräftigem Armschwung zu überwinden. Eine Sekunde lang schwebte er da¬ bei über Untiefen. Wie er erst droben war, gings mit den Ande¬ ren rasch, mittelst des Seiles. Ein hilfloser Archivrath, dessen Alpenſpitzen. Rosegg, andererſeits gegen einen Gletſcher-Cirkus abfällt. Bei deram 13. Septbr. 1850 erfolgten erſten Beſteigung dieſer giganti¬ ſchen Central-Maſſe überwand den Sattel Herr Coaz (Forſtinſpektor in Chur) mit ſeinen beiden Führern rittlings rutſchend. — Am Groß- Glockner (12158 par. Fuß, Tyrol) führt der Weg über einen 36 Fuß langen, nur 4 bis 6 Zoll breiten Felſenſattel, vom Schnee leicht geebnet, zum eigentlichen Gipfel; der öſterr. Major Sonklar Edler von Innſtädten paſſirte ihn mit 3 Gefährten und 5 Führern halb kriechend, halb reitend am 4. Septbr. 1855. Aehnlich, aber noch komplicirter iſt der Zugang zum Monte Roſa (14284 par. Fuß). Johannes Zumtaugwald überſchritt bei der am 14. Auguſt 1855 erfolgten zweiten Beſteigung, den kaum einen Fuß breiten Kamm aufrecht, die Schneekante ſchwindelfrei durch Niedertreten verebnend, als obs im flachen Felde wäre; Herr Weilenmann, der verwegene Berggänger, folgte ihm (nach eigenem Geſtändniß) „mit angehaltenem Athem und nicht ohne Schauern, ebenfalls aufrecht gehend.“ Hiermit war aber der Kulm der äußerſten Spitze noch nicht erreicht; jetzt galt es eine zwar nur wenig Schritte breite, aber glänzend-glatt mit Eis überzogene Felſenplatte zu traverſiren, welche abſchüſſig auf die jäh gen den Gorner-Gletſcher niederſin¬ kende Schneewand ausläuft. Wie auch dieſe überwunden war, ſo mußte endlich noch eine faſt vertikale, kaminähnliche Runſe erklet¬ tert werden, welche direkt auf den äußerſten Kulm führt. Im Er¬ ſteigen derſelben ſchiebt ſich zu guter Letzt noch eine überragende Felſenplatte vor, welche ohne Beihilfe gewandter, feſter und muthiger Kameraden unmöglich zu überturnen iſt. Peter Zumtaug¬ wald ſpreizte ſich wie ein Kaminfeger feſt in die Wände der Schlucht ein, ließ ſeinen Vetter Johannes dann auf ſeine Schultern treten, und ſo ward es Letzterem möglich, den Vorſprung mit kräftigem Armſchwung zu überwinden. Eine Sekunde lang ſchwebte er da¬ bei über Untiefen. Wie er erſt droben war, gings mit den Ande¬ ren raſch, mittelſt des Seiles. Ein hilfloser Archivrath, deſſen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0305" n="271"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Alpenſpitzen</hi>.<lb/></fw><hi rendition="#aq">Rosegg</hi>, andererſeits gegen einen Gletſcher-Cirkus abfällt. Bei der<lb/> am 13. 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Alpenſpitzen.
Rosegg, andererſeits gegen einen Gletſcher-Cirkus abfällt. Bei der
am 13. Septbr. 1850 erfolgten erſten Beſteigung dieſer giganti¬
ſchen Central-Maſſe überwand den Sattel Herr Coaz (Forſtinſpektor in
Chur) mit ſeinen beiden Führern rittlings rutſchend. — Am Groß-
Glockner (12158 par. Fuß, Tyrol) führt der Weg über einen 36
Fuß langen, nur 4 bis 6 Zoll breiten Felſenſattel, vom Schnee leicht
geebnet, zum eigentlichen Gipfel; der öſterr. Major Sonklar Edler
von Innſtädten paſſirte ihn mit 3 Gefährten und 5 Führern
halb kriechend, halb reitend am 4. Septbr. 1855. Aehnlich, aber
noch komplicirter iſt der Zugang zum Monte Roſa (14284 par.
Fuß). Johannes Zumtaugwald überſchritt bei der am 14. Auguſt
1855 erfolgten zweiten Beſteigung, den kaum einen Fuß breiten
Kamm aufrecht, die Schneekante ſchwindelfrei durch Niedertreten
verebnend, als obs im flachen Felde wäre; Herr Weilenmann, der
verwegene Berggänger, folgte ihm (nach eigenem Geſtändniß) „mit
angehaltenem Athem und nicht ohne Schauern, ebenfalls aufrecht
gehend.“ Hiermit war aber der Kulm der äußerſten Spitze noch
nicht erreicht; jetzt galt es eine zwar nur wenig Schritte breite,
aber glänzend-glatt mit Eis überzogene Felſenplatte zu traverſiren,
welche abſchüſſig auf die jäh gen den Gorner-Gletſcher niederſin¬
kende Schneewand ausläuft. Wie auch dieſe überwunden war, ſo
mußte endlich noch eine faſt vertikale, kaminähnliche Runſe erklet¬
tert werden, welche direkt auf den äußerſten Kulm führt. Im Er¬
ſteigen derſelben ſchiebt ſich zu guter Letzt noch eine überragende
Felſenplatte vor, welche ohne Beihilfe gewandter, feſter und
muthiger Kameraden unmöglich zu überturnen iſt. Peter Zumtaug¬
wald ſpreizte ſich wie ein Kaminfeger feſt in die Wände der Schlucht
ein, ließ ſeinen Vetter Johannes dann auf ſeine Schultern treten,
und ſo ward es Letzterem möglich, den Vorſprung mit kräftigem
Armſchwung zu überwinden. Eine Sekunde lang ſchwebte er da¬
bei über Untiefen. Wie er erſt droben war, gings mit den Ande¬
ren raſch, mittelſt des Seiles. Ein hilfloser Archivrath, deſſen
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