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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

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Das Alpengebäude.
Schlucht, in welcher der heiße Sprudel der Pfäferser Heilquelle
liegt, das zerbröckelnde Gestein um Bad Fidris im Prätigau, die
nächste Umgebung des Stachelberger Bades im Glarner Thale sind
Flysch-Gesteine. Hier stehen wir an der Gränze einer der großen
Schöpfungsepochen unseres Erdkörpers; denn mit den Eocen-
Gebilden schließt sich die große Hauptgruppe der jüngsten Ab¬
lagerungen, welche der Geologe die "Tertiär-Formationen"
nennt. Alles, was unter ihnen liegt, alle Berge, die alpenwärts
vor unserm Blicke sich erheben, sind älter, gehören früheren Zeiten
an. Die Wissenschaft rubricirt sie als Gebilde der "Sekundär-For¬
mation." Das ganze Terrain, in welchem diese Gesteine sich zei¬
gen, muß damals, als die Molasse-Gebilde abgelagert wur¬
den, schon als Festland existirt und über das s. g. "Urmeer"
herausgeragt haben. Es war viel größer, dieses Kontinent, als
es sich heute zeigt; die darunter liegende große Gruppe der Kreide-
Gebilde
hat bei der Hebung der Alpen die Flysch-Decke an vielen
Stellen durchbrochen und zur Seite geworfen. Am Auffallendsten
sieht man es in den Vorarlberger Alpen, ganz besonders in der
Säntis- und Churfirsten-Kette, dann in den Schwyzer Alpen, wo
namentlich die Mythenstöcke bei Schwyz wie durchs Fleisch hervor¬
gestoßene Zähne dastehen, in den Nidwaldner Alpen, am zerzackten
Pilatus, an der Schaafmatt, am Scheibengütsch, am Brienzer
Rothhorn und an anderen Bergen des Berner Oberlandes. -- Unter
der Bezeichnung "Kreide-Formation" denke man sich indessen keines¬
weges Felsen von weißer Schreibe-Kreide; die Geologen haben
auch hier wieder alle Gesteinsarten, welche die gleichen Versteine¬
rungen und organischen Ueberreste wie die weiße Schreibe-Kreide
einschließen, also der gleichen großen Niederschlagsepoche ange¬
hören, als eine Formation zusammengefaßt und nach der Kreide
benannt. Sie ist eins der am Weitesten auf der Erdoberfläche ver¬
breiteten Gebilde und nimmt z. B. in Nordamerika eine Fläche
von 120 Meilen Breite und 300 Meilen Länge ein.

Das Alpengebäude.
Schlucht, in welcher der heiße Sprudel der Pfäferser Heilquelle
liegt, das zerbröckelnde Geſtein um Bad Fidris im Prätigau, die
nächſte Umgebung des Stachelberger Bades im Glarner Thale ſind
Flyſch-Geſteine. Hier ſtehen wir an der Gränze einer der großen
Schöpfungsepochen unſeres Erdkörpers; denn mit den Eocen-
Gebilden ſchließt ſich die große Hauptgruppe der jüngſten Ab¬
lagerungen, welche der Geologe die „Tertiär-Formationen
nennt. Alles, was unter ihnen liegt, alle Berge, die alpenwärts
vor unſerm Blicke ſich erheben, ſind älter, gehören früheren Zeiten
an. Die Wiſſenſchaft rubricirt ſie als Gebilde der „Sekundär-For¬
mation.“ Das ganze Terrain, in welchem dieſe Geſteine ſich zei¬
gen, muß damals, als die Molaſſe-Gebilde abgelagert wur¬
den, ſchon als Feſtland exiſtirt und über das ſ. g. „Urmeer“
herausgeragt haben. Es war viel größer, dieſes Kontinent, als
es ſich heute zeigt; die darunter liegende große Gruppe der Kreide-
Gebilde
hat bei der Hebung der Alpen die Flyſch-Decke an vielen
Stellen durchbrochen und zur Seite geworfen. Am Auffallendſten
ſieht man es in den Vorarlberger Alpen, ganz beſonders in der
Säntis- und Churfirſten-Kette, dann in den Schwyzer Alpen, wo
namentlich die Mythenſtöcke bei Schwyz wie durchs Fleiſch hervor¬
geſtoßene Zähne daſtehen, in den Nidwaldner Alpen, am zerzackten
Pilatus, an der Schaafmatt, am Scheibengütſch, am Brienzer
Rothhorn und an anderen Bergen des Berner Oberlandes. — Unter
der Bezeichnung „Kreide-Formation“ denke man ſich indeſſen keines¬
weges Felſen von weißer Schreibe-Kreide; die Geologen haben
auch hier wieder alle Geſteinsarten, welche die gleichen Verſteine¬
rungen und organiſchen Ueberreſte wie die weiße Schreibe-Kreide
einſchließen, alſo der gleichen großen Niederſchlagsepoche ange¬
hören, als eine Formation zuſammengefaßt und nach der Kreide
benannt. Sie iſt eins der am Weiteſten auf der Erdoberfläche ver¬
breiteten Gebilde und nimmt z. B. in Nordamerika eine Fläche
von 120 Meilen Breite und 300 Meilen Länge ein.

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[10/0028] Das Alpengebäude. Schlucht, in welcher der heiße Sprudel der Pfäferser Heilquelle liegt, das zerbröckelnde Geſtein um Bad Fidris im Prätigau, die nächſte Umgebung des Stachelberger Bades im Glarner Thale ſind Flyſch-Geſteine. Hier ſtehen wir an der Gränze einer der großen Schöpfungsepochen unſeres Erdkörpers; denn mit den Eocen- Gebilden ſchließt ſich die große Hauptgruppe der jüngſten Ab¬ lagerungen, welche der Geologe die „Tertiär-Formationen“ nennt. Alles, was unter ihnen liegt, alle Berge, die alpenwärts vor unſerm Blicke ſich erheben, ſind älter, gehören früheren Zeiten an. Die Wiſſenſchaft rubricirt ſie als Gebilde der „Sekundär-For¬ mation.“ Das ganze Terrain, in welchem dieſe Geſteine ſich zei¬ gen, muß damals, als die Molaſſe-Gebilde abgelagert wur¬ den, ſchon als Feſtland exiſtirt und über das ſ. g. „Urmeer“ herausgeragt haben. Es war viel größer, dieſes Kontinent, als es ſich heute zeigt; die darunter liegende große Gruppe der Kreide- Gebilde hat bei der Hebung der Alpen die Flyſch-Decke an vielen Stellen durchbrochen und zur Seite geworfen. Am Auffallendſten ſieht man es in den Vorarlberger Alpen, ganz beſonders in der Säntis- und Churfirſten-Kette, dann in den Schwyzer Alpen, wo namentlich die Mythenſtöcke bei Schwyz wie durchs Fleiſch hervor¬ geſtoßene Zähne daſtehen, in den Nidwaldner Alpen, am zerzackten Pilatus, an der Schaafmatt, am Scheibengütſch, am Brienzer Rothhorn und an anderen Bergen des Berner Oberlandes. — Unter der Bezeichnung „Kreide-Formation“ denke man ſich indeſſen keines¬ weges Felſen von weißer Schreibe-Kreide; die Geologen haben auch hier wieder alle Geſteinsarten, welche die gleichen Verſteine¬ rungen und organiſchen Ueberreſte wie die weiße Schreibe-Kreide einſchließen, alſo der gleichen großen Niederſchlagsepoche ange¬ hören, als eine Formation zuſammengefaßt und nach der Kreide benannt. Sie iſt eins der am Weiteſten auf der Erdoberfläche ver¬ breiteten Gebilde und nimmt z. B. in Nordamerika eine Fläche von 120 Meilen Breite und 300 Meilen Länge ein.

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Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/28>, abgerufen am 24.11.2024.