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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XV. Ein Haus gemiethet.
der daran grenzenden englischen Gesandtschaft zu niedrigem Zinse
abzutreten. Wir baten Herrn Papow, den Besitzer ausforschen zu
lassen, und begaben uns nach der nahgelegenen französischen Le-
gation. Der Gesandte, Herr von Bourboulon empfing uns höflich,
legte jedoch des Grafen Eulenburg Schreiben uneröffnet bei Seite
und sprach von gleichgültigen Dingen; auch Graf Kleczkowski und
der zweite Secretär Herr de Meritens vermieden, nach dem Zweck
unserer Sendung zu fragen; wir nahmen Theil am gemeinsamen
Frühstück und kehrten dann nach der russischen Mission zurück,
wo unterdess Herr von Bützow eingetroffen war, gestiefelt und ge-
spornt zur Reise in die Tartarei. -- Der Besitzer jenes Hauses
hatte eingewilligt, uns dasselbe zu überlassen, aber ohne formelles
Abkommen und bestimmten Miethspreis; unter der Hand erfuhr
man, dass er etwa hundert Dollars monatlich erwarte. Auf den
Rath der Missionare, mit denen Herr von Bützow sich russisch be-
rieth, gingen wir nach dem kaum tausend Schritt entfernten Grund-
stück; offenbar dazu angewiesen, führte uns der Pförtner
durch die um mehrere Höfe gruppirten etwas baufälligen Räume.
Der Eigenthümer, der in einer anderen Gegend wohnte, schien
eben dagewesen zu sein; der Pförtner wusste durchaus Bescheid
und zeigte keine Spur von Ueberraschung, als die Russen ihm er-
klärten, dass wir das Haus gemiethet hätten. Herr von Brandt
blieb gleich dort, während ich nach der Herberge zurückfuhr, den
Wirth zu bezahlen und das Gepäck zu holen. Unsere Installirung
war vollendete Thatsache und konnte nicht mehr hintertrieben wer-
den, als die Behörden sie erfuhren; und darauf kam es an.

Herr von Bützow, der lebhaften Antheil zeigte, nahm in der
neuen Wohnung von uns Abschied und trat seine Reise an. Dann
gingen wir zu unseren Nachbarn in der englischen Legation. Herr
Bruce war sehr überrascht und nicht ohne Bedenken über Graf
Eulenburg's Plan, versprach aber seine beste Hülfe; er billigte den
Gedanken, sofort das gemiethete Haus einzurichten, und stellte dazu
seinen eigenen Comprador und mehrere Arbeiter zur Verfügung;
im freundschaftlichsten Ton lud er uns für alle Mahlzeiten an seinen
Tisch. Ebenso zuvorkommend empfingen uns die anderen Mitglie-
der der Gesandtschaft. -- Nachmittags sandten wir einen Courier
nach Tien-tsin, um Graf Eulenburg unsere Erwerbung zu melden.

Am folgenden Morgen kamen die bestellten Handwerker,
Maurer, Tapezirer, Tischler, Lackirer, etwa vierzig Mann, und gingen

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XV. Ein Haus gemiethet.
der daran grenzenden englischen Gesandtschaft zu niedrigem Zinse
abzutreten. Wir baten Herrn Papow, den Besitzer ausforschen zu
lassen, und begaben uns nach der nahgelegenen französischen Le-
gation. Der Gesandte, Herr von Bourboulon empfing uns höflich,
legte jedoch des Grafen Eulenburg Schreiben uneröffnet bei Seite
und sprach von gleichgültigen Dingen; auch Graf Kleczkowski und
der zweite Secretär Herr de Méritens vermieden, nach dem Zweck
unserer Sendung zu fragen; wir nahmen Theil am gemeinsamen
Frühstück und kehrten dann nach der russischen Mission zurück,
wo unterdess Herr von Bützow eingetroffen war, gestiefelt und ge-
spornt zur Reise in die Tartarei. — Der Besitzer jenes Hauses
hatte eingewilligt, uns dasselbe zu überlassen, aber ohne formelles
Abkommen und bestimmten Miethspreis; unter der Hand erfuhr
man, dass er etwa hundert Dollars monatlich erwarte. Auf den
Rath der Missionare, mit denen Herr von Bützow sich russisch be-
rieth, gingen wir nach dem kaum tausend Schritt entfernten Grund-
stück; offenbar dazu angewiesen, führte uns der Pförtner
durch die um mehrere Höfe gruppirten etwas baufälligen Räume.
Der Eigenthümer, der in einer anderen Gegend wohnte, schien
eben dagewesen zu sein; der Pförtner wusste durchaus Bescheid
und zeigte keine Spur von Ueberraschung, als die Russen ihm er-
klärten, dass wir das Haus gemiethet hätten. Herr von Brandt
blieb gleich dort, während ich nach der Herberge zurückfuhr, den
Wirth zu bezahlen und das Gepäck zu holen. Unsere Installirung
war vollendete Thatsache und konnte nicht mehr hintertrieben wer-
den, als die Behörden sie erfuhren; und darauf kam es an.

Herr von Bützow, der lebhaften Antheil zeigte, nahm in der
neuen Wohnung von uns Abschied und trat seine Reise an. Dann
gingen wir zu unseren Nachbarn in der englischen Legation. Herr
Bruce war sehr überrascht und nicht ohne Bedenken über Graf
Eulenburg’s Plan, versprach aber seine beste Hülfe; er billigte den
Gedanken, sofort das gemiethete Haus einzurichten, und stellte dazu
seinen eigenen Comprador und mehrere Arbeiter zur Verfügung;
im freundschaftlichsten Ton lud er uns für alle Mahlzeiten an seinen
Tisch. Ebenso zuvorkommend empfingen uns die anderen Mitglie-
der der Gesandtschaft. — Nachmittags sandten wir einen Courier
nach Tien-tsin, um Graf Eulenburg unsere Erwerbung zu melden.

Am folgenden Morgen kamen die bestellten Handwerker,
Maurer, Tapezirer, Tischler, Lackirer, etwa vierzig Mann, und gingen

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[51/0065] XV. Ein Haus gemiethet. der daran grenzenden englischen Gesandtschaft zu niedrigem Zinse abzutreten. Wir baten Herrn Papow, den Besitzer ausforschen zu lassen, und begaben uns nach der nahgelegenen französischen Le- gation. Der Gesandte, Herr von Bourboulon empfing uns höflich, legte jedoch des Grafen Eulenburg Schreiben uneröffnet bei Seite und sprach von gleichgültigen Dingen; auch Graf Kleczkowski und der zweite Secretär Herr de Méritens vermieden, nach dem Zweck unserer Sendung zu fragen; wir nahmen Theil am gemeinsamen Frühstück und kehrten dann nach der russischen Mission zurück, wo unterdess Herr von Bützow eingetroffen war, gestiefelt und ge- spornt zur Reise in die Tartarei. — Der Besitzer jenes Hauses hatte eingewilligt, uns dasselbe zu überlassen, aber ohne formelles Abkommen und bestimmten Miethspreis; unter der Hand erfuhr man, dass er etwa hundert Dollars monatlich erwarte. Auf den Rath der Missionare, mit denen Herr von Bützow sich russisch be- rieth, gingen wir nach dem kaum tausend Schritt entfernten Grund- stück; offenbar dazu angewiesen, führte uns der Pförtner durch die um mehrere Höfe gruppirten etwas baufälligen Räume. Der Eigenthümer, der in einer anderen Gegend wohnte, schien eben dagewesen zu sein; der Pförtner wusste durchaus Bescheid und zeigte keine Spur von Ueberraschung, als die Russen ihm er- klärten, dass wir das Haus gemiethet hätten. Herr von Brandt blieb gleich dort, während ich nach der Herberge zurückfuhr, den Wirth zu bezahlen und das Gepäck zu holen. Unsere Installirung war vollendete Thatsache und konnte nicht mehr hintertrieben wer- den, als die Behörden sie erfuhren; und darauf kam es an. Herr von Bützow, der lebhaften Antheil zeigte, nahm in der neuen Wohnung von uns Abschied und trat seine Reise an. Dann gingen wir zu unseren Nachbarn in der englischen Legation. Herr Bruce war sehr überrascht und nicht ohne Bedenken über Graf Eulenburg’s Plan, versprach aber seine beste Hülfe; er billigte den Gedanken, sofort das gemiethete Haus einzurichten, und stellte dazu seinen eigenen Comprador und mehrere Arbeiter zur Verfügung; im freundschaftlichsten Ton lud er uns für alle Mahlzeiten an seinen Tisch. Ebenso zuvorkommend empfingen uns die anderen Mitglie- der der Gesandtschaft. — Nachmittags sandten wir einen Courier nach Tien-tsin, um Graf Eulenburg unsere Erwerbung zu melden. Am folgenden Morgen kamen die bestellten Handwerker, Maurer, Tapezirer, Tischler, Lackirer, etwa vierzig Mann, und gingen 4*

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/65>, abgerufen am 30.04.2024.