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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Mandarinen-Besuch. XV.
rüstig an die Arbeit. In wenig Tagen sollte das Haus bewohn-
bar sein; die nöthigen Möbel zu kaufen übernahm der Comprador
des englischen Gesandten. -- Gegen zwei Uhr Nachmittags brachte
Herr Papow die Nachricht, dass der Adjutant des Prinzen von
Kun ihn aufgesucht und erklärt habe, das Eindringen der Preussen
in die Hauptstadt sei ungesetzlich; sie hätten sich obendrein mit
Gewalt eines Hauses bemächtigt; verliessen sie Pe-kin nicht sofort,
so werde die Regierung sie dazu zwingen. Herr von Brandt er-
wiederte, dass wir solche Eröffnung einer Mittelsperson ohne amt-
liche Stellung als ungeschehen betrachten und eine directe Mitthei-
lung der kaiserlichen Regierung, entweder schriftlich oder münd-
lich, durch einen Beamten von angemessenem Range erwarten
müssten. Wir baten Herrn Papow, dem Adjutanten das zu sagen
und die Verantwortung vorzustellen, die man durch Anwendung
von Gewalt gegen Mitglieder einer fremden Gesandtschaft auf sich
laden möchte.

Bald darauf fuhr Herr von Brandt zum Grafen Kleczkowski.
Ich war allein in einem der hinteren Höfe und sah den Arbeitern
zu, als der beim Pförtner postirte Seesoldat die Ankunft eines
Mandarinen mit grossem Gefolge meldete. Im Vorderhause fand
ich einen jungen Mann mit glattem rundem Gesicht, in eleganter
Kleidung; zwei Dolmetscher, von der englischen und der franzö-
sischen Gesandtschaft, begleiteten ihn; das Gefolge füllte den
ganzen Hof. Nach höflicher Begrüssung setzten wir uns; ich liess
Champagner und Cigarren bringen und das Gespräch begann im
freundschaftlichsten Ton. Der Chinese nannte sich Tsan und Ad-
jutanten des Prinzen von Kun. Ich überreichte dagegen auf sein
Befragen die chinesische Visitenkarte, auf der Graf Eulenburg mich
als Mitglied der Gesandtschaft legitimirte. Tsan erklärte nun mit
dem heitersten Gesicht, der Vertrag mit Preussen sei noch nicht
geschlossen; das Eindringen von Fremden, denen es nicht durch
Verträge ausdrücklich erlaubt sei, streite gegen das chinesische
Gesetz; dazu hätten wir uns mit Gewalt eines Hauses bemächtigt;
der Prinz von Kun ersuche uns, die Hauptstadt sofort zu verlassen.
Ich erwiederte eben so freundlich, dass wir auf Befehl des Ge-
sandten handelten, dass es uns nicht zustehe, die Gesetzlichkeit
seiner Anordnungen zu erörtern; wir hätten gehört, das Haus sei
zu vermiethen, und dem Besitzer sagen lassen, dass wir jeden Zins
in den Grenzen der Billigkeit zahlen wollten; darauf habe der

Mandarinen-Besuch. XV.
rüstig an die Arbeit. In wenig Tagen sollte das Haus bewohn-
bar sein; die nöthigen Möbel zu kaufen übernahm der Comprador
des englischen Gesandten. — Gegen zwei Uhr Nachmittags brachte
Herr Papow die Nachricht, dass der Adjutant des Prinzen von
Kuṅ ihn aufgesucht und erklärt habe, das Eindringen der Preussen
in die Hauptstadt sei ungesetzlich; sie hätten sich obendrein mit
Gewalt eines Hauses bemächtigt; verliessen sie Pe-kiṅ nicht sofort,
so werde die Regierung sie dazu zwingen. Herr von Brandt er-
wiederte, dass wir solche Eröffnung einer Mittelsperson ohne amt-
liche Stellung als ungeschehen betrachten und eine directe Mitthei-
lung der kaiserlichen Regierung, entweder schriftlich oder münd-
lich, durch einen Beamten von angemessenem Range erwarten
müssten. Wir baten Herrn Papow, dem Adjutanten das zu sagen
und die Verantwortung vorzustellen, die man durch Anwendung
von Gewalt gegen Mitglieder einer fremden Gesandtschaft auf sich
laden möchte.

Bald darauf fuhr Herr von Brandt zum Grafen Kleczkowski.
Ich war allein in einem der hinteren Höfe und sah den Arbeitern
zu, als der beim Pförtner postirte Seesoldat die Ankunft eines
Mandarinen mit grossem Gefolge meldete. Im Vorderhause fand
ich einen jungen Mann mit glattem rundem Gesicht, in eleganter
Kleidung; zwei Dolmetscher, von der englischen und der franzö-
sischen Gesandtschaft, begleiteten ihn; das Gefolge füllte den
ganzen Hof. Nach höflicher Begrüssung setzten wir uns; ich liess
Champagner und Cigarren bringen und das Gespräch begann im
freundschaftlichsten Ton. Der Chinese nannte sich Tšaṅ und Ad-
jutanten des Prinzen von Kuṅ. Ich überreichte dagegen auf sein
Befragen die chinesische Visitenkarte, auf der Graf Eulenburg mich
als Mitglied der Gesandtschaft legitimirte. Tšaṅ erklärte nun mit
dem heitersten Gesicht, der Vertrag mit Preussen sei noch nicht
geschlossen; das Eindringen von Fremden, denen es nicht durch
Verträge ausdrücklich erlaubt sei, streite gegen das chinesische
Gesetz; dazu hätten wir uns mit Gewalt eines Hauses bemächtigt;
der Prinz von Kuṅ ersuche uns, die Hauptstadt sofort zu verlassen.
Ich erwiederte eben so freundlich, dass wir auf Befehl des Ge-
sandten handelten, dass es uns nicht zustehe, die Gesetzlichkeit
seiner Anordnungen zu erörtern; wir hätten gehört, das Haus sei
zu vermiethen, und dem Besitzer sagen lassen, dass wir jeden Zins
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[52/0066] Mandarinen-Besuch. XV. rüstig an die Arbeit. In wenig Tagen sollte das Haus bewohn- bar sein; die nöthigen Möbel zu kaufen übernahm der Comprador des englischen Gesandten. — Gegen zwei Uhr Nachmittags brachte Herr Papow die Nachricht, dass der Adjutant des Prinzen von Kuṅ ihn aufgesucht und erklärt habe, das Eindringen der Preussen in die Hauptstadt sei ungesetzlich; sie hätten sich obendrein mit Gewalt eines Hauses bemächtigt; verliessen sie Pe-kiṅ nicht sofort, so werde die Regierung sie dazu zwingen. Herr von Brandt er- wiederte, dass wir solche Eröffnung einer Mittelsperson ohne amt- liche Stellung als ungeschehen betrachten und eine directe Mitthei- lung der kaiserlichen Regierung, entweder schriftlich oder münd- lich, durch einen Beamten von angemessenem Range erwarten müssten. Wir baten Herrn Papow, dem Adjutanten das zu sagen und die Verantwortung vorzustellen, die man durch Anwendung von Gewalt gegen Mitglieder einer fremden Gesandtschaft auf sich laden möchte. Bald darauf fuhr Herr von Brandt zum Grafen Kleczkowski. Ich war allein in einem der hinteren Höfe und sah den Arbeitern zu, als der beim Pförtner postirte Seesoldat die Ankunft eines Mandarinen mit grossem Gefolge meldete. Im Vorderhause fand ich einen jungen Mann mit glattem rundem Gesicht, in eleganter Kleidung; zwei Dolmetscher, von der englischen und der franzö- sischen Gesandtschaft, begleiteten ihn; das Gefolge füllte den ganzen Hof. Nach höflicher Begrüssung setzten wir uns; ich liess Champagner und Cigarren bringen und das Gespräch begann im freundschaftlichsten Ton. Der Chinese nannte sich Tšaṅ und Ad- jutanten des Prinzen von Kuṅ. Ich überreichte dagegen auf sein Befragen die chinesische Visitenkarte, auf der Graf Eulenburg mich als Mitglied der Gesandtschaft legitimirte. Tšaṅ erklärte nun mit dem heitersten Gesicht, der Vertrag mit Preussen sei noch nicht geschlossen; das Eindringen von Fremden, denen es nicht durch Verträge ausdrücklich erlaubt sei, streite gegen das chinesische Gesetz; dazu hätten wir uns mit Gewalt eines Hauses bemächtigt; der Prinz von Kuṅ ersuche uns, die Hauptstadt sofort zu verlassen. Ich erwiederte eben so freundlich, dass wir auf Befehl des Ge- sandten handelten, dass es uns nicht zustehe, die Gesetzlichkeit seiner Anordnungen zu erörtern; wir hätten gehört, das Haus sei zu vermiethen, und dem Besitzer sagen lassen, dass wir jeden Zins in den Grenzen der Billigkeit zahlen wollten; darauf habe der

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/66>, abgerufen am 30.04.2024.