Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.Pe-kin. XV. Immer belebter werden die Wege, die Tempel und Grabmälerhäufiger. Herrliche Ulmen, Weiden und Sophora japonica be- schatten die zahlreichen Dörfer, in welchen sich das regere auch bei uns die Nähe der grossen Stadt bekundende Treiben zeigte. Staub und Hitze waren beträchtlich; die Pferde wateten in tiefem Sande. In dichte Staubwolken gehüllt, den Wachen völlig unsicht- bar, ritten wir um halb sechs durch das Ostthor der Chinesenstadt nach Pe-kin hinein; unangefochten zogen wir weiter. Die Kärrner sollten uns nach einer chinesischen Herberge bringen. A-tson, der seit Singapore mit uns war, begriff leicht das Geheiss, wurde aber als Südchinese von jenen ebensowenig verstanden als wenn er deutsch redete. Einen anderen Dolmetscher hatten wir nicht. Nun führten uns die Kärrner in die Tartaren-Stadt und vor die eng- lische Legation, in dem Glauben, wir wollten dort bleiben. End- lich gelang es, sie zu belehren, und dann ging der Weg zurück in die grosse Hauptstrasse der Chinesenstadt, wo mehrere Männer uns lebhaft winkten, in ihr Haus einzutreten. Sie trugen emsig unser Gepäck in das Obergeschoss des Hinterhauses, fragten nach unseren Wünschen und brachten Thee, Apricosen, Milch und Eis herbei, lauter wünschenswerthe Sachen, die unsere Vorräthe ange- nehm ergänzten. Es war auch hier recht schmutzig, doch lagen wir bald im tiefsten Schlaf. Irrten wir doch nach dem Ritt von acht Meilen in glühender Sonne noch über eine Stunde im Gewühl der staubigen Gassen umher. Am folgenden Morgen regnete es. Wir liessen Droschken, Pe-kiṅ. XV. Immer belebter werden die Wege, die Tempel und Grabmälerhäufiger. Herrliche Ulmen, Weiden und Sophora japonica be- schatten die zahlreichen Dörfer, in welchen sich das regere auch bei uns die Nähe der grossen Stadt bekundende Treiben zeigte. Staub und Hitze waren beträchtlich; die Pferde wateten in tiefem Sande. In dichte Staubwolken gehüllt, den Wachen völlig unsicht- bar, ritten wir um halb sechs durch das Ostthor der Chinesenstadt nach Pe-kiṅ hinein; unangefochten zogen wir weiter. Die Kärrner sollten uns nach einer chinesischen Herberge bringen. A-tšoṅ, der seit Singapore mit uns war, begriff leicht das Geheiss, wurde aber als Südchinese von jenen ebensowenig verstanden als wenn er deutsch redete. Einen anderen Dolmetscher hatten wir nicht. Nun führten uns die Kärrner in die Tartaren-Stadt und vor die eng- lische Legation, in dem Glauben, wir wollten dort bleiben. End- lich gelang es, sie zu belehren, und dann ging der Weg zurück in die grosse Hauptstrasse der Chinesenstadt, wo mehrere Männer uns lebhaft winkten, in ihr Haus einzutreten. Sie trugen emsig unser Gepäck in das Obergeschoss des Hinterhauses, fragten nach unseren Wünschen und brachten Thee, Apricosen, Milch und Eis herbei, lauter wünschenswerthe Sachen, die unsere Vorräthe ange- nehm ergänzten. Es war auch hier recht schmutzig, doch lagen wir bald im tiefsten Schlaf. Irrten wir doch nach dem Ritt von acht Meilen in glühender Sonne noch über eine Stunde im Gewühl der staubigen Gassen umher. Am folgenden Morgen regnete es. Wir liessen Droschken, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0064" n="50"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#k"><placeName>Pe-kiṅ</placeName></hi>. XV.</fw><lb/> Immer belebter werden die Wege, die Tempel und Grabmäler<lb/> häufiger. 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Pe-kiṅ. XV.
Immer belebter werden die Wege, die Tempel und Grabmäler
häufiger. Herrliche Ulmen, Weiden und Sophora japonica be-
schatten die zahlreichen Dörfer, in welchen sich das regere auch
bei uns die Nähe der grossen Stadt bekundende Treiben zeigte.
Staub und Hitze waren beträchtlich; die Pferde wateten in tiefem
Sande. In dichte Staubwolken gehüllt, den Wachen völlig unsicht-
bar, ritten wir um halb sechs durch das Ostthor der Chinesenstadt
nach Pe-kiṅ hinein; unangefochten zogen wir weiter. Die Kärrner
sollten uns nach einer chinesischen Herberge bringen. A-tšoṅ, der
seit Singapore mit uns war, begriff leicht das Geheiss, wurde aber
als Südchinese von jenen ebensowenig verstanden als wenn er
deutsch redete. Einen anderen Dolmetscher hatten wir nicht. Nun
führten uns die Kärrner in die Tartaren-Stadt und vor die eng-
lische Legation, in dem Glauben, wir wollten dort bleiben. End-
lich gelang es, sie zu belehren, und dann ging der Weg zurück in
die grosse Hauptstrasse der Chinesenstadt, wo mehrere Männer
uns lebhaft winkten, in ihr Haus einzutreten. Sie trugen emsig
unser Gepäck in das Obergeschoss des Hinterhauses, fragten nach
unseren Wünschen und brachten Thee, Apricosen, Milch und Eis
herbei, lauter wünschenswerthe Sachen, die unsere Vorräthe ange-
nehm ergänzten. Es war auch hier recht schmutzig, doch lagen
wir bald im tiefsten Schlaf. Irrten wir doch nach dem Ritt von
acht Meilen in glühender Sonne noch über eine Stunde im Gewühl
der staubigen Gassen umher.
Am folgenden Morgen regnete es. Wir liessen Droschken,
d. h. Maulthierkarren holen, deren zu diesem Gebrauch an allen
Strassenecken stehen, und fuhren zunächst nach dem im Süden der
Tartarenstadt gelegenen Hauptgebäude der russischen Mission, in
der Hoffnung, dort den Secretär des Gouverneurs von Ost-Sibirien,
Herrn von Bützow zu finden, der uns in Tien-tsin besuchte. Von
den anwesenden Missionaren sprach nur einer, Herr Papow, etwas
französisch, alle übrigen nur russisch und chinesisch. Herr von
Bützow war in dem andern Missionshause im Norden der Tartaren-
stadt und im Begriff, nach Kiakta abzureisen; der Attaché von
Brandt bat ihn brieflich um eine Unterredung. — Auf Befragen
sagte uns Herr Papow, dass ganz in der Nähe ein geräumiges
Grundstück liege, dessen Eigenthümer, ein Mandarin aus der kaiser-
lichen Familie, die Russen täglich mit Bitten bestürme, es zu
kaufen; er fürchtete von der Regierung gezwungen zu werden, es
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