Die Truppen der Verbündeten hatten ihn im Herbst 1860 verlassen gefunden und arg verwüstet; viele Häuser lagen in Trümmern. -- Den grossen Hof unserer Herberge umgaben offene Schuppen, wo eine Menge Maulthiere standen; mitten darunter schliefen die Fuhrleute; den Hof füllten ihre Karren. Unser Mahl glich dem in Yan-sun. Schlaf gab es wenig, denn die Zimmer mündeten in jene Schuppen; die Thiere schrieen und bissen sich, die Kärrner fluchten und zankten die ganze Nacht. Auch war Alles recht schmutzig, und die Matte des Estrichs stark bevölkert.
Bei Tagesgrauen stiegen wir am 22. Juni zu Pferde. Der Weg wird hübscher und schattiger; hier und da sieht man den Pei-ho. In der Herberge des Fleckens Ma-tau, der den Anblick grausiger Verwüstung bot, wurde ein kurzer Halt gemacht. Als im Herbst 1860 die Alliirten gegen Pe-kin marschirten, wurde in einem Dorfe der Nachbarschaft auf englische Soldaten geschossen, die auf eigene Hand plünderten. Sir Hope Grant befahl, das Dorf zu zerstören; da aber Niemand dasselbe genau zu bezeichnen wusste, so beschloss der beauftragte Officier, die reichste und beste Ort- schaft der ganzen Gegend einzuäschern. Das unglückliche Loos traf Ma-tau, dessen Verbrennung Tausende harmloser Menschen an den Bettelstab brachte. Englische Officiere nannten nach dem Bericht ihrer eigenen Kameraden9) die Zerstörung dieses Fleckens statt des schuldigen, den man nicht finden konnte, einen der besten Scherze des ganzen Feldzugs, und ein junger Mann von der indi- schen Cavallerie beschrieb mit Enthusiasmus die innige Wollust, mit welcher er die wehrlosen Bewohner gespiesst habe. Das ge- schah vor dem Verrath von Tun-tsau und der Schlacht von Tsan-kia-wan.
Hinter Ma-tau berührt die Strasse den Fluss zum letzten Mal und führt dann durch üppige Felder nach dem Städtchen Tsan-kia-wan, das 1860 nach der Schlacht geplündert wurde. Von hier läuft nach dem Pei-ho ein schmales Rinnsal, das wohl zuweilen aus seinen Ufern tritt; auf trockener Wiese steht eine alte Brücke von schönen Quadern.
Wir frühstückten in Tsan-kia-wan und brachen um halb zwei wieder auf. An den Feldfrüchten merkt man, dass hier die Ebene höher liegt; wir sahen Buchweizen und Soya-Bohnen.
Die Truppen der Verbündeten hatten ihn im Herbst 1860 verlassen gefunden und arg verwüstet; viele Häuser lagen in Trümmern. — Den grossen Hof unserer Herberge umgaben offene Schuppen, wo eine Menge Maulthiere standen; mitten darunter schliefen die Fuhrleute; den Hof füllten ihre Karren. Unser Mahl glich dem in Yaṅ-sun. Schlaf gab es wenig, denn die Zimmer mündeten in jene Schuppen; die Thiere schrieen und bissen sich, die Kärrner fluchten und zankten die ganze Nacht. Auch war Alles recht schmutzig, und die Matte des Estrichs stark bevölkert.
Bei Tagesgrauen stiegen wir am 22. Juni zu Pferde. Der Weg wird hübscher und schattiger; hier und da sieht man den Pei-ho. In der Herberge des Fleckens Ma-tau, der den Anblick grausiger Verwüstung bot, wurde ein kurzer Halt gemacht. Als im Herbst 1860 die Alliirten gegen Pe-kiṅ marschirten, wurde in einem Dorfe der Nachbarschaft auf englische Soldaten geschossen, die auf eigene Hand plünderten. Sir Hope Grant befahl, das Dorf zu zerstören; da aber Niemand dasselbe genau zu bezeichnen wusste, so beschloss der beauftragte Officier, die reichste und beste Ort- schaft der ganzen Gegend einzuäschern. Das unglückliche Loos traf Ma-tau, dessen Verbrennung Tausende harmloser Menschen an den Bettelstab brachte. Englische Officiere nannten nach dem Bericht ihrer eigenen Kameraden9) die Zerstörung dieses Fleckens statt des schuldigen, den man nicht finden konnte, einen der besten Scherze des ganzen Feldzugs, und ein junger Mann von der indi- schen Cavallerie beschrieb mit Enthusiasmus die innige Wollust, mit welcher er die wehrlosen Bewohner gespiesst habe. Das ge- schah vor dem Verrath von Tuṅ-tšau und der Schlacht von Tšaṅ-kia-wan.
Hinter Ma-tau berührt die Strasse den Fluss zum letzten Mal und führt dann durch üppige Felder nach dem Städtchen Tšaṅ-kia-wan, das 1860 nach der Schlacht geplündert wurde. Von hier läuft nach dem Pei-ho ein schmales Rinnsal, das wohl zuweilen aus seinen Ufern tritt; auf trockener Wiese steht eine alte Brücke von schönen Quadern.
Wir frühstückten in Tšaṅ-kia-wan und brachen um halb zwei wieder auf. An den Feldfrüchten merkt man, dass hier die Ebene höher liegt; wir sahen Buchweizen und Soya-Bohnen.
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XV. Ma-tau. Tšaṅ-kia-wan.
Die Truppen der Verbündeten hatten ihn im Herbst 1860 verlassen
gefunden und arg verwüstet; viele Häuser lagen in Trümmern.
— Den grossen Hof unserer Herberge umgaben offene Schuppen,
wo eine Menge Maulthiere standen; mitten darunter schliefen die
Fuhrleute; den Hof füllten ihre Karren. Unser Mahl glich dem in
Yaṅ-sun. Schlaf gab es wenig, denn die Zimmer mündeten in jene
Schuppen; die Thiere schrieen und bissen sich, die Kärrner fluchten
und zankten die ganze Nacht. Auch war Alles recht schmutzig,
und die Matte des Estrichs stark bevölkert.
Bei Tagesgrauen stiegen wir am 22. Juni zu Pferde. Der
Weg wird hübscher und schattiger; hier und da sieht man den
Pei-ho. In der Herberge des Fleckens Ma-tau, der den Anblick
grausiger Verwüstung bot, wurde ein kurzer Halt gemacht. Als im
Herbst 1860 die Alliirten gegen Pe-kiṅ marschirten, wurde in einem
Dorfe der Nachbarschaft auf englische Soldaten geschossen, die auf
eigene Hand plünderten. Sir Hope Grant befahl, das Dorf zu
zerstören; da aber Niemand dasselbe genau zu bezeichnen wusste,
so beschloss der beauftragte Officier, die reichste und beste Ort-
schaft der ganzen Gegend einzuäschern. Das unglückliche Loos
traf Ma-tau, dessen Verbrennung Tausende harmloser Menschen
an den Bettelstab brachte. Englische Officiere nannten nach dem
Bericht ihrer eigenen Kameraden 9) die Zerstörung dieses Fleckens
statt des schuldigen, den man nicht finden konnte, einen der besten
Scherze des ganzen Feldzugs, und ein junger Mann von der indi-
schen Cavallerie beschrieb mit Enthusiasmus die innige Wollust,
mit welcher er die wehrlosen Bewohner gespiesst habe. Das ge-
schah vor dem Verrath von Tuṅ-tšau und der Schlacht von
Tšaṅ-kia-wan.
Hinter Ma-tau berührt die Strasse den Fluss zum letzten
Mal und führt dann durch üppige Felder nach dem Städtchen
Tšaṅ-kia-wan, das 1860 nach der Schlacht geplündert wurde.
Von hier läuft nach dem Pei-ho ein schmales Rinnsal, das wohl
zuweilen aus seinen Ufern tritt; auf trockener Wiese steht eine alte
Brücke von schönen Quadern.
Wir frühstückten in Tšaṅ-kia-wan und brachen um halb
zwei wieder auf. An den Feldfrüchten merkt man, dass hier die
Ebene höher liegt; wir sahen Buchweizen und Soya-Bohnen.
9) S. Rennie, Peking and the Pekingese I. 15.
IV. 4
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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/63>, abgerufen am 15.08.2024.
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