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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Anh. IV. Lage von Shang-hae und Nin-po.

Nun widerstand in dem reichen Küstenlande südlich der
Yan-tse-Mündungen einzig das Gebiet von Shang-hae den Waffen
der Tae-pin. Wie sehr sie danach gelüstete, bewiesen die Demon-
strationen im Frühjahr 1861. Ihre Lage war trotz den Eroberun-
gen im Süden misslich, denn sie konnten weder Nan-kin entsetzen
noch ihre alten Stellungen im Yan-tse-Thal wiedergewinnen.

Nahmen sie Shang-hae, so hörte dort alle Beaufsichtigung
der Fremden durch die Consular-Behörden auf; die Tae-pin konnten
Dampfer und Waffen kaufen, mit denen gewissenlose Speculanten
sie nur zu gern betrogen, und fremde Abenteurer in Menge an sich
ziehen, unter deren Leitung sie die Kaiserlichen geschlagen hätten.
Dass diese Shang-hae ohne Unterstützung der Fremden nicht
halten konnten, lag am Tage; seit dem Staatsstreich in Pe-kin hatte
sich aber deren Stellung zur kaiserlichen Regierung wesentlich ge-
ändert; man hatte die beste Aussicht auf ihre dauernde Freund-
schaft und gewissenhafte Ausführung der Verträge, und Vertrauen
gewonnen zu ihrer Lebenskraft den Tae-pin gegenüber, an deren
Zukunft Niemand mehr glauben konnte. Das einzige Moment ge-
gen thätige Partheinahme für die kaiserliche Regierung war die
Betrachtung, dass die Rebellen viele Wege nach den Thee- und
den Seidenbezirken beherrschten und dem Handel von Shang-hae
starken Abbruch thun konnten. Dagegen stellte sich den fremden
Vertretern die wichtigere Frage, ob die Tae-pin, wenn Shang-hae
ihnen überlassen würde, nicht ihren überall bewiesenen gewalt-
thätigen Despotismus auch gegen die Fremden kehren und deren
gesetzlichen Handel unterdrücken würden.

Nun bot Nin-po ein warnendes Beispiel, wo nach dem Ein-
rücken der Rebellen ausser dem ungesetzlichen Verkauf von Waffen
aller Handel stillstand. Die Stadt blieb ein grosses Kriegslager;
und nachdem der Waffenvorrath erschöpft war, bauten die Tae-
pin
Festungswerke, welche die fremden Consulate und Wohngebäude
bedrohten. Die Consuln sahen dem eine Weile zu und gewannen
bald die Ueberzeugung, dass das Rebellenheer eine jeder Organi-
sation unfähige Räuberbande und die Gemeinde der Fremden in
ernster Gefahr sei.

Bald nach dem Fall von Han-tsau sandte der Rebellen-
General Ho ein drohendes Schreiben an den Commandeur der bri-
tischen Truppen in Shang-hae. "Da wir nun," heisst es darin, "mit
dem Süden fertig sind, so hat der Tsun-wan fünf Heere entsandt,

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Anh. IV. Lage von Shang-hae und Niṅ-po.

Nun widerstand in dem reichen Küstenlande südlich der
Yaṅ-tse-Mündungen einzig das Gebiet von Shang-hae den Waffen
der Tae-piṅ. Wie sehr sie danach gelüstete, bewiesen die Demon-
strationen im Frühjahr 1861. Ihre Lage war trotz den Eroberun-
gen im Süden misslich, denn sie konnten weder Nan-kiṅ entsetzen
noch ihre alten Stellungen im Yaṅ-tse-Thal wiedergewinnen.

Nahmen sie Shang-hae, so hörte dort alle Beaufsichtigung
der Fremden durch die Consular-Behörden auf; die Tae-piṅ konnten
Dampfer und Waffen kaufen, mit denen gewissenlose Speculanten
sie nur zu gern betrogen, und fremde Abenteurer in Menge an sich
ziehen, unter deren Leitung sie die Kaiserlichen geschlagen hätten.
Dass diese Shang-hae ohne Unterstützung der Fremden nicht
halten konnten, lag am Tage; seit dem Staatsstreich in Pe-kiṅ hatte
sich aber deren Stellung zur kaiserlichen Regierung wesentlich ge-
ändert; man hatte die beste Aussicht auf ihre dauernde Freund-
schaft und gewissenhafte Ausführung der Verträge, und Vertrauen
gewonnen zu ihrer Lebenskraft den Tae-piṅ gegenüber, an deren
Zukunft Niemand mehr glauben konnte. Das einzige Moment ge-
gen thätige Partheinahme für die kaiserliche Regierung war die
Betrachtung, dass die Rebellen viele Wege nach den Thee- und
den Seidenbezirken beherrschten und dem Handel von Shang-hae
starken Abbruch thun konnten. Dagegen stellte sich den fremden
Vertretern die wichtigere Frage, ob die Tae-piṅ, wenn Shang-hae
ihnen überlassen würde, nicht ihren überall bewiesenen gewalt-
thätigen Despotismus auch gegen die Fremden kehren und deren
gesetzlichen Handel unterdrücken würden.

Nun bot Niṅ-po ein warnendes Beispiel, wo nach dem Ein-
rücken der Rebellen ausser dem ungesetzlichen Verkauf von Waffen
aller Handel stillstand. Die Stadt blieb ein grosses Kriegslager;
und nachdem der Waffenvorrath erschöpft war, bauten die Tae-
piṅ
Festungswerke, welche die fremden Consulate und Wohngebäude
bedrohten. Die Consuln sahen dem eine Weile zu und gewannen
bald die Ueberzeugung, dass das Rebellenheer eine jeder Organi-
sation unfähige Räuberbande und die Gemeinde der Fremden in
ernster Gefahr sei.

Bald nach dem Fall von Haṅ-tšau sandte der Rebellen-
General Ho ein drohendes Schreiben an den Commandeur der bri-
tischen Truppen in Shang-hae. »Da wir nun,« heisst es darin, »mit
dem Süden fertig sind, so hat der Tšun-waṅ fünf Heere entsandt,

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[403/0417] Anh. IV. Lage von Shang-hae und Niṅ-po. Nun widerstand in dem reichen Küstenlande südlich der Yaṅ-tse-Mündungen einzig das Gebiet von Shang-hae den Waffen der Tae-piṅ. Wie sehr sie danach gelüstete, bewiesen die Demon- strationen im Frühjahr 1861. Ihre Lage war trotz den Eroberun- gen im Süden misslich, denn sie konnten weder Nan-kiṅ entsetzen noch ihre alten Stellungen im Yaṅ-tse-Thal wiedergewinnen. Nahmen sie Shang-hae, so hörte dort alle Beaufsichtigung der Fremden durch die Consular-Behörden auf; die Tae-piṅ konnten Dampfer und Waffen kaufen, mit denen gewissenlose Speculanten sie nur zu gern betrogen, und fremde Abenteurer in Menge an sich ziehen, unter deren Leitung sie die Kaiserlichen geschlagen hätten. Dass diese Shang-hae ohne Unterstützung der Fremden nicht halten konnten, lag am Tage; seit dem Staatsstreich in Pe-kiṅ hatte sich aber deren Stellung zur kaiserlichen Regierung wesentlich ge- ändert; man hatte die beste Aussicht auf ihre dauernde Freund- schaft und gewissenhafte Ausführung der Verträge, und Vertrauen gewonnen zu ihrer Lebenskraft den Tae-piṅ gegenüber, an deren Zukunft Niemand mehr glauben konnte. Das einzige Moment ge- gen thätige Partheinahme für die kaiserliche Regierung war die Betrachtung, dass die Rebellen viele Wege nach den Thee- und den Seidenbezirken beherrschten und dem Handel von Shang-hae starken Abbruch thun konnten. Dagegen stellte sich den fremden Vertretern die wichtigere Frage, ob die Tae-piṅ, wenn Shang-hae ihnen überlassen würde, nicht ihren überall bewiesenen gewalt- thätigen Despotismus auch gegen die Fremden kehren und deren gesetzlichen Handel unterdrücken würden. Nun bot Niṅ-po ein warnendes Beispiel, wo nach dem Ein- rücken der Rebellen ausser dem ungesetzlichen Verkauf von Waffen aller Handel stillstand. Die Stadt blieb ein grosses Kriegslager; und nachdem der Waffenvorrath erschöpft war, bauten die Tae- piṅ Festungswerke, welche die fremden Consulate und Wohngebäude bedrohten. Die Consuln sahen dem eine Weile zu und gewannen bald die Ueberzeugung, dass das Rebellenheer eine jeder Organi- sation unfähige Räuberbande und die Gemeinde der Fremden in ernster Gefahr sei. Bald nach dem Fall von Haṅ-tšau sandte der Rebellen- General Ho ein drohendes Schreiben an den Commandeur der bri- tischen Truppen in Shang-hae. »Da wir nun,« heisst es darin, »mit dem Süden fertig sind, so hat der Tšun-waṅ fünf Heere entsandt, 26*

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/417>, abgerufen am 22.11.2024.