Auf Ersuchen des Admiral Sir James Hope lieferte der Tien- wan eine Anzahl desertirter englischer Seeleute aus, die bei den Tae-pin dienten und zwar keinen Sold, aber sehr viel Branntwein und die Befugniss erhielten, nach Herzenslust zu plündern. -- Die Fremden strebten und hofften noch immer, strenge Neutralität zu bewahren.
Vor Han-tsau, der Hauptstadt von Tse-kian, wurden die Tae-pin im Sommer 1861 zurückgewiesen; sie nahmen aber das nahgelegene wichtige Tsa-pu und erschlugen dessen Tartaren- Garnison. Im Laufe des Spätsommers besetzten der Tsun-wan und der Si-wan alle übrigen Städte dieses Gebietes und drangen gegen Ende November östlich bis in die Nähe von Nin-po vor.
Eine Bedrohung dieses Hafens war in den Abmachungen des Admiral Hope mit den Tae-pin nicht vorgesehen; die fremden Consuln sandten deshalb auf gemeinsamen Beschluss eine Deputa- tion an die beiden Führer der gegen Nin-po detachirten Horden. Zum Rückzug liessen dieselben sich nicht bereden, versprachen aber mündlich und schriftlich die Erfüllung aller von den Consuln geäusserten Wünsche, Respectirung der Missionen und aller Besitz- thümer der Fremden, Vermeidung unnützen Blutvergiessens und strenge Mannszucht. Die Consuln mussten für strenge Neutralität ihrer Landsleute bürgen, erwirkten aber für den Angriff einen Auf- schub von acht Tagen.
Nach Ablauf dieser Frist besetzten die Insurgenten Nin-po fast ohne Widerstand; die Garnison schien völlig gelähmt. Alle bemittelten Einwohner waren geflohen. Den Fremden hielten die Tae-pin-Führer ihr Versprechen: einige Krieger, die aus Wohnun- gen der Missionare Kleinigkeiten stahlen, wurden schleunig ge- köpft. Die Bevölkerung wurde durch Maueranschlag unter dem Versprechen voller Sicherheit zur Rückkehr aufgefordert, der Han- delsverkehr aber nur in den Vorstädten erlaubt, der Mauerumkreis stark befestigt.
Der Tsun-wan hatte im Laufe des Spätsommers Han-tsau mehrmals vergebens berannt und endlich beschlossen, die volk- reiche Stadt auszuhungern: am 29. December 1861 öffneten die Be- wohner ihre Thore; gegen 500,000 Rebellen sollen sich in die Stadt gestürzt, des Mordens kein Ende gefunden haben. Ein Theil der Mandschu-Garnison sprengte sich in die Luft; die Stadtgräben füllten Zehntausende von Leichen.
Niṅ-po und Haṅ-tšau genommen. Anh. IV.
Auf Ersuchen des Admiral Sir James Hope lieferte der Tien- waṅ eine Anzahl desertirter englischer Seeleute aus, die bei den Tae-piṅ dienten und zwar keinen Sold, aber sehr viel Branntwein und die Befugniss erhielten, nach Herzenslust zu plündern. — Die Fremden strebten und hofften noch immer, strenge Neutralität zu bewahren.
Vor Haṅ-tšau, der Hauptstadt von Tše-kiaṅ, wurden die Tae-piṅ im Sommer 1861 zurückgewiesen; sie nahmen aber das nahgelegene wichtige Tša-pu und erschlugen dessen Tartaren- Garnison. Im Laufe des Spätsommers besetzten der Tšun-waṅ und der Ši-waṅ alle übrigen Städte dieses Gebietes und drangen gegen Ende November östlich bis in die Nähe von Niṅ-po vor.
Eine Bedrohung dieses Hafens war in den Abmachungen des Admiral Hope mit den Tae-piṅ nicht vorgesehen; die fremden Consuln sandten deshalb auf gemeinsamen Beschluss eine Deputa- tion an die beiden Führer der gegen Niṅ-po detachirten Horden. Zum Rückzug liessen dieselben sich nicht bereden, versprachen aber mündlich und schriftlich die Erfüllung aller von den Consuln geäusserten Wünsche, Respectirung der Missionen und aller Besitz- thümer der Fremden, Vermeidung unnützen Blutvergiessens und strenge Mannszucht. Die Consuln mussten für strenge Neutralität ihrer Landsleute bürgen, erwirkten aber für den Angriff einen Auf- schub von acht Tagen.
Nach Ablauf dieser Frist besetzten die Insurgenten Niṅ-po fast ohne Widerstand; die Garnison schien völlig gelähmt. Alle bemittelten Einwohner waren geflohen. Den Fremden hielten die Tae-piṅ-Führer ihr Versprechen: einige Krieger, die aus Wohnun- gen der Missionare Kleinigkeiten stahlen, wurden schleunig ge- köpft. Die Bevölkerung wurde durch Maueranschlag unter dem Versprechen voller Sicherheit zur Rückkehr aufgefordert, der Han- delsverkehr aber nur in den Vorstädten erlaubt, der Mauerumkreis stark befestigt.
Der Tšun-waṅ hatte im Laufe des Spätsommers Haṅ-tšau mehrmals vergebens berannt und endlich beschlossen, die volk- reiche Stadt auszuhungern: am 29. December 1861 öffneten die Be- wohner ihre Thore; gegen 500,000 Rebellen sollen sich in die Stadt gestürzt, des Mordens kein Ende gefunden haben. Ein Theil der Mandschu-Garnison sprengte sich in die Luft; die Stadtgräben füllten Zehntausende von Leichen.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0416"n="402"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#k"><placeName>Niṅ-po</placeName></hi> und <hirendition="#k"><placeName>Haṅ-tšau</placeName></hi> genommen. Anh. IV.</fw><lb/><p>Auf Ersuchen des Admiral Sir <persNameref="nognd">James Hope</persName> lieferte der <hirendition="#k"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118967266">Tien-<lb/>
waṅ</persName></hi> eine Anzahl desertirter englischer Seeleute aus, die bei den<lb/><hirendition="#k">Tae-piṅ</hi> dienten und zwar keinen Sold, aber sehr viel Branntwein<lb/>
und die Befugniss erhielten, nach Herzenslust zu plündern. — Die<lb/>
Fremden strebten und hofften noch immer, strenge Neutralität zu<lb/>
bewahren.</p><lb/><p>Vor <hirendition="#k"><placeName>Haṅ-tšau</placeName></hi>, der Hauptstadt von <hirendition="#k"><placeName>Tše-kiaṅ</placeName></hi>, wurden die<lb/><hirendition="#k">Tae-piṅ</hi> im Sommer 1861 zurückgewiesen; sie nahmen aber das<lb/>
nahgelegene wichtige <hirendition="#k"><placeName>Tša-pu</placeName></hi> und erschlugen dessen Tartaren-<lb/>
Garnison. Im Laufe des Spätsommers besetzten der <hirendition="#k"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/119035375">Tšun-waṅ</persName></hi><lb/>
und der <hirendition="#k"><persNameref="nognd">Ši-waṅ</persName></hi> alle übrigen Städte dieses Gebietes und drangen<lb/>
gegen Ende November östlich bis in die Nähe von <hirendition="#k"><placeName>Niṅ-po</placeName></hi> vor.</p><lb/><p>Eine Bedrohung dieses Hafens war in den Abmachungen<lb/>
des Admiral <persNameref="nognd">Hope</persName> mit den <hirendition="#k">Tae-piṅ</hi> nicht vorgesehen; die fremden<lb/>
Consuln sandten deshalb auf gemeinsamen Beschluss eine Deputa-<lb/>
tion an die beiden Führer der gegen <hirendition="#k"><placeName>Niṅ-po</placeName></hi> detachirten Horden.<lb/>
Zum Rückzug liessen dieselben sich nicht bereden, versprachen<lb/>
aber mündlich und schriftlich die Erfüllung aller von den Consuln<lb/>
geäusserten Wünsche, Respectirung der Missionen und aller Besitz-<lb/>
thümer der Fremden, Vermeidung unnützen Blutvergiessens und<lb/>
strenge Mannszucht. Die Consuln mussten für strenge Neutralität<lb/>
ihrer Landsleute bürgen, erwirkten aber für den Angriff einen Auf-<lb/>
schub von acht Tagen.</p><lb/><p>Nach Ablauf dieser Frist besetzten die Insurgenten <hirendition="#k"><placeName>Niṅ-po</placeName></hi><lb/>
fast ohne Widerstand; die Garnison schien völlig gelähmt. Alle<lb/>
bemittelten Einwohner waren geflohen. Den Fremden hielten die<lb/><hirendition="#k">Tae-piṅ</hi>-Führer ihr Versprechen: einige Krieger, die aus Wohnun-<lb/>
gen der Missionare Kleinigkeiten stahlen, wurden schleunig ge-<lb/>
köpft. Die Bevölkerung wurde durch Maueranschlag unter dem<lb/>
Versprechen voller Sicherheit zur Rückkehr aufgefordert, der Han-<lb/>
delsverkehr aber nur in den Vorstädten erlaubt, der Mauerumkreis<lb/>
stark befestigt.</p><lb/><p>Der <hirendition="#k"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/119035375">Tšun-waṅ</persName></hi> hatte im Laufe des Spätsommers <hirendition="#k"><placeName>Haṅ-tšau</placeName></hi><lb/>
mehrmals vergebens berannt und endlich beschlossen, die volk-<lb/>
reiche Stadt auszuhungern: am 29. December 1861 öffneten die Be-<lb/>
wohner ihre Thore; gegen 500,000 Rebellen sollen sich in die Stadt<lb/>
gestürzt, des Mordens kein Ende gefunden haben. Ein Theil der<lb/>
Mandschu-Garnison sprengte sich in die Luft; die Stadtgräben füllten<lb/>
Zehntausende von Leichen.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[402/0416]
Niṅ-po und Haṅ-tšau genommen. Anh. IV.
Auf Ersuchen des Admiral Sir James Hope lieferte der Tien-
waṅ eine Anzahl desertirter englischer Seeleute aus, die bei den
Tae-piṅ dienten und zwar keinen Sold, aber sehr viel Branntwein
und die Befugniss erhielten, nach Herzenslust zu plündern. — Die
Fremden strebten und hofften noch immer, strenge Neutralität zu
bewahren.
Vor Haṅ-tšau, der Hauptstadt von Tše-kiaṅ, wurden die
Tae-piṅ im Sommer 1861 zurückgewiesen; sie nahmen aber das
nahgelegene wichtige Tša-pu und erschlugen dessen Tartaren-
Garnison. Im Laufe des Spätsommers besetzten der Tšun-waṅ
und der Ši-waṅ alle übrigen Städte dieses Gebietes und drangen
gegen Ende November östlich bis in die Nähe von Niṅ-po vor.
Eine Bedrohung dieses Hafens war in den Abmachungen
des Admiral Hope mit den Tae-piṅ nicht vorgesehen; die fremden
Consuln sandten deshalb auf gemeinsamen Beschluss eine Deputa-
tion an die beiden Führer der gegen Niṅ-po detachirten Horden.
Zum Rückzug liessen dieselben sich nicht bereden, versprachen
aber mündlich und schriftlich die Erfüllung aller von den Consuln
geäusserten Wünsche, Respectirung der Missionen und aller Besitz-
thümer der Fremden, Vermeidung unnützen Blutvergiessens und
strenge Mannszucht. Die Consuln mussten für strenge Neutralität
ihrer Landsleute bürgen, erwirkten aber für den Angriff einen Auf-
schub von acht Tagen.
Nach Ablauf dieser Frist besetzten die Insurgenten Niṅ-po
fast ohne Widerstand; die Garnison schien völlig gelähmt. Alle
bemittelten Einwohner waren geflohen. Den Fremden hielten die
Tae-piṅ-Führer ihr Versprechen: einige Krieger, die aus Wohnun-
gen der Missionare Kleinigkeiten stahlen, wurden schleunig ge-
köpft. Die Bevölkerung wurde durch Maueranschlag unter dem
Versprechen voller Sicherheit zur Rückkehr aufgefordert, der Han-
delsverkehr aber nur in den Vorstädten erlaubt, der Mauerumkreis
stark befestigt.
Der Tšun-waṅ hatte im Laufe des Spätsommers Haṅ-tšau
mehrmals vergebens berannt und endlich beschlossen, die volk-
reiche Stadt auszuhungern: am 29. December 1861 öffneten die Be-
wohner ihre Thore; gegen 500,000 Rebellen sollen sich in die Stadt
gestürzt, des Mordens kein Ende gefunden haben. Ein Theil der
Mandschu-Garnison sprengte sich in die Luft; die Stadtgräben füllten
Zehntausende von Leichen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/416>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.