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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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König Maha-monkut. XXII.
Eulenburg, der sie besonders lieb gewonnen hatte, einen rührenden
Brief über ihren kurzen Lebenslauf.

Leidenschaftlicher Jähzorn scheint nur allzuoft die besseren
Gefühle des Königs übermannt zu haben; die Frauen seines Harem
mussten vorzüglich darunter leiden. Ihre Zahl belief sich auf
mehrere Hunderte. Jede, auch die vornehmste Familie des Landes
und der abhängigen Nachbarstämme rechnet es sich zur höchsten
Ehre, ihre Töchter in des Königs Harem aufgenommen zu sehen;
Maha-monkut hatte ausserdem Heiraths-Agenten in verschiedenen
Städten von China und Bengalen, die ihn reichlich versahen; sein
sehnlichster Wunsch war aber, eine Engländerin von guter Familie
zu besitzen; er soll dafür grosse Schätze geboten haben, erhielt
auch von seinen Agenten viele Photographieen und wurde um nam-
hafte Summen geprellt; die Originale trafen aber niemals ein. Da-
gegen wünschten, nach Aeusserungen der englischen Gouvernante,
die ihre Briefe und Photographieen sah, etwa zwanzig Französinnen
in das Harem einzutreten, wurden aber abgewiesen, da der König
gallosiamesische Erben fürchtete.

Das tägliche Leben der Harem-Damen und ihrer zahlreichen
Dienerinnen soll ganz vergnüglich sein; sie haben schöne Gärten, wo
sie mit ihren Kindern lustwandeln, Blumen pflücken, Kränze
winden, die Vögel in den Volieren füttern, musiciren, tanzen und
baden; sie lassen sich von Sclavinnen vorlesen, spielen Schach,
Trictrac, Würfel und Karten, oft, wie es scheint, um hohe Summen.
Die Kinder haben, wie bei uns, das mannigfaltigste Spielzeug, und
vollziehen z. B. an ihren Puppen mit grossem Ernst die Ceremonie
der Haarbeschneidung.

Der Fluch des Harem war des Königs despotische Laune,
vor deren vernichtendem Wink man beständig zitterte. Mrs. Leo-
nowens
erlebte, dass er die Tochter eines peguanischen Fürsten
und andere Frauen aus geringem Anlass in Gegenwart ihrer Kinder
von den Amazonen peitschen, dann in finstere Kerker werfen liess.
Solche Wuthausbrüche wurden nicht etwa durch den Verdacht der
Untreue, sondern durch Vergehen wie hohes Spiel, oft auch durch
unschuldige Bitten hervorgerufen, die des Königs Laune verletzten. --
Unter sich und mit ihren älteren Aufseherinnen und Ehrendamen
sollen die Frauen in schwesterlicher Eintracht gelebt haben.

Nicht nur von den königlichen Frauen, sondern auch von
deren Dienerinnen wird die strengste Keuschheit verlangt; auf jeden

König Maha-moṅkut. XXII.
Eulenburg, der sie besonders lieb gewonnen hatte, einen rührenden
Brief über ihren kurzen Lebenslauf.

Leidenschaftlicher Jähzorn scheint nur allzuoft die besseren
Gefühle des Königs übermannt zu haben; die Frauen seines Harem
mussten vorzüglich darunter leiden. Ihre Zahl belief sich auf
mehrere Hunderte. Jede, auch die vornehmste Familie des Landes
und der abhängigen Nachbarstämme rechnet es sich zur höchsten
Ehre, ihre Töchter in des Königs Harem aufgenommen zu sehen;
Maha-moṅkut hatte ausserdem Heiraths-Agenten in verschiedenen
Städten von China und Bengalen, die ihn reichlich versahen; sein
sehnlichster Wunsch war aber, eine Engländerin von guter Familie
zu besitzen; er soll dafür grosse Schätze geboten haben, erhielt
auch von seinen Agenten viele Photographieen und wurde um nam-
hafte Summen geprellt; die Originale trafen aber niemals ein. Da-
gegen wünschten, nach Aeusserungen der englischen Gouvernante,
die ihre Briefe und Photographieen sah, etwa zwanzig Französinnen
in das Harem einzutreten, wurden aber abgewiesen, da der König
gallosiamesische Erben fürchtete.

Das tägliche Leben der Harem-Damen und ihrer zahlreichen
Dienerinnen soll ganz vergnüglich sein; sie haben schöne Gärten, wo
sie mit ihren Kindern lustwandeln, Blumen pflücken, Kränze
winden, die Vögel in den Volièren füttern, musiciren, tanzen und
baden; sie lassen sich von Sclavinnen vorlesen, spielen Schach,
Trictrac, Würfel und Karten, oft, wie es scheint, um hohe Summen.
Die Kinder haben, wie bei uns, das mannigfaltigste Spielzeug, und
vollziehen z. B. an ihren Puppen mit grossem Ernst die Ceremonie
der Haarbeschneidung.

Der Fluch des Harem war des Königs despotische Laune,
vor deren vernichtendem Wink man beständig zitterte. Mrs. Leo-
nowens
erlebte, dass er die Tochter eines peguanischen Fürsten
und andere Frauen aus geringem Anlass in Gegenwart ihrer Kinder
von den Amazonen peitschen, dann in finstere Kerker werfen liess.
Solche Wuthausbrüche wurden nicht etwa durch den Verdacht der
Untreue, sondern durch Vergehen wie hohes Spiel, oft auch durch
unschuldige Bitten hervorgerufen, die des Königs Laune verletzten. —
Unter sich und mit ihren älteren Aufseherinnen und Ehrendamen
sollen die Frauen in schwesterlicher Eintracht gelebt haben.

Nicht nur von den königlichen Frauen, sondern auch von
deren Dienerinnen wird die strengste Keuschheit verlangt; auf jeden

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[338/0352] König Maha-moṅkut. XXII. Eulenburg, der sie besonders lieb gewonnen hatte, einen rührenden Brief über ihren kurzen Lebenslauf. Leidenschaftlicher Jähzorn scheint nur allzuoft die besseren Gefühle des Königs übermannt zu haben; die Frauen seines Harem mussten vorzüglich darunter leiden. Ihre Zahl belief sich auf mehrere Hunderte. Jede, auch die vornehmste Familie des Landes und der abhängigen Nachbarstämme rechnet es sich zur höchsten Ehre, ihre Töchter in des Königs Harem aufgenommen zu sehen; Maha-moṅkut hatte ausserdem Heiraths-Agenten in verschiedenen Städten von China und Bengalen, die ihn reichlich versahen; sein sehnlichster Wunsch war aber, eine Engländerin von guter Familie zu besitzen; er soll dafür grosse Schätze geboten haben, erhielt auch von seinen Agenten viele Photographieen und wurde um nam- hafte Summen geprellt; die Originale trafen aber niemals ein. Da- gegen wünschten, nach Aeusserungen der englischen Gouvernante, die ihre Briefe und Photographieen sah, etwa zwanzig Französinnen in das Harem einzutreten, wurden aber abgewiesen, da der König gallosiamesische Erben fürchtete. Das tägliche Leben der Harem-Damen und ihrer zahlreichen Dienerinnen soll ganz vergnüglich sein; sie haben schöne Gärten, wo sie mit ihren Kindern lustwandeln, Blumen pflücken, Kränze winden, die Vögel in den Volièren füttern, musiciren, tanzen und baden; sie lassen sich von Sclavinnen vorlesen, spielen Schach, Trictrac, Würfel und Karten, oft, wie es scheint, um hohe Summen. Die Kinder haben, wie bei uns, das mannigfaltigste Spielzeug, und vollziehen z. B. an ihren Puppen mit grossem Ernst die Ceremonie der Haarbeschneidung. Der Fluch des Harem war des Königs despotische Laune, vor deren vernichtendem Wink man beständig zitterte. Mrs. Leo- nowens erlebte, dass er die Tochter eines peguanischen Fürsten und andere Frauen aus geringem Anlass in Gegenwart ihrer Kinder von den Amazonen peitschen, dann in finstere Kerker werfen liess. Solche Wuthausbrüche wurden nicht etwa durch den Verdacht der Untreue, sondern durch Vergehen wie hohes Spiel, oft auch durch unschuldige Bitten hervorgerufen, die des Königs Laune verletzten. — Unter sich und mit ihren älteren Aufseherinnen und Ehrendamen sollen die Frauen in schwesterlicher Eintracht gelebt haben. Nicht nur von den königlichen Frauen, sondern auch von deren Dienerinnen wird die strengste Keuschheit verlangt; auf jeden

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/352>, abgerufen am 23.11.2024.