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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XXII. König Maha-monkut.
thätige Einwirkung auf die Gesetze der Natur. Ueber die Klarheit
und Berechtigung dieser Anschauungen soll hier nicht abgesprochen
werden; sie zeugen wenigstens von selbstständigem Denken und
Streben nach Wahrheit. -- Maha-monkut schätzte die ethischen
Grundlagen des Christenthumes, verlachte aber die historischen,
und erwiederte einst in komischem Eifer einem americanischen
Missionar, der ihn bekehren wollte: "I hate the bible mostly." --
Einem anderen sagte er: "Ihr dürft nicht glauben, dass Einer von
uns jemals Christ wird, denn wir können keine Religion annehmen,
die wir für albern halten." Die göttliche Natur Christi, das gött-
liche Wunder der Empfängniss, durch welches das alle Formen
des animalischen und vegetabilischen Lebens durchdringende Ge-
setz der Zeugung als unheilig gebrandmarkt werde, waren ihm
Gräuel. Viel grösser als der christliche Gott-Heiland schien
ihm Budda, weil er aus menschlicher Kraft im eigenen Her-
zen nach der reinsten Menschlichkeit strebte, die nur eine Form
der Göttlichkeit sei; weil er durch fromme Betrachtung die
menschlichen Leidenschaften überwunden und göttliche Weisheit
erlangt habe.

Auf des Königs Charakter scheinen seine Ueberzeugungen
wenig Einfluss geübt zu haben; Mrs. Leonowens schildert ihn als
launischen, selbstsüchtigen Tyrannen, der an reine Gesinnung nicht
glaubte, jeden Menschen für käuflich hielt und seine Zwecke auf
jede Weise zu erreichen suchte. Tugend und Ehrlichkeit seien
Chimären, die Richtschnur des reinen Bewusstseins verfolge kein
Mensch, Geld sei das einzige Streben; das waren die ausgesproche-
nen Ansichten des von kriechenden Sclaven umgebenen Despoten,
auf dessen Schätze Tausende speculirten. Mrs. Leonowens gesteht
aber, dass er gegen Leute, die ihm Achtung einflössten, redlicher
war als seine Grundsätze, dass er oft in wichtigen Fällen die Tiefe
des Verstandes, Klarheit des Urtheils und den echten Edelmuth
practisch bewies, die seine ethischen Theorieen bedingten. Seine
Kinder, -- Mrs. Leonowens, die, wie gesagt, kurz nach unserer
Abreise kam, fand schon siebenundsechzig vor, -- behandelte der
König beständig mit der äussersten Zärtlichkeit, und spielte mit
ihnen, als ob er selbst eines wäre. Die älteste legitime Prinzessin,
ein auffallend schönes Mädchen mit sanften träumerischen Augen
war sein auserwählter Liebling; als sie im Mai 1863 wenig über
acht Jahre alt an der Cholera starb, schrieb der König an Graf

IV. 22

XXII. König Maha-moṅkut.
thätige Einwirkung auf die Gesetze der Natur. Ueber die Klarheit
und Berechtigung dieser Anschauungen soll hier nicht abgesprochen
werden; sie zeugen wenigstens von selbstständigem Denken und
Streben nach Wahrheit. — Maha-moṅkut schätzte die ethischen
Grundlagen des Christenthumes, verlachte aber die historischen,
und erwiederte einst in komischem Eifer einem americanischen
Missionar, der ihn bekehren wollte: »I hate the bible mostly.« —
Einem anderen sagte er: »Ihr dürft nicht glauben, dass Einer von
uns jemals Christ wird, denn wir können keine Religion annehmen,
die wir für albern halten.« Die göttliche Natur Christi, das gött-
liche Wunder der Empfängniss, durch welches das alle Formen
des animalischen und vegetabilischen Lebens durchdringende Ge-
setz der Zeugung als unheilig gebrandmarkt werde, waren ihm
Gräuel. Viel grösser als der christliche Gott-Heiland schien
ihm Budda, weil er aus menschlicher Kraft im eigenen Her-
zen nach der reinsten Menschlichkeit strebte, die nur eine Form
der Göttlichkeit sei; weil er durch fromme Betrachtung die
menschlichen Leidenschaften überwunden und göttliche Weisheit
erlangt habe.

Auf des Königs Charakter scheinen seine Ueberzeugungen
wenig Einfluss geübt zu haben; Mrs. Leonowens schildert ihn als
launischen, selbstsüchtigen Tyrannen, der an reine Gesinnung nicht
glaubte, jeden Menschen für käuflich hielt und seine Zwecke auf
jede Weise zu erreichen suchte. Tugend und Ehrlichkeit seien
Chimären, die Richtschnur des reinen Bewusstseins verfolge kein
Mensch, Geld sei das einzige Streben; das waren die ausgesproche-
nen Ansichten des von kriechenden Sclaven umgebenen Despoten,
auf dessen Schätze Tausende speculirten. Mrs. Leonowens gesteht
aber, dass er gegen Leute, die ihm Achtung einflössten, redlicher
war als seine Grundsätze, dass er oft in wichtigen Fällen die Tiefe
des Verstandes, Klarheit des Urtheils und den echten Edelmuth
practisch bewies, die seine ethischen Theorieen bedingten. Seine
Kinder, — Mrs. Leonowens, die, wie gesagt, kurz nach unserer
Abreise kam, fand schon siebenundsechzig vor, — behandelte der
König beständig mit der äussersten Zärtlichkeit, und spielte mit
ihnen, als ob er selbst eines wäre. Die älteste legitime Prinzessin,
ein auffallend schönes Mädchen mit sanften träumerischen Augen
war sein auserwählter Liebling; als sie im Mai 1863 wenig über
acht Jahre alt an der Cholera starb, schrieb der König an Graf

IV. 22
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[337/0351] XXII. König Maha-moṅkut. thätige Einwirkung auf die Gesetze der Natur. Ueber die Klarheit und Berechtigung dieser Anschauungen soll hier nicht abgesprochen werden; sie zeugen wenigstens von selbstständigem Denken und Streben nach Wahrheit. — Maha-moṅkut schätzte die ethischen Grundlagen des Christenthumes, verlachte aber die historischen, und erwiederte einst in komischem Eifer einem americanischen Missionar, der ihn bekehren wollte: »I hate the bible mostly.« — Einem anderen sagte er: »Ihr dürft nicht glauben, dass Einer von uns jemals Christ wird, denn wir können keine Religion annehmen, die wir für albern halten.« Die göttliche Natur Christi, das gött- liche Wunder der Empfängniss, durch welches das alle Formen des animalischen und vegetabilischen Lebens durchdringende Ge- setz der Zeugung als unheilig gebrandmarkt werde, waren ihm Gräuel. Viel grösser als der christliche Gott-Heiland schien ihm Budda, weil er aus menschlicher Kraft im eigenen Her- zen nach der reinsten Menschlichkeit strebte, die nur eine Form der Göttlichkeit sei; weil er durch fromme Betrachtung die menschlichen Leidenschaften überwunden und göttliche Weisheit erlangt habe. Auf des Königs Charakter scheinen seine Ueberzeugungen wenig Einfluss geübt zu haben; Mrs. Leonowens schildert ihn als launischen, selbstsüchtigen Tyrannen, der an reine Gesinnung nicht glaubte, jeden Menschen für käuflich hielt und seine Zwecke auf jede Weise zu erreichen suchte. Tugend und Ehrlichkeit seien Chimären, die Richtschnur des reinen Bewusstseins verfolge kein Mensch, Geld sei das einzige Streben; das waren die ausgesproche- nen Ansichten des von kriechenden Sclaven umgebenen Despoten, auf dessen Schätze Tausende speculirten. Mrs. Leonowens gesteht aber, dass er gegen Leute, die ihm Achtung einflössten, redlicher war als seine Grundsätze, dass er oft in wichtigen Fällen die Tiefe des Verstandes, Klarheit des Urtheils und den echten Edelmuth practisch bewies, die seine ethischen Theorieen bedingten. Seine Kinder, — Mrs. Leonowens, die, wie gesagt, kurz nach unserer Abreise kam, fand schon siebenundsechzig vor, — behandelte der König beständig mit der äussersten Zärtlichkeit, und spielte mit ihnen, als ob er selbst eines wäre. Die älteste legitime Prinzessin, ein auffallend schönes Mädchen mit sanften träumerischen Augen war sein auserwählter Liebling; als sie im Mai 1863 wenig über acht Jahre alt an der Cholera starb, schrieb der König an Graf IV. 22

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/351>, abgerufen am 23.11.2024.