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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XXII. König Maha-monkut.
Fehltritt steht selbst bei letzteren der Tod. Sir Robert Schomburgk
äusserte sich einst bei einem Aufzuge gegen einen vornehmen
Siamesen beifällig über die Art, wie eine junge Hofdame zu Pferde
sass. Wenige Wochen darauf erhielt er eine Zuschrift von unbe-
kannter Hand: er möge beim König für jenes Mädchen interce-
diren, um ihr Leben zu retten. Sie hatte, in eine Hofintrigue ver-
wickelt, wiederholt mit einem verheiratheten Manne geheime Be-
sprechungen; eines Tages wurde ein Zettel bei ihr gefunden, in
welchem Jener sie zu einer Zusammenkunft bestellte. Das zum
Tode verurtheilte Mädchen begnadigte der König zwar zu einer
Gefängnissstrafe; ihr Mitschuldiger aber und sogar dessen Frau
wurden enthauptet.

Der Beifall der Fremden war dem König Bedürfniss; er las
jede in Singapore erscheinende Zeitung, schrieb, wenn er darin ge-
tadelt wurde, geharnischte Antworten und liess sie sofort im Pa-
laste drucken. Sein heissester Wunsch war Beherrschung des
Englischen; er lernte den ganzen Webster auswendig, ohne doch
den Geist der Sprache zu erfassen. Oft liess er mitten in der Nacht
den englischen Consul oder einen der Missionare wecken und in
höchster Eile zu sich bescheiden, um über diesen und jenen eng-
lischen Ausdruck zu fragen, welcher vorzuziehen wäre; entschied
sich der Gefragte für den einfacheren oder tadelte den geschraubten,
so entliess ihn der König mit verächtlichem Mitleid. Der Ruhm
der Gelehrsamkeit und geistigen Verfeinerung ging ihm über Alles;
in seiner eigenen Sprache, dem Pali, Sanskrit und ihrer Literatur
soll er umfassende Kenntnisse gehabt haben; die englische Ortho-
graphie asiatischer Namen reizte ihn zum höchsten Zorn. -- In
anderen Disciplinen scheint er eine Art Vielwisser gewesen zu sein.

Früh um fünf Uhr pflegte der König aufzustehn und ein
leichtes Frühstück zu nehmen, das die Damen der Nachtwache ihm
auftrugen. Dann stieg er mit seinen Schwestern und älteren Kin-
dern in eine Halle hinab, von wo ein langer mattenbelegter Gang
bis zu einem der Palastthore führte. Am Ende der Matte setzte
sich der König; zunächst zu seiner Linken sassen die älteren Kin-
der, dann die Schwestern des Königs, die Frauen des Harem, deren
Hofdamen und Dienerinnen, jede mit einer silbernen Schüssel voll
gekochtem Reis, Früchten, Kuchen, auch frischen Betelblättern und
Cigarren vor sich. Nun öffnete sich das "Thor des Verdienstes",
die Amazonengarde marschirte herein und bildete Spalier, durch

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XXII. König Maha-moṅkut.
Fehltritt steht selbst bei letzteren der Tod. Sir Robert Schomburgk
äusserte sich einst bei einem Aufzuge gegen einen vornehmen
Siamesen beifällig über die Art, wie eine junge Hofdame zu Pferde
sass. Wenige Wochen darauf erhielt er eine Zuschrift von unbe-
kannter Hand: er möge beim König für jenes Mädchen interce-
diren, um ihr Leben zu retten. Sie hatte, in eine Hofintrigue ver-
wickelt, wiederholt mit einem verheiratheten Manne geheime Be-
sprechungen; eines Tages wurde ein Zettel bei ihr gefunden, in
welchem Jener sie zu einer Zusammenkunft bestellte. Das zum
Tode verurtheilte Mädchen begnadigte der König zwar zu einer
Gefängnissstrafe; ihr Mitschuldiger aber und sogar dessen Frau
wurden enthauptet.

Der Beifall der Fremden war dem König Bedürfniss; er las
jede in Singapore erscheinende Zeitung, schrieb, wenn er darin ge-
tadelt wurde, geharnischte Antworten und liess sie sofort im Pa-
laste drucken. Sein heissester Wunsch war Beherrschung des
Englischen; er lernte den ganzen Webster auswendig, ohne doch
den Geist der Sprache zu erfassen. Oft liess er mitten in der Nacht
den englischen Consul oder einen der Missionare wecken und in
höchster Eile zu sich bescheiden, um über diesen und jenen eng-
lischen Ausdruck zu fragen, welcher vorzuziehen wäre; entschied
sich der Gefragte für den einfacheren oder tadelte den geschraubten,
so entliess ihn der König mit verächtlichem Mitleid. Der Ruhm
der Gelehrsamkeit und geistigen Verfeinerung ging ihm über Alles;
in seiner eigenen Sprache, dem Pali, Sanskrit und ihrer Literatur
soll er umfassende Kenntnisse gehabt haben; die englische Ortho-
graphie asiatischer Namen reizte ihn zum höchsten Zorn. — In
anderen Disciplinen scheint er eine Art Vielwisser gewesen zu sein.

Früh um fünf Uhr pflegte der König aufzustehn und ein
leichtes Frühstück zu nehmen, das die Damen der Nachtwache ihm
auftrugen. Dann stieg er mit seinen Schwestern und älteren Kin-
dern in eine Halle hinab, von wo ein langer mattenbelegter Gang
bis zu einem der Palastthore führte. Am Ende der Matte setzte
sich der König; zunächst zu seiner Linken sassen die älteren Kin-
der, dann die Schwestern des Königs, die Frauen des Harem, deren
Hofdamen und Dienerinnen, jede mit einer silbernen Schüssel voll
gekochtem Reis, Früchten, Kuchen, auch frischen Betelblättern und
Cigarren vor sich. Nun öffnete sich das »Thor des Verdienstes«,
die Amazonengarde marschirte herein und bildete Spalier, durch

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[339/0353] XXII. König Maha-moṅkut. Fehltritt steht selbst bei letzteren der Tod. Sir Robert Schomburgk äusserte sich einst bei einem Aufzuge gegen einen vornehmen Siamesen beifällig über die Art, wie eine junge Hofdame zu Pferde sass. Wenige Wochen darauf erhielt er eine Zuschrift von unbe- kannter Hand: er möge beim König für jenes Mädchen interce- diren, um ihr Leben zu retten. Sie hatte, in eine Hofintrigue ver- wickelt, wiederholt mit einem verheiratheten Manne geheime Be- sprechungen; eines Tages wurde ein Zettel bei ihr gefunden, in welchem Jener sie zu einer Zusammenkunft bestellte. Das zum Tode verurtheilte Mädchen begnadigte der König zwar zu einer Gefängnissstrafe; ihr Mitschuldiger aber und sogar dessen Frau wurden enthauptet. Der Beifall der Fremden war dem König Bedürfniss; er las jede in Singapore erscheinende Zeitung, schrieb, wenn er darin ge- tadelt wurde, geharnischte Antworten und liess sie sofort im Pa- laste drucken. Sein heissester Wunsch war Beherrschung des Englischen; er lernte den ganzen Webster auswendig, ohne doch den Geist der Sprache zu erfassen. Oft liess er mitten in der Nacht den englischen Consul oder einen der Missionare wecken und in höchster Eile zu sich bescheiden, um über diesen und jenen eng- lischen Ausdruck zu fragen, welcher vorzuziehen wäre; entschied sich der Gefragte für den einfacheren oder tadelte den geschraubten, so entliess ihn der König mit verächtlichem Mitleid. Der Ruhm der Gelehrsamkeit und geistigen Verfeinerung ging ihm über Alles; in seiner eigenen Sprache, dem Pali, Sanskrit und ihrer Literatur soll er umfassende Kenntnisse gehabt haben; die englische Ortho- graphie asiatischer Namen reizte ihn zum höchsten Zorn. — In anderen Disciplinen scheint er eine Art Vielwisser gewesen zu sein. Früh um fünf Uhr pflegte der König aufzustehn und ein leichtes Frühstück zu nehmen, das die Damen der Nachtwache ihm auftrugen. Dann stieg er mit seinen Schwestern und älteren Kin- dern in eine Halle hinab, von wo ein langer mattenbelegter Gang bis zu einem der Palastthore führte. Am Ende der Matte setzte sich der König; zunächst zu seiner Linken sassen die älteren Kin- der, dann die Schwestern des Königs, die Frauen des Harem, deren Hofdamen und Dienerinnen, jede mit einer silbernen Schüssel voll gekochtem Reis, Früchten, Kuchen, auch frischen Betelblättern und Cigarren vor sich. Nun öffnete sich das »Thor des Verdienstes«, die Amazonengarde marschirte herein und bildete Spalier, durch 22*

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/353>, abgerufen am 23.11.2024.