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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XXII. Der Zweite König.

Zur Unterhaltung zeigte der König dem Gesandten eine
Sammlung europäischer Schiessgewehre, deren Construction er sehr
genau kannte: eine von der Königin Victoria geschenkte Muskete,
eine Büchse vom Kaiser Napoleon, Zündnadel-, Minie- und Lan-
caster-Büchsen, Revolver der verschiedensten Art, Lefaucheux-
Jagdflinten und andere Gewehre mit ungewöhnlichen Einrichtungen,
die er geschickt zu handhaben und zu erklären wusste. Seine
Zündnadelbüchse war eine englische Nachahmung der preussischen
mit geringen Aenderungen; der König wünschte aber dringend, eine
echte preussische zu besitzen, ein Verlangen, dem damals von Seiten
des Gesandten und des Commodore nicht entsprochen werden
konnte. -- Unter dem Usurpator, seinem Halbbruder, der bis 1851
regierte, war der zweite König Inspecteur der Artillerie gewesen und
hatte von englischen Ingenieuren, mit denen er die Werke bei
Paknam baute, das Englische erlernt. Er besass eine gute Bibliothek,
las mit Vorliebe Romane von Dickens und galt als thätig, scharf-
sinnig, ritterlich, jedem Fortschritt günstig. Diese Eigenschaften
sollen aber die Eifersucht seines älteren Bruders und Lehnsherrn
erweckt und keinen Wirkungskreis gefunden haben. Später kam
es zu offenem Zwist; der Zweite König versöhnte sich erst auf dem
Sterbebett 1865 mit Maha Monkut, der ihn gleich nach der Thron-
besteigung 1851 zu seiner Würde erhoben hatte.

Im Gespräch mit dem Gesandten äusserte der König grosse
Lust, die preussischen Schiffe zu sehen, schützte aber Unwohlsein
vor; in Wahrheit hielt ihn wohl das peinliche Verhältniss zu sei-
nem Bruder zurück. Die Unterhaltung drehte sich lange um die
Reisen des Gesandten, um Bankok, Phrabat, Ayutia, und wollte
kein Ende nehmen. Endlich empfahl sich Graf Eulenburg. -- Unten
in der Empfangshalle mussten wir zu dem ungeniessbar gewordenen
Gabelfrühstück niedersitzen und machten dann einen Gang durch
die Gebäude. Der grosse Audienzsaal bot nichts Merkwürdiges;
in den Kasernen hingen die geputzten Waffen in guter Ordnung.
Die Soldaten des Zweiten Königs, lauter Christen aus der anami-
tischen Colonie, hatten in ihrer Wachtstube ein Marienbild; die
Uniformirung war holländisch. Prinz Georges zeigte noch einen
sehr geschätzten Elephanten mit schwarzem Maul, -- Erdelephanten
nannten ihn die Siamesen, -- zwei Paviane und Marder von heller
Farbe und einen gelblichweissen Fisch, lauter vornehme Thiere.
Drei schwarze Vögel von der Art und Grösse der Drosseln ahmten

XXII. Der Zweite König.

Zur Unterhaltung zeigte der König dem Gesandten eine
Sammlung europäischer Schiessgewehre, deren Construction er sehr
genau kannte: eine von der Königin Victoria geschenkte Muskete,
eine Büchse vom Kaiser Napoleon, Zündnadel-, Minié- und Lan-
caster-Büchsen, Revolver der verschiedensten Art, Lefaucheux-
Jagdflinten und andere Gewehre mit ungewöhnlichen Einrichtungen,
die er geschickt zu handhaben und zu erklären wusste. Seine
Zündnadelbüchse war eine englische Nachahmung der preussischen
mit geringen Aenderungen; der König wünschte aber dringend, eine
echte preussische zu besitzen, ein Verlangen, dem damals von Seiten
des Gesandten und des Commodore nicht entsprochen werden
konnte. — Unter dem Usurpator, seinem Halbbruder, der bis 1851
regierte, war der zweite König Inspecteur der Artillerie gewesen und
hatte von englischen Ingenieuren, mit denen er die Werke bei
Paknam baute, das Englische erlernt. Er besass eine gute Bibliothek,
las mit Vorliebe Romane von Dickens und galt als thätig, scharf-
sinnig, ritterlich, jedem Fortschritt günstig. Diese Eigenschaften
sollen aber die Eifersucht seines älteren Bruders und Lehnsherrn
erweckt und keinen Wirkungskreis gefunden haben. Später kam
es zu offenem Zwist; der Zweite König versöhnte sich erst auf dem
Sterbebett 1865 mit Maha Moṅkut, der ihn gleich nach der Thron-
besteigung 1851 zu seiner Würde erhoben hatte.

Im Gespräch mit dem Gesandten äusserte der König grosse
Lust, die preussischen Schiffe zu sehen, schützte aber Unwohlsein
vor; in Wahrheit hielt ihn wohl das peinliche Verhältniss zu sei-
nem Bruder zurück. Die Unterhaltung drehte sich lange um die
Reisen des Gesandten, um Baṅkok, Phrabat, Ayutia, und wollte
kein Ende nehmen. Endlich empfahl sich Graf Eulenburg. — Unten
in der Empfangshalle mussten wir zu dem ungeniessbar gewordenen
Gabelfrühstück niedersitzen und machten dann einen Gang durch
die Gebäude. Der grosse Audienzsaal bot nichts Merkwürdiges;
in den Kasernen hingen die geputzten Waffen in guter Ordnung.
Die Soldaten des Zweiten Königs, lauter Christen aus der anami-
tischen Colonie, hatten in ihrer Wachtstube ein Marienbild; die
Uniformirung war holländisch. Prinz Georges zeigte noch einen
sehr geschätzten Elephanten mit schwarzem Maul, — Erdelephanten
nannten ihn die Siamesen, — zwei Paviane und Marder von heller
Farbe und einen gelblichweissen Fisch, lauter vornehme Thiere.
Drei schwarze Vögel von der Art und Grösse der Drosseln ahmten

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[317/0331] XXII. Der Zweite König. Zur Unterhaltung zeigte der König dem Gesandten eine Sammlung europäischer Schiessgewehre, deren Construction er sehr genau kannte: eine von der Königin Victoria geschenkte Muskete, eine Büchse vom Kaiser Napoleon, Zündnadel-, Minié- und Lan- caster-Büchsen, Revolver der verschiedensten Art, Lefaucheux- Jagdflinten und andere Gewehre mit ungewöhnlichen Einrichtungen, die er geschickt zu handhaben und zu erklären wusste. Seine Zündnadelbüchse war eine englische Nachahmung der preussischen mit geringen Aenderungen; der König wünschte aber dringend, eine echte preussische zu besitzen, ein Verlangen, dem damals von Seiten des Gesandten und des Commodore nicht entsprochen werden konnte. — Unter dem Usurpator, seinem Halbbruder, der bis 1851 regierte, war der zweite König Inspecteur der Artillerie gewesen und hatte von englischen Ingenieuren, mit denen er die Werke bei Paknam baute, das Englische erlernt. Er besass eine gute Bibliothek, las mit Vorliebe Romane von Dickens und galt als thätig, scharf- sinnig, ritterlich, jedem Fortschritt günstig. Diese Eigenschaften sollen aber die Eifersucht seines älteren Bruders und Lehnsherrn erweckt und keinen Wirkungskreis gefunden haben. Später kam es zu offenem Zwist; der Zweite König versöhnte sich erst auf dem Sterbebett 1865 mit Maha Moṅkut, der ihn gleich nach der Thron- besteigung 1851 zu seiner Würde erhoben hatte. Im Gespräch mit dem Gesandten äusserte der König grosse Lust, die preussischen Schiffe zu sehen, schützte aber Unwohlsein vor; in Wahrheit hielt ihn wohl das peinliche Verhältniss zu sei- nem Bruder zurück. Die Unterhaltung drehte sich lange um die Reisen des Gesandten, um Baṅkok, Phrabat, Ayutia, und wollte kein Ende nehmen. Endlich empfahl sich Graf Eulenburg. — Unten in der Empfangshalle mussten wir zu dem ungeniessbar gewordenen Gabelfrühstück niedersitzen und machten dann einen Gang durch die Gebäude. Der grosse Audienzsaal bot nichts Merkwürdiges; in den Kasernen hingen die geputzten Waffen in guter Ordnung. Die Soldaten des Zweiten Königs, lauter Christen aus der anami- tischen Colonie, hatten in ihrer Wachtstube ein Marienbild; die Uniformirung war holländisch. Prinz Georges zeigte noch einen sehr geschätzten Elephanten mit schwarzem Maul, — Erdelephanten nannten ihn die Siamesen, — zwei Paviane und Marder von heller Farbe und einen gelblichweissen Fisch, lauter vornehme Thiere. Drei schwarze Vögel von der Art und Grösse der Drosseln ahmten

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/331>, abgerufen am 27.11.2024.