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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Der Zweite König. XXII.
Graf Eulenburg und seine Begleiter auf Tragstühlen durch
dichte Volkshaufen nach einer grossen Halle gebracht, wo siame-
sische Musikanten eine Fanfare bliesen; unter den zum Empfang
dort versammelten Hofbeamten war ein Franzose, der, früher
Sergeant in der Armee seines Vaterlandes, Herrn de Montigny,
welcher den Vertrag schloss, als Koch und Kammerdiener nach
Siam begleitete. Im siamesischen Kriegsdienst fungirte er als
Instructeur der Recruten des Zweiten Königs, trieb aber, wie die
Consuln erzählten, nebenbei noch immer die edele Kochkunst,
indem er gegen ein Honorar von 50 Dollars die Bereitung jedes
europäischen Diners zu übernehmen pflegte, das die Könige, die
Prinzen oder fremde Kaufleute gaben. Er schien bei Hofe grosses
Ansehn zu geniessen und äusserte sich über seine Stellung sehr
zufrieden, zugleich aber bescheiden und verständig. Die von ihm
instruirten Artilleristen feuerten zu Ehren des königlichen Schrei-
bens sehr präcis einen Salut von 21 Schüssen; ein Product seiner
Kochkunst wurde eben in der Empfangshalle aufgetragen, als Graf
Eulenburg und seine Begleiter -- nach längerem Warten -- zum
Könige beschieden wurden.

Das Empfangszimmer des im Umbau begriffenen Palastes
war hübsch und behaglich, aber nicht fertig eingerichtet; der Kö-
nig machte darüber viele Entschuldigungen. Er trug einen blauen
Ueberrock mit goldenen Knöpfen, weissseidene Beinkleider und
Pantoffeln von Leder. Das Streben nach europäisch civilisirtem An-
strich zeigte sich besonders auffallend darin, dass der König selbst,
sein Sohn und mehrere seiner Beamten kein Betel kauten. -- Auf
reinlich gedeckten Tischchen standen Erfrischungen, Kuchen und
Früchte; auch Cigarren wurden angeboten. Nach Ueberreichung
des königlichen Schreibens stellte Graf Eulenburg seine Begleiter
vor. Der König sprach und verstand viel besser englisch als Maha
Monkut
, verbarg aber unter lebhaften Gebehrden und lautem Lachen
ein gewisses Missbehagen; -- er soll hypochondrisch und stark
dyspeptisch gewesen sein und wusste genau, wie seit zehn Jahren
sein Puls ging; Dr. Lucius wurde alsbald in einer anstossenden
Veranda consultirt und zu einem Besuch auf den folgenden Tag
eingeladen. Die Rathschläge der europäischen Aerzte, die der Kö-
nig bei jeder Gelegenheit einzuholen pflegte, blieben aber ganz
unwirksam, da doch schliesslich nur die Arzneien der eingebornen
Quacksalber in ungeheurer Dosis geschluckt wurden.

Der Zweite König. XXII.
Graf Eulenburg und seine Begleiter auf Tragstühlen durch
dichte Volkshaufen nach einer grossen Halle gebracht, wo siame-
sische Musikanten eine Fanfare bliesen; unter den zum Empfang
dort versammelten Hofbeamten war ein Franzose, der, früher
Sergeant in der Armee seines Vaterlandes, Herrn de Montigny,
welcher den Vertrag schloss, als Koch und Kammerdiener nach
Siam begleitete. Im siamesischen Kriegsdienst fungirte er als
Instructeur der Recruten des Zweiten Königs, trieb aber, wie die
Consuln erzählten, nebenbei noch immer die edele Kochkunst,
indem er gegen ein Honorar von 50 Dollars die Bereitung jedes
europäischen Diners zu übernehmen pflegte, das die Könige, die
Prinzen oder fremde Kaufleute gaben. Er schien bei Hofe grosses
Ansehn zu geniessen und äusserte sich über seine Stellung sehr
zufrieden, zugleich aber bescheiden und verständig. Die von ihm
instruirten Artilleristen feuerten zu Ehren des königlichen Schrei-
bens sehr präcis einen Salut von 21 Schüssen; ein Product seiner
Kochkunst wurde eben in der Empfangshalle aufgetragen, als Graf
Eulenburg und seine Begleiter — nach längerem Warten — zum
Könige beschieden wurden.

Das Empfangszimmer des im Umbau begriffenen Palastes
war hübsch und behaglich, aber nicht fertig eingerichtet; der Kö-
nig machte darüber viele Entschuldigungen. Er trug einen blauen
Ueberrock mit goldenen Knöpfen, weissseidene Beinkleider und
Pantoffeln von Leder. Das Streben nach europäisch civilisirtem An-
strich zeigte sich besonders auffallend darin, dass der König selbst,
sein Sohn und mehrere seiner Beamten kein Betel kauten. — Auf
reinlich gedeckten Tischchen standen Erfrischungen, Kuchen und
Früchte; auch Cigarren wurden angeboten. Nach Ueberreichung
des königlichen Schreibens stellte Graf Eulenburg seine Begleiter
vor. Der König sprach und verstand viel besser englisch als Maha
Moṅkut
, verbarg aber unter lebhaften Gebehrden und lautem Lachen
ein gewisses Missbehagen; — er soll hypochondrisch und stark
dyspeptisch gewesen sein und wusste genau, wie seit zehn Jahren
sein Puls ging; Dr. Lucius wurde alsbald in einer anstossenden
Veranda consultirt und zu einem Besuch auf den folgenden Tag
eingeladen. Die Rathschläge der europäischen Aerzte, die der Kö-
nig bei jeder Gelegenheit einzuholen pflegte, blieben aber ganz
unwirksam, da doch schliesslich nur die Arzneien der eingebornen
Quacksalber in ungeheurer Dosis geschluckt wurden.

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[316/0330] Der Zweite König. XXII. Graf Eulenburg und seine Begleiter auf Tragstühlen durch dichte Volkshaufen nach einer grossen Halle gebracht, wo siame- sische Musikanten eine Fanfare bliesen; unter den zum Empfang dort versammelten Hofbeamten war ein Franzose, der, früher Sergeant in der Armee seines Vaterlandes, Herrn de Montigny, welcher den Vertrag schloss, als Koch und Kammerdiener nach Siam begleitete. Im siamesischen Kriegsdienst fungirte er als Instructeur der Recruten des Zweiten Königs, trieb aber, wie die Consuln erzählten, nebenbei noch immer die edele Kochkunst, indem er gegen ein Honorar von 50 Dollars die Bereitung jedes europäischen Diners zu übernehmen pflegte, das die Könige, die Prinzen oder fremde Kaufleute gaben. Er schien bei Hofe grosses Ansehn zu geniessen und äusserte sich über seine Stellung sehr zufrieden, zugleich aber bescheiden und verständig. Die von ihm instruirten Artilleristen feuerten zu Ehren des königlichen Schrei- bens sehr präcis einen Salut von 21 Schüssen; ein Product seiner Kochkunst wurde eben in der Empfangshalle aufgetragen, als Graf Eulenburg und seine Begleiter — nach längerem Warten — zum Könige beschieden wurden. Das Empfangszimmer des im Umbau begriffenen Palastes war hübsch und behaglich, aber nicht fertig eingerichtet; der Kö- nig machte darüber viele Entschuldigungen. Er trug einen blauen Ueberrock mit goldenen Knöpfen, weissseidene Beinkleider und Pantoffeln von Leder. Das Streben nach europäisch civilisirtem An- strich zeigte sich besonders auffallend darin, dass der König selbst, sein Sohn und mehrere seiner Beamten kein Betel kauten. — Auf reinlich gedeckten Tischchen standen Erfrischungen, Kuchen und Früchte; auch Cigarren wurden angeboten. Nach Ueberreichung des königlichen Schreibens stellte Graf Eulenburg seine Begleiter vor. Der König sprach und verstand viel besser englisch als Maha Moṅkut, verbarg aber unter lebhaften Gebehrden und lautem Lachen ein gewisses Missbehagen; — er soll hypochondrisch und stark dyspeptisch gewesen sein und wusste genau, wie seit zehn Jahren sein Puls ging; Dr. Lucius wurde alsbald in einer anstossenden Veranda consultirt und zu einem Besuch auf den folgenden Tag eingeladen. Die Rathschläge der europäischen Aerzte, die der Kö- nig bei jeder Gelegenheit einzuholen pflegte, blieben aber ganz unwirksam, da doch schliesslich nur die Arzneien der eingebornen Quacksalber in ungeheurer Dosis geschluckt wurden.

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/330>, abgerufen am 27.11.2024.