den Ton der menschlichen Stimme nach und sagten sehr deutlich siamesische Worte. -- Das waren die Merkwürdigkeiten des Palastes.
Als wir uns zu Hause recht ermüdet eben zu Tisch setzten, kam ein Bote des Ersten Königs: der Gesandte möchte bald zur theatralischen Vorstellung im Palast erscheinen, zu welcher er ein- geladen sei. Um halb acht stiegen wir also in die Boote und wurden drüben nach einer grossen von Holzpfeilern getragenen Halle ge- führt. An der einen Seite war die königliche Loge, ihr gegenüber das Orchester; an der dritten bildete ein dunkeler Vorhang den Hintergrund der Bühne; auf der vierten gegenüber stand eine Tri- büne für den preussischen Gesandten. Bei seinem Eintritt gab der König das Zeichen zum Beginnen.
Den mythologischen Inhalt der Vorstellung konnten wir trotz allen Erklärungen nicht fassen. Die Handelnden waren theils himm- lische Wesen -- Celestials sagte der König, -- theils Dämonen, allegorische Masken, Fürsten, Krieger, sämmtlich von Frauen des Harem gespielt. Einige waren herrlich gewachsen; das eng an- schliessende Wamms und der zierlich gefaltete Saron zeigten alle Körperformen. Der Stoff der meisten Anzüge war Gold- oder Silberbrocat mit farbigem Grunde; Juwelenschmuck und schwere goldene Spangen erhöhten ihren Werth, der sich auf etwa 5000 Thaler für jedes Kostüm belaufen sollte. Die guten Wesen im Drama trugen meist spitzzulaufende edelsteinfunkelnde Goldkronen, die bösen phantastische Thier- und Teufelsmasken. Bis zur halben Wade herauf waren die Füsse bei allen nackt. An den Händen trugen die Hauptpersonen sechs Zoll lange Fingerhüte gleich rück- wärtsgebogenen Krallen, die ihren Gebehrden Emphase gaben. Die Geschenke der Laos- und Malayen-Fürsten und freiwillige Gaben vornehmer Siamesen müssen die Kosten des königlichen Theaters bestreiten, wo nicht nur Stücke aus dem indischen Helden- und Götterepos, sondern zuweilen auch Parodieen dieser Sagen gespielt werden sollen.
Die Darstellung bildeten mimische Tänze. Auf der Bühne kauerten die weiblichen Souffleure mit aufgeschlagenem Buche; doch bedurften die Tanzenden selten der Leitung. Ein Frauenchor begleitete ihre Action zuweilen mit der Stimme, meist aber nur mit rythmischem Zusammenschlagen von Bambusstäben, während ein zahlreiches Orchester von Holz- und Metall-Harmonikas, Flöten, Schalmeien, Trommeln, Becken und Pauken argen Lärm machte.
Königliches Ballet. XXII.
den Ton der menschlichen Stimme nach und sagten sehr deutlich siamesische Worte. — Das waren die Merkwürdigkeiten des Palastes.
Als wir uns zu Hause recht ermüdet eben zu Tisch setzten, kam ein Bote des Ersten Königs: der Gesandte möchte bald zur theatralischen Vorstellung im Palast erscheinen, zu welcher er ein- geladen sei. Um halb acht stiegen wir also in die Boote und wurden drüben nach einer grossen von Holzpfeilern getragenen Halle ge- führt. An der einen Seite war die königliche Loge, ihr gegenüber das Orchester; an der dritten bildete ein dunkeler Vorhang den Hintergrund der Bühne; auf der vierten gegenüber stand eine Tri- büne für den preussischen Gesandten. Bei seinem Eintritt gab der König das Zeichen zum Beginnen.
Den mythologischen Inhalt der Vorstellung konnten wir trotz allen Erklärungen nicht fassen. Die Handelnden waren theils himm- lische Wesen — Celestials sagte der König, — theils Dämonen, allegorische Masken, Fürsten, Krieger, sämmtlich von Frauen des Harem gespielt. Einige waren herrlich gewachsen; das eng an- schliessende Wamms und der zierlich gefaltete Saroṅ zeigten alle Körperformen. Der Stoff der meisten Anzüge war Gold- oder Silberbrocat mit farbigem Grunde; Juwelenschmuck und schwere goldene Spangen erhöhten ihren Werth, der sich auf etwa 5000 Thaler für jedes Kostüm belaufen sollte. Die guten Wesen im Drama trugen meist spitzzulaufende edelsteinfunkelnde Goldkronen, die bösen phantastische Thier- und Teufelsmasken. Bis zur halben Wade herauf waren die Füsse bei allen nackt. An den Händen trugen die Hauptpersonen sechs Zoll lange Fingerhüte gleich rück- wärtsgebogenen Krallen, die ihren Gebehrden Emphase gaben. Die Geschenke der Laos- und Malayen-Fürsten und freiwillige Gaben vornehmer Siamesen müssen die Kosten des königlichen Theaters bestreiten, wo nicht nur Stücke aus dem indischen Helden- und Götterepos, sondern zuweilen auch Parodieen dieser Sagen gespielt werden sollen.
Die Darstellung bildeten mimische Tänze. Auf der Bühne kauerten die weiblichen Souffleure mit aufgeschlagenem Buche; doch bedurften die Tanzenden selten der Leitung. Ein Frauenchor begleitete ihre Action zuweilen mit der Stimme, meist aber nur mit rythmischem Zusammenschlagen von Bambusstäben, während ein zahlreiches Orchester von Holz- und Metall-Harmonikas, Flöten, Schalmeien, Trommeln, Becken und Pauken argen Lärm machte.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0332"n="318"/><fwplace="top"type="header">Königliches Ballet. XXII.</fw><lb/>
den Ton der menschlichen Stimme nach und sagten sehr deutlich<lb/>
siamesische Worte. — Das waren die Merkwürdigkeiten des Palastes.</p><lb/><p>Als wir uns zu Hause recht ermüdet eben zu Tisch setzten,<lb/>
kam ein Bote des Ersten Königs: der Gesandte möchte bald zur<lb/>
theatralischen Vorstellung im Palast erscheinen, zu welcher er ein-<lb/>
geladen sei. Um halb acht stiegen wir also in die Boote und wurden<lb/>
drüben nach einer grossen von Holzpfeilern getragenen Halle ge-<lb/>
führt. An der einen Seite war die königliche Loge, ihr gegenüber<lb/>
das Orchester; an der dritten bildete ein dunkeler Vorhang den<lb/>
Hintergrund der Bühne; auf der vierten gegenüber stand eine Tri-<lb/>
büne für den preussischen Gesandten. Bei seinem Eintritt gab der<lb/>
König das Zeichen zum Beginnen.</p><lb/><p>Den mythologischen Inhalt der Vorstellung konnten wir trotz<lb/>
allen Erklärungen nicht fassen. Die Handelnden waren theils himm-<lb/>
lische Wesen — Celestials sagte der König, — theils Dämonen,<lb/>
allegorische Masken, Fürsten, Krieger, sämmtlich von Frauen des<lb/>
Harem gespielt. Einige waren herrlich gewachsen; das eng an-<lb/>
schliessende Wamms und der zierlich gefaltete <hirendition="#k">Saroṅ</hi> zeigten alle<lb/>
Körperformen. Der Stoff der meisten Anzüge war Gold- oder<lb/>
Silberbrocat mit farbigem Grunde; Juwelenschmuck und schwere<lb/>
goldene Spangen erhöhten ihren Werth, der sich auf etwa 5000<lb/>
Thaler für jedes Kostüm belaufen sollte. Die guten Wesen im<lb/>
Drama trugen meist spitzzulaufende edelsteinfunkelnde Goldkronen,<lb/>
die bösen phantastische Thier- und Teufelsmasken. Bis zur halben<lb/><persNameref="http://d-nb.info/gnd/117086649">Wade</persName> herauf waren die Füsse bei allen nackt. An den Händen<lb/>
trugen die Hauptpersonen sechs Zoll lange Fingerhüte gleich rück-<lb/>
wärtsgebogenen Krallen, die ihren Gebehrden Emphase gaben. Die<lb/>
Geschenke der Laos- und Malayen-Fürsten und freiwillige Gaben<lb/>
vornehmer Siamesen müssen die Kosten des königlichen Theaters<lb/>
bestreiten, wo nicht nur Stücke aus dem indischen Helden- und<lb/>
Götterepos, sondern zuweilen auch Parodieen dieser Sagen gespielt<lb/>
werden sollen.</p><lb/><p>Die Darstellung bildeten mimische Tänze. Auf der Bühne<lb/>
kauerten die weiblichen Souffleure mit aufgeschlagenem Buche;<lb/>
doch bedurften die Tanzenden selten der Leitung. Ein Frauenchor<lb/>
begleitete ihre Action zuweilen mit der Stimme, meist aber nur mit<lb/>
rythmischem Zusammenschlagen von Bambusstäben, während ein<lb/>
zahlreiches Orchester von Holz- und Metall-Harmonikas, Flöten,<lb/>
Schalmeien, Trommeln, Becken und Pauken argen Lärm machte.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[318/0332]
Königliches Ballet. XXII.
den Ton der menschlichen Stimme nach und sagten sehr deutlich
siamesische Worte. — Das waren die Merkwürdigkeiten des Palastes.
Als wir uns zu Hause recht ermüdet eben zu Tisch setzten,
kam ein Bote des Ersten Königs: der Gesandte möchte bald zur
theatralischen Vorstellung im Palast erscheinen, zu welcher er ein-
geladen sei. Um halb acht stiegen wir also in die Boote und wurden
drüben nach einer grossen von Holzpfeilern getragenen Halle ge-
führt. An der einen Seite war die königliche Loge, ihr gegenüber
das Orchester; an der dritten bildete ein dunkeler Vorhang den
Hintergrund der Bühne; auf der vierten gegenüber stand eine Tri-
büne für den preussischen Gesandten. Bei seinem Eintritt gab der
König das Zeichen zum Beginnen.
Den mythologischen Inhalt der Vorstellung konnten wir trotz
allen Erklärungen nicht fassen. Die Handelnden waren theils himm-
lische Wesen — Celestials sagte der König, — theils Dämonen,
allegorische Masken, Fürsten, Krieger, sämmtlich von Frauen des
Harem gespielt. Einige waren herrlich gewachsen; das eng an-
schliessende Wamms und der zierlich gefaltete Saroṅ zeigten alle
Körperformen. Der Stoff der meisten Anzüge war Gold- oder
Silberbrocat mit farbigem Grunde; Juwelenschmuck und schwere
goldene Spangen erhöhten ihren Werth, der sich auf etwa 5000
Thaler für jedes Kostüm belaufen sollte. Die guten Wesen im
Drama trugen meist spitzzulaufende edelsteinfunkelnde Goldkronen,
die bösen phantastische Thier- und Teufelsmasken. Bis zur halben
Wade herauf waren die Füsse bei allen nackt. An den Händen
trugen die Hauptpersonen sechs Zoll lange Fingerhüte gleich rück-
wärtsgebogenen Krallen, die ihren Gebehrden Emphase gaben. Die
Geschenke der Laos- und Malayen-Fürsten und freiwillige Gaben
vornehmer Siamesen müssen die Kosten des königlichen Theaters
bestreiten, wo nicht nur Stücke aus dem indischen Helden- und
Götterepos, sondern zuweilen auch Parodieen dieser Sagen gespielt
werden sollen.
Die Darstellung bildeten mimische Tänze. Auf der Bühne
kauerten die weiblichen Souffleure mit aufgeschlagenem Buche;
doch bedurften die Tanzenden selten der Leitung. Ein Frauenchor
begleitete ihre Action zuweilen mit der Stimme, meist aber nur mit
rythmischem Zusammenschlagen von Bambusstäben, während ein
zahlreiches Orchester von Holz- und Metall-Harmonikas, Flöten,
Schalmeien, Trommeln, Becken und Pauken argen Lärm machte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/332>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.