Besonderes Interesse bot Fane's indisches Reiter-Regiment. Der Commandeur hatte dasselbe als junger Officier in Indien an- geworben und bekleidete damals in der englischen Armee noch Hauptmannsrang, ist aber nachher schnell avancirt. Die Officiere waren Engländer, nur ausnahmsweise wurden Asiaten zu Lieute- nants befördert. Siks, Hindostani, Afghanen und Perser, lauter Edelleute und Fürsten in ihrer Heimath, bildeten die Mannschaft der 350 Pferde starken Truppe, die einen riesigen Tross von Leib- dienern, Stall- und Futterknechten mitführte; denn die vornehmen Krieger liessen sich bedienen. Die grösste Schwierigkeit machten dem Commandeur die Eifersucht, der nationale und religiöse Aber- glauben der verschiedenen Stämme, da Viele nach der heimath- lichen Sitte ihre Kaste verloren, wenn sie mit Fremden oder Ge- ringeren assen; er übte jedoch unbedingte Autorität und bezwang durch die Macht seiner ritterlichen Persönlichkeit jeden Widerstand. Den Siks verbietet ihr sonderbarer Cultus, sich das Haar zu schnei- den, Tabak zu rauchen und anderes Fleisch zu essen als von selbst getödteten Thieren: lebendig mussten ihnen die Hammel zu- geführt werden, welche sie eigenhändig köpften; Bart und Haar hingen, wenn sie es auf unsere Bitten einmal aus Turban und Klei- dung hervorzogen, bis zum Boden herab. Neben ihnen zeichneten sich die Afghanen durch hohe schlanke Gestalt und edel geschnittene Züge aus, die meisten von dunkeler, fast schwarzbrauner Hautfarbe und vornehm kriegerischer Haltung. Die Uniform war einfach und kleidsam: hohe Stiefel, weite Hosen und Tunica von leichtem dun- kelblauem Wollenstoff, die um den Leib geschlungene Schärpe und der faltige Turban scharlach; Patrontasche und Bandolier von schwarzem Leder mit Silberbeschlägen und den Buchstaben F. H., Fane's Horse; die Waffen krumme Säbel und Bambuslanzen. Das Zaumzeug ist englisch, mit scharfem Gebiss, der Sattel bequem gepolstert; vorn wird der zweite Anzug über die Pistolenhalter auf- geschnallt, hinten ein Kochgeschirr und Steckpfähle. Besonders malerisch stand den dunkelen Reitern ihre ausserdienstliche Tracht von schneeweissem Muslin, und der Turban aus demselben Stoff oder buntem Kashmirshawl, in mächtigen Falten um die braunen Schlä- fen gewunden, unter denen feurige Augen hervorblitzten.
Zwei Compagnieen des Regimentes hatten südlich von der Stadt ein Lager bezogen: dort standen vor den Zeltreihen ihre Pferde, den einen Hinterfuss und den Halfter an Picketpflöcke ge-
Fane’s horse. XV.
Besonderes Interesse bot Fane’s indisches Reiter-Regiment. Der Commandeur hatte dasselbe als junger Officier in Indien an- geworben und bekleidete damals in der englischen Armee noch Hauptmannsrang, ist aber nachher schnell avancirt. Die Officiere waren Engländer, nur ausnahmsweise wurden Asiaten zu Lieute- nants befördert. Siks, Hindostani, Afghanen und Perser, lauter Edelleute und Fürsten in ihrer Heimath, bildeten die Mannschaft der 350 Pferde starken Truppe, die einen riesigen Tross von Leib- dienern, Stall- und Futterknechten mitführte; denn die vornehmen Krieger liessen sich bedienen. Die grösste Schwierigkeit machten dem Commandeur die Eifersucht, der nationale und religiöse Aber- glauben der verschiedenen Stämme, da Viele nach der heimath- lichen Sitte ihre Kaste verloren, wenn sie mit Fremden oder Ge- ringeren assen; er übte jedoch unbedingte Autorität und bezwang durch die Macht seiner ritterlichen Persönlichkeit jeden Widerstand. Den Siks verbietet ihr sonderbarer Cultus, sich das Haar zu schnei- den, Tabak zu rauchen und anderes Fleisch zu essen als von selbst getödteten Thieren: lebendig mussten ihnen die Hammel zu- geführt werden, welche sie eigenhändig köpften; Bart und Haar hingen, wenn sie es auf unsere Bitten einmal aus Turban und Klei- dung hervorzogen, bis zum Boden herab. Neben ihnen zeichneten sich die Afghanen durch hohe schlanke Gestalt und edel geschnittene Züge aus, die meisten von dunkeler, fast schwarzbrauner Hautfarbe und vornehm kriegerischer Haltung. Die Uniform war einfach und kleidsam: hohe Stiefel, weite Hosen und Tunica von leichtem dun- kelblauem Wollenstoff, die um den Leib geschlungene Schärpe und der faltige Turban scharlach; Patrontasche und Bandolier von schwarzem Leder mit Silberbeschlägen und den Buchstaben F. H., Fane’s Horse; die Waffen krumme Säbel und Bambuslanzen. Das Zaumzeug ist englisch, mit scharfem Gebiss, der Sattel bequem gepolstert; vorn wird der zweite Anzug über die Pistolenhalter auf- geschnallt, hinten ein Kochgeschirr und Steckpfähle. Besonders malerisch stand den dunkelen Reitern ihre ausserdienstliche Tracht von schneeweissem Muslin, und der Turban aus demselben Stoff oder buntem Kashmirshawl, in mächtigen Falten um die braunen Schlä- fen gewunden, unter denen feurige Augen hervorblitzten.
Zwei Compagnieen des Regimentes hatten südlich von der Stadt ein Lager bezogen: dort standen vor den Zeltreihen ihre Pferde, den einen Hinterfuss und den Halfter an Picketpflöcke ge-
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Fane’s horse. XV.
Besonderes Interesse bot Fane’s indisches Reiter-Regiment.
Der Commandeur hatte dasselbe als junger Officier in Indien an-
geworben und bekleidete damals in der englischen Armee noch
Hauptmannsrang, ist aber nachher schnell avancirt. Die Officiere
waren Engländer, nur ausnahmsweise wurden Asiaten zu Lieute-
nants befördert. Siks, Hindostani, Afghanen und Perser, lauter
Edelleute und Fürsten in ihrer Heimath, bildeten die Mannschaft
der 350 Pferde starken Truppe, die einen riesigen Tross von Leib-
dienern, Stall- und Futterknechten mitführte; denn die vornehmen
Krieger liessen sich bedienen. Die grösste Schwierigkeit machten
dem Commandeur die Eifersucht, der nationale und religiöse Aber-
glauben der verschiedenen Stämme, da Viele nach der heimath-
lichen Sitte ihre Kaste verloren, wenn sie mit Fremden oder Ge-
ringeren assen; er übte jedoch unbedingte Autorität und bezwang
durch die Macht seiner ritterlichen Persönlichkeit jeden Widerstand.
Den Siks verbietet ihr sonderbarer Cultus, sich das Haar zu schnei-
den, Tabak zu rauchen und anderes Fleisch zu essen als von
selbst getödteten Thieren: lebendig mussten ihnen die Hammel zu-
geführt werden, welche sie eigenhändig köpften; Bart und Haar
hingen, wenn sie es auf unsere Bitten einmal aus Turban und Klei-
dung hervorzogen, bis zum Boden herab. Neben ihnen zeichneten
sich die Afghanen durch hohe schlanke Gestalt und edel geschnittene
Züge aus, die meisten von dunkeler, fast schwarzbrauner Hautfarbe
und vornehm kriegerischer Haltung. Die Uniform war einfach und
kleidsam: hohe Stiefel, weite Hosen und Tunica von leichtem dun-
kelblauem Wollenstoff, die um den Leib geschlungene Schärpe und
der faltige Turban scharlach; Patrontasche und Bandolier von
schwarzem Leder mit Silberbeschlägen und den Buchstaben F. H.,
Fane’s Horse; die Waffen krumme Säbel und Bambuslanzen. Das
Zaumzeug ist englisch, mit scharfem Gebiss, der Sattel bequem
gepolstert; vorn wird der zweite Anzug über die Pistolenhalter auf-
geschnallt, hinten ein Kochgeschirr und Steckpfähle. Besonders
malerisch stand den dunkelen Reitern ihre ausserdienstliche Tracht
von schneeweissem Muslin, und der Turban aus demselben Stoff oder
buntem Kashmirshawl, in mächtigen Falten um die braunen Schlä-
fen gewunden, unter denen feurige Augen hervorblitzten.
Zwei Compagnieen des Regimentes hatten südlich von der
Stadt ein Lager bezogen: dort standen vor den Zeltreihen ihre
Pferde, den einen Hinterfuss und den Halfter an Picketpflöcke ge-
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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/32>, abgerufen am 23.11.2024.
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