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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XV. Fane's horse.
fesselt, meist edele Thiere arabischer und australischer Zucht; viele
litten noch an Wunden aus dem Kriege, die schlimmer ge-
wesen wären, wenn die Tartaren scharfe Säbel geführt hätten.
Entsetzliche Narben und Verkrüppelungen zeigten die Gliedmaassen
der mit Herrn Parkes und Lieutenant Anderson gefangenen Reiter,
der wenigen, welche die ruchlosen Misshandlungen der Chinesen
überlebt hatten. Die tief in das Fleisch schneidenden Stricke und
Ketten hinterliessen Höhlungen bis auf den Knochen, die niemals
wieder zuwachsen konnten.

Zahllose indische Knechte trieben sich bei dem Lager herum,
halbnackt oder in geraubten Trachten, von Gold und bunter Seide
strotzend. -- Beim Besuch des Gesandten zeigten die Reiter ihre
Meisterschaft in der Lanzenführung. Ein Zeltpflock wird in die
Erde gerammt; der Reiter naht in gestrecktem Galopp und hebt
mit kräftigem Stoss den Pflock aus dem Boden. Die Lanze nur
für den Augenblick senkend, trafen die Behenden doch jedesmal;
dabei lag der Körper fast wagerecht. Dass sie den Sitz behielten,
zeugte sowohl von festem Schluss als von Kraft und Biegsamkeit
des Handgelenkes; denn die Lanze muss im Nu aus dem Boden
gerissen werden, wenn sie nicht brechen oder den Reiter vom
Pferde schleudern soll. Jeder führte die Waffe anders; es war
kein eingelerntes Exercitium.

Grosse Kraft und Gewandtheit bewiesen Fane's Reiter auch
bei anderen Uebungen, besonders im Schwingen mächtiger Keulen,
womit sie sich im Hofe eines zum Stall umgewandelten Tao-
Tempels oft die Zeit vertrieben. Dort blickte aus der reichen Ar-
chitectur der Haupthalle eine Reihe fratzenhafter Goldgötzen auf
die glatten Rosse nieder, ein sonderbares Bild. Die Engländer
nannten ihn Teufelstempel. -- Sie richteten die meisten Tempel
und öffentlichen Gebäude zu Kasernen und Ställen ein, und gaben
damit gar kein Aergerniss. Die Bevölkerung entging so der Ein-
quartierung, wurde überhaupt von den englischen Militärbehör-
den auf das äusserste geschont und zog reichen Gewinn von der
Garnison. Holz- und Wassertragen, das den Franzosen gar nichts
kostete, verursachte den Engländern, die Alles bezahlten, enorme
Ausgaben, ebenso vieles Andere. Am meisten profitirten die ärmeren
Stände. So war denn auch das Verhältniss mit den Chinesen
durchaus freundschaftlich. Die Afghanen und Perser fanden als
Moslems zu ihrem Erstaunen viele Glaubensgenossen in Tien-tsin,

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XV. Fane’s horse.
fesselt, meist edele Thiere arabischer und australischer Zucht; viele
litten noch an Wunden aus dem Kriege, die schlimmer ge-
wesen wären, wenn die Tartaren scharfe Säbel geführt hätten.
Entsetzliche Narben und Verkrüppelungen zeigten die Gliedmaassen
der mit Herrn Parkes und Lieutenant Anderson gefangenen Reiter,
der wenigen, welche die ruchlosen Misshandlungen der Chinesen
überlebt hatten. Die tief in das Fleisch schneidenden Stricke und
Ketten hinterliessen Höhlungen bis auf den Knochen, die niemals
wieder zuwachsen konnten.

Zahllose indische Knechte trieben sich bei dem Lager herum,
halbnackt oder in geraubten Trachten, von Gold und bunter Seide
strotzend. — Beim Besuch des Gesandten zeigten die Reiter ihre
Meisterschaft in der Lanzenführung. Ein Zeltpflock wird in die
Erde gerammt; der Reiter naht in gestrecktem Galopp und hebt
mit kräftigem Stoss den Pflock aus dem Boden. Die Lanze nur
für den Augenblick senkend, trafen die Behenden doch jedesmal;
dabei lag der Körper fast wagerecht. Dass sie den Sitz behielten,
zeugte sowohl von festem Schluss als von Kraft und Biegsamkeit
des Handgelenkes; denn die Lanze muss im Nu aus dem Boden
gerissen werden, wenn sie nicht brechen oder den Reiter vom
Pferde schleudern soll. Jeder führte die Waffe anders; es war
kein eingelerntes Exercitium.

Grosse Kraft und Gewandtheit bewiesen Fane’s Reiter auch
bei anderen Uebungen, besonders im Schwingen mächtiger Keulen,
womit sie sich im Hofe eines zum Stall umgewandelten Tao-
Tempels oft die Zeit vertrieben. Dort blickte aus der reichen Ar-
chitectur der Haupthalle eine Reihe fratzenhafter Goldgötzen auf
die glatten Rosse nieder, ein sonderbares Bild. Die Engländer
nannten ihn Teufelstempel. — Sie richteten die meisten Tempel
und öffentlichen Gebäude zu Kasernen und Ställen ein, und gaben
damit gar kein Aergerniss. Die Bevölkerung entging so der Ein-
quartierung, wurde überhaupt von den englischen Militärbehör-
den auf das äusserste geschont und zog reichen Gewinn von der
Garnison. Holz- und Wassertragen, das den Franzosen gar nichts
kostete, verursachte den Engländern, die Alles bezahlten, enorme
Ausgaben, ebenso vieles Andere. Am meisten profitirten die ärmeren
Stände. So war denn auch das Verhältniss mit den Chinesen
durchaus freundschaftlich. Die Afghanen und Perser fanden als
Moslems zu ihrem Erstaunen viele Glaubensgenossen in Tien-tsin,

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[19/0033] XV. Fane’s horse. fesselt, meist edele Thiere arabischer und australischer Zucht; viele litten noch an Wunden aus dem Kriege, die schlimmer ge- wesen wären, wenn die Tartaren scharfe Säbel geführt hätten. Entsetzliche Narben und Verkrüppelungen zeigten die Gliedmaassen der mit Herrn Parkes und Lieutenant Anderson gefangenen Reiter, der wenigen, welche die ruchlosen Misshandlungen der Chinesen überlebt hatten. Die tief in das Fleisch schneidenden Stricke und Ketten hinterliessen Höhlungen bis auf den Knochen, die niemals wieder zuwachsen konnten. Zahllose indische Knechte trieben sich bei dem Lager herum, halbnackt oder in geraubten Trachten, von Gold und bunter Seide strotzend. — Beim Besuch des Gesandten zeigten die Reiter ihre Meisterschaft in der Lanzenführung. Ein Zeltpflock wird in die Erde gerammt; der Reiter naht in gestrecktem Galopp und hebt mit kräftigem Stoss den Pflock aus dem Boden. Die Lanze nur für den Augenblick senkend, trafen die Behenden doch jedesmal; dabei lag der Körper fast wagerecht. Dass sie den Sitz behielten, zeugte sowohl von festem Schluss als von Kraft und Biegsamkeit des Handgelenkes; denn die Lanze muss im Nu aus dem Boden gerissen werden, wenn sie nicht brechen oder den Reiter vom Pferde schleudern soll. Jeder führte die Waffe anders; es war kein eingelerntes Exercitium. Grosse Kraft und Gewandtheit bewiesen Fane’s Reiter auch bei anderen Uebungen, besonders im Schwingen mächtiger Keulen, womit sie sich im Hofe eines zum Stall umgewandelten Tao- Tempels oft die Zeit vertrieben. Dort blickte aus der reichen Ar- chitectur der Haupthalle eine Reihe fratzenhafter Goldgötzen auf die glatten Rosse nieder, ein sonderbares Bild. Die Engländer nannten ihn Teufelstempel. — Sie richteten die meisten Tempel und öffentlichen Gebäude zu Kasernen und Ställen ein, und gaben damit gar kein Aergerniss. Die Bevölkerung entging so der Ein- quartierung, wurde überhaupt von den englischen Militärbehör- den auf das äusserste geschont und zog reichen Gewinn von der Garnison. Holz- und Wassertragen, das den Franzosen gar nichts kostete, verursachte den Engländern, die Alles bezahlten, enorme Ausgaben, ebenso vieles Andere. Am meisten profitirten die ärmeren Stände. So war denn auch das Verhältniss mit den Chinesen durchaus freundschaftlich. Die Afghanen und Perser fanden als Moslems zu ihrem Erstaunen viele Glaubensgenossen in Tien-tsin, 2*

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/33>, abgerufen am 28.03.2024.