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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Privataudienz beim Ersten König. XXI.
dass die Schaukler fast wagerecht standen. Dreimal wurde das
Spiel wiederholt. Darauf erschienen die zwölf Brahminen mit
grossen Büffelhörnern vor dem Zelt, schritten unter rythmischen
Gebehrden um ein dort aufgestelltes Becken mit Weihwasser, tauch-
ten gleichzeitig die Büffelhörner hinein und bespritzten rückwärts
das zudringende Volk. -- Der als Phollateph fungirende Phaya
Wara Pon
hatte die ganze Zeit sein rechtes Bein über das linke
Knie gelegt und hielt es mit der Hand; ihn bewachten vier Priester,
die das Recht haben, ihm den kostbaren Schmuck abzunehmen,
wenn sein rechter Fuss während der Ceremonie den Boden berührt.
Nach altem Brauch soll der Phollateph auf dem linken Fuss die
ganze Zeit aufrecht stehen. -- Ueber die Bedeutung des Festes
wusste Niemand rechte Auskunft zu geben.

Am Nachmittag des 13. Januar begaben sich der Gesandte
und seine Begleiter zu einer Privataudienz beim Ersten König, der
sie in einem grossen Staatsboot abholen liess. In den inneren Höfen
des Palastes, durch welche diesmal der Weg führte, standen Ge-
schütze von grosser Länge; eine mächtige Voliere, wohl tausend
Vögel enthaltend, spannt dort ihr Drahtgitter über mehrere Bäume.
In einer Halle nah dabei wurden eben die preussischen Geschenke
ausgepackt, darunter das Porträt Seiner Majestät des Königs, eine
Buchdruckpresse mit siamesischen Lettern und ein electromagne-
tischer Telegraph. -- König Maha-monkut kam herbei und verweilte
lange sinnend vor dem Bildniss, liess sich dann den Telegraphen
erklären und äusserte viel Freude über die Geschenke. Graf Eulen-
burg
bat einige Kleinigkeiten unter die königlichen Kinder vertheilen
zu dürfen, was der Vater mit sichtlichem Vergnügen erlaubte; jauch-
zend vor Lust griffen die Kleinen nach den hübschen Bernstein- und
Achatsachen und anderen Spielereien; immer mehr kamen herbei,
zuletzt auch die kleinsten in den Armen der Wärterinnen, darunter
elf aus einem Jahrgang. Der König nahm den heitersten Antheil.
Er führte den Gesandten nachher in das Gebäude, wo die Leiche
der Königin bis zur Verbrennung beigesetzt war: eine nicht ganz
bis zur Decke reichende Wand theilte den grossen Saal in zwei
Hälften, in der einen stand auf einer mit Goldstoff und Teppichen
verhängten, mit Leuchtern und Vasen bedeckten Estrade eine über
fünf Fuss hohe juwelenverzierte goldene Urne, in welcher die Leiche
lag. Auf der untersten Stufe waren drei Thonfiguren aufgestellt,
einen Alten, einen Kranken, einen Todten darstellend; sie sollten ver-

Privataudienz beim Ersten König. XXI.
dass die Schaukler fast wagerecht standen. Dreimal wurde das
Spiel wiederholt. Darauf erschienen die zwölf Brahminen mit
grossen Büffelhörnern vor dem Zelt, schritten unter rythmischen
Gebehrden um ein dort aufgestelltes Becken mit Weihwasser, tauch-
ten gleichzeitig die Büffelhörner hinein und bespritzten rückwärts
das zudringende Volk. — Der als Phollateph fungirende Phaya
Wara Poṅ
hatte die ganze Zeit sein rechtes Bein über das linke
Knie gelegt und hielt es mit der Hand; ihn bewachten vier Priester,
die das Recht haben, ihm den kostbaren Schmuck abzunehmen,
wenn sein rechter Fuss während der Ceremonie den Boden berührt.
Nach altem Brauch soll der Phollateph auf dem linken Fuss die
ganze Zeit aufrecht stehen. — Ueber die Bedeutung des Festes
wusste Niemand rechte Auskunft zu geben.

Am Nachmittag des 13. Januar begaben sich der Gesandte
und seine Begleiter zu einer Privataudienz beim Ersten König, der
sie in einem grossen Staatsboot abholen liess. In den inneren Höfen
des Palastes, durch welche diesmal der Weg führte, standen Ge-
schütze von grosser Länge; eine mächtige Volière, wohl tausend
Vögel enthaltend, spannt dort ihr Drahtgitter über mehrere Bäume.
In einer Halle nah dabei wurden eben die preussischen Geschenke
ausgepackt, darunter das Porträt Seiner Majestät des Königs, eine
Buchdruckpresse mit siamesischen Lettern und ein electromagne-
tischer Telegraph. — König Maha-moṅkut kam herbei und verweilte
lange sinnend vor dem Bildniss, liess sich dann den Telegraphen
erklären und äusserte viel Freude über die Geschenke. Graf Eulen-
burg
bat einige Kleinigkeiten unter die königlichen Kinder vertheilen
zu dürfen, was der Vater mit sichtlichem Vergnügen erlaubte; jauch-
zend vor Lust griffen die Kleinen nach den hübschen Bernstein- und
Achatsachen und anderen Spielereien; immer mehr kamen herbei,
zuletzt auch die kleinsten in den Armen der Wärterinnen, darunter
elf aus einem Jahrgang. Der König nahm den heitersten Antheil.
Er führte den Gesandten nachher in das Gebäude, wo die Leiche
der Königin bis zur Verbrennung beigesetzt war: eine nicht ganz
bis zur Decke reichende Wand theilte den grossen Saal in zwei
Hälften, in der einen stand auf einer mit Goldstoff und Teppichen
verhängten, mit Leuchtern und Vasen bedeckten Estrade eine über
fünf Fuss hohe juwelenverzierte goldene Urne, in welcher die Leiche
lag. Auf der untersten Stufe waren drei Thonfiguren aufgestellt,
einen Alten, einen Kranken, einen Todten darstellend; sie sollten ver-

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[290/0304] Privataudienz beim Ersten König. XXI. dass die Schaukler fast wagerecht standen. Dreimal wurde das Spiel wiederholt. Darauf erschienen die zwölf Brahminen mit grossen Büffelhörnern vor dem Zelt, schritten unter rythmischen Gebehrden um ein dort aufgestelltes Becken mit Weihwasser, tauch- ten gleichzeitig die Büffelhörner hinein und bespritzten rückwärts das zudringende Volk. — Der als Phollateph fungirende Phaya Wara Poṅ hatte die ganze Zeit sein rechtes Bein über das linke Knie gelegt und hielt es mit der Hand; ihn bewachten vier Priester, die das Recht haben, ihm den kostbaren Schmuck abzunehmen, wenn sein rechter Fuss während der Ceremonie den Boden berührt. Nach altem Brauch soll der Phollateph auf dem linken Fuss die ganze Zeit aufrecht stehen. — Ueber die Bedeutung des Festes wusste Niemand rechte Auskunft zu geben. Am Nachmittag des 13. Januar begaben sich der Gesandte und seine Begleiter zu einer Privataudienz beim Ersten König, der sie in einem grossen Staatsboot abholen liess. In den inneren Höfen des Palastes, durch welche diesmal der Weg führte, standen Ge- schütze von grosser Länge; eine mächtige Volière, wohl tausend Vögel enthaltend, spannt dort ihr Drahtgitter über mehrere Bäume. In einer Halle nah dabei wurden eben die preussischen Geschenke ausgepackt, darunter das Porträt Seiner Majestät des Königs, eine Buchdruckpresse mit siamesischen Lettern und ein electromagne- tischer Telegraph. — König Maha-moṅkut kam herbei und verweilte lange sinnend vor dem Bildniss, liess sich dann den Telegraphen erklären und äusserte viel Freude über die Geschenke. Graf Eulen- burg bat einige Kleinigkeiten unter die königlichen Kinder vertheilen zu dürfen, was der Vater mit sichtlichem Vergnügen erlaubte; jauch- zend vor Lust griffen die Kleinen nach den hübschen Bernstein- und Achatsachen und anderen Spielereien; immer mehr kamen herbei, zuletzt auch die kleinsten in den Armen der Wärterinnen, darunter elf aus einem Jahrgang. Der König nahm den heitersten Antheil. Er führte den Gesandten nachher in das Gebäude, wo die Leiche der Königin bis zur Verbrennung beigesetzt war: eine nicht ganz bis zur Decke reichende Wand theilte den grossen Saal in zwei Hälften, in der einen stand auf einer mit Goldstoff und Teppichen verhängten, mit Leuchtern und Vasen bedeckten Estrade eine über fünf Fuss hohe juwelenverzierte goldene Urne, in welcher die Leiche lag. Auf der untersten Stufe waren drei Thonfiguren aufgestellt, einen Alten, einen Kranken, einen Todten darstellend; sie sollten ver-

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/304>, abgerufen am 23.11.2024.