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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XXI. Einsargung königlicher Leichen.
sinnlichen, dass jeder Mensch dem Alter, der Krankheit und dem
Tode verfallen ist. Daneben hatte der König die Condolenzschrei-
ben seiner europäischen Freunde niedergelegt. Rechts und links
vom Katafalk lagen die Rang-Insignien der Königin; neben der
Thür hing ihr photographisches Porträt nebst einer Tafel, auf der
ihr Geburts- und Todestag, auch das Datum ihrer Erhebung ver-
zeichnet standen. -- Gegenüber diesem Raume sassen fünf Priester,
Gebete singend. Der Ernst des Königs und die Andacht der Kinder,
die sich betend vor der Urne niederwarfen, machten den feierlichsten
Eindruck.

Ueber die Einsargung von Mitgliedern des Königshauses, --
die vor der Verbrennung, der König über ein Jahr, alle anderen
über sechs Monate, meist bis zur trockenen Jahreszeit beigesetzt
werden, -- hörten wir Folgendes. Die Leiche wird von den Ver-
wandten gewaschen und aus silbernen Gefässen mit kaltem Wasser
gebadet, dann in sitzender Stellung eingehüllt, mit wohlriechenden
Harzen übergossen, mit Weihrauch und Myrrhen bestreut, in Lei-
chentücher gewickelt und in die goldene Urne gesetzt, deren Boden
ein Gitter bildet. Diese Urne stellt man in eine grössere juwelen-
besetzte, unten spitz zulaufende, aus welcher täglich die Flüssig-
keiten abgelassen werden, bis der Körper ausgetrocknet ist; Bonzen
schütten die Abgänge unter Gebeten in den Strom. Später wird
die Urne mit allen Insignien des Verstorbenen nach dem Tempel
Mahaphrasat gebracht und bleibt dort bis zur Verbrennung stehen.
-- Der Leichenzug von da zum Scheiterhaufen muss sehr prächtig
sein. Die goldene Urne wird auf altfränkischem Elfenbeinwagen von
vier milchweissen Pferden gezogen; voraus fahren zwei andere
Wagen, der erste mit Priestern, die fromme Sprüche lesen, der
zweite mit den Brüdern des Verstorbenen; ein mehrere Zoll breiter
Streifen Silberbrocat läuft von der Urne über den nächsten Wagen
bis zu dem der Priester und soll symbolisch die Verbindung zwischen
Leben, Tod und Budda darstellen. Hinter der Urne folgt ein Wa-
gen mit Sandelholzscheiten, Wachskerzen und Weihrauch. Gel-
lende Musik mit Pauken und Pfeifen geleitet den Zug. Findet die
Verbrennung bei einem der Tempel am jenseitigen Ufer statt, so
trägt das Leichenboot einen prächtigen Baldachin und wird von
vielen Staatsbooten bugsirt und begleitet.

Solche Procession fuhr eines Abends am Gesandtschafts-
hause vorüber nach Wat Kalaya; alle Boote waren hell erleuchtet,

19*

XXI. Einsargung königlicher Leichen.
sinnlichen, dass jeder Mensch dem Alter, der Krankheit und dem
Tode verfallen ist. Daneben hatte der König die Condolenzschrei-
ben seiner europäischen Freunde niedergelegt. Rechts und links
vom Katafalk lagen die Rang-Insignien der Königin; neben der
Thür hing ihr photographisches Porträt nebst einer Tafel, auf der
ihr Geburts- und Todestag, auch das Datum ihrer Erhebung ver-
zeichnet standen. — Gegenüber diesem Raume sassen fünf Priester,
Gebete singend. Der Ernst des Königs und die Andacht der Kinder,
die sich betend vor der Urne niederwarfen, machten den feierlichsten
Eindruck.

Ueber die Einsargung von Mitgliedern des Königshauses, —
die vor der Verbrennung, der König über ein Jahr, alle anderen
über sechs Monate, meist bis zur trockenen Jahreszeit beigesetzt
werden, — hörten wir Folgendes. Die Leiche wird von den Ver-
wandten gewaschen und aus silbernen Gefässen mit kaltem Wasser
gebadet, dann in sitzender Stellung eingehüllt, mit wohlriechenden
Harzen übergossen, mit Weihrauch und Myrrhen bestreut, in Lei-
chentücher gewickelt und in die goldene Urne gesetzt, deren Boden
ein Gitter bildet. Diese Urne stellt man in eine grössere juwelen-
besetzte, unten spitz zulaufende, aus welcher täglich die Flüssig-
keiten abgelassen werden, bis der Körper ausgetrocknet ist; Bonzen
schütten die Abgänge unter Gebeten in den Strom. Später wird
die Urne mit allen Insignien des Verstorbenen nach dem Tempel
Mahaphrasat gebracht und bleibt dort bis zur Verbrennung stehen.
— Der Leichenzug von da zum Scheiterhaufen muss sehr prächtig
sein. Die goldene Urne wird auf altfränkischem Elfenbeinwagen von
vier milchweissen Pferden gezogen; voraus fahren zwei andere
Wagen, der erste mit Priestern, die fromme Sprüche lesen, der
zweite mit den Brüdern des Verstorbenen; ein mehrere Zoll breiter
Streifen Silberbrocat läuft von der Urne über den nächsten Wagen
bis zu dem der Priester und soll symbolisch die Verbindung zwischen
Leben, Tod und Budda darstellen. Hinter der Urne folgt ein Wa-
gen mit Sandelholzscheiten, Wachskerzen und Weihrauch. Gel-
lende Musik mit Pauken und Pfeifen geleitet den Zug. Findet die
Verbrennung bei einem der Tempel am jenseitigen Ufer statt, so
trägt das Leichenboot einen prächtigen Baldachin und wird von
vielen Staatsbooten bugsirt und begleitet.

Solche Procession fuhr eines Abends am Gesandtschafts-
hause vorüber nach Wat Kalaya; alle Boote waren hell erleuchtet,

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[291/0305] XXI. Einsargung königlicher Leichen. sinnlichen, dass jeder Mensch dem Alter, der Krankheit und dem Tode verfallen ist. Daneben hatte der König die Condolenzschrei- ben seiner europäischen Freunde niedergelegt. Rechts und links vom Katafalk lagen die Rang-Insignien der Königin; neben der Thür hing ihr photographisches Porträt nebst einer Tafel, auf der ihr Geburts- und Todestag, auch das Datum ihrer Erhebung ver- zeichnet standen. — Gegenüber diesem Raume sassen fünf Priester, Gebete singend. Der Ernst des Königs und die Andacht der Kinder, die sich betend vor der Urne niederwarfen, machten den feierlichsten Eindruck. Ueber die Einsargung von Mitgliedern des Königshauses, — die vor der Verbrennung, der König über ein Jahr, alle anderen über sechs Monate, meist bis zur trockenen Jahreszeit beigesetzt werden, — hörten wir Folgendes. Die Leiche wird von den Ver- wandten gewaschen und aus silbernen Gefässen mit kaltem Wasser gebadet, dann in sitzender Stellung eingehüllt, mit wohlriechenden Harzen übergossen, mit Weihrauch und Myrrhen bestreut, in Lei- chentücher gewickelt und in die goldene Urne gesetzt, deren Boden ein Gitter bildet. Diese Urne stellt man in eine grössere juwelen- besetzte, unten spitz zulaufende, aus welcher täglich die Flüssig- keiten abgelassen werden, bis der Körper ausgetrocknet ist; Bonzen schütten die Abgänge unter Gebeten in den Strom. Später wird die Urne mit allen Insignien des Verstorbenen nach dem Tempel Mahaphrasat gebracht und bleibt dort bis zur Verbrennung stehen. — Der Leichenzug von da zum Scheiterhaufen muss sehr prächtig sein. Die goldene Urne wird auf altfränkischem Elfenbeinwagen von vier milchweissen Pferden gezogen; voraus fahren zwei andere Wagen, der erste mit Priestern, die fromme Sprüche lesen, der zweite mit den Brüdern des Verstorbenen; ein mehrere Zoll breiter Streifen Silberbrocat läuft von der Urne über den nächsten Wagen bis zu dem der Priester und soll symbolisch die Verbindung zwischen Leben, Tod und Budda darstellen. Hinter der Urne folgt ein Wa- gen mit Sandelholzscheiten, Wachskerzen und Weihrauch. Gel- lende Musik mit Pauken und Pfeifen geleitet den Zug. Findet die Verbrennung bei einem der Tempel am jenseitigen Ufer statt, so trägt das Leichenboot einen prächtigen Baldachin und wird von vielen Staatsbooten bugsirt und begleitet. Solche Procession fuhr eines Abends am Gesandtschafts- hause vorüber nach Wat Kalaya; alle Boote waren hell erleuchtet, 19*

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/305>, abgerufen am 03.05.2024.