Kammerzofen, über hundert Dienerinnen in bunten seidenen Saron's und Schärpen; diesen Theil des Zuges begleitete zu beiden Seiten die Amazonengarde, meist alte, hässliche Weiber von schwächlichem Aussehn in ungeschickten rothen Röcken und blauen Hosen, mit verrosteten Bajonetflinten bewaffnet.
Nun folgte ein bezopftes Musikcorps mit vielen Gongs, voran ein baumlanger Kerl als Fahnenträger, dann Possenreisser in Thier- masken. Der als Phaya Phollateph oder "Herr der Himmlischen Heerschaaren" fungirende jüngere Bruder der Kalahum, Phaya Wara Pon, wurde, in die reichsten Gewänder gehüllt, mit könig- lichem Diadem und prächtigen Spangen geschmückt, auf goldenem Sessel getragen, voraus viele Officiere und Hofbeamten in glänzender Tracht, hinterher mehrere Reihen Krieger mit zweihändigen Schwer- tern, sensenartigen Hellebarden, Lanzen und bunten seidenen Fähn- chen. Die Soldaten, -- etwa tausend, -- welche die Procession auf beiden Seiten escortirten, hatten bunt durcheinander orange- und rosenfarbene, gelbe, grüne, rothe Röcke an, sahen aber trotz der bunten Bewaffnung mit Schilden, Spiessen und Säbeln aller Länder und Zeiten keineswegs martialisch aus; die Kleider waren diesmal wenigstens neu, nicht abgetragen und zerlumpt, wie bei der feierlichen Audienz. -- Ein zweites chinesisches Musikcorps schloss den Zug.
Phaya Wara Pon nahm seinen Sitz unter einem Zelt, seine Begleiter, deren Säbel von Juwelen strotzten, kauerten vor ihm zur Erde; die Truppen stellten sich ringsum. Mitten auf dem Platz stand ein wohl hundert Fuss hohes Gerüst mit einer Schaukel, auf deren etwa dreissig Fuss über dem Boden schwebendem Brett vier Männer mit Galgengesichtern und spitzen weissen Mützen sassen, -- keineswegs der Vorstellung entsprechend, die man sich von Brah- minen macht. An einer entferntstehenden Bambusstange war in der Schwingungscurve des Schaukelbrettes ein goldgefülltes Beutelchen aufgehängt, das die Schaukler mit den Zähnen herabreissen sollten. Als die Schwingungen gross genug waren, zog man von unten den Strick fort, der die Schaukel bewegte, und überliess das Uebrige den Brahminen, die aus allen Kräften arbeitend dieselbe wohl in Gang hielten, das Beutelchen aber mit dem Munde nicht haschen konnten und zuletzt mit den Händen abrissen. Es sah halsbrechend aus; die Länge des Pendels schätzten wir -- vielleicht zu hoch -- auf siebzig Fuss, und die Höhe des Aufschwunges war so bedeutend,
IV. 19
XXI. Das Schwingfest.
Kammerzofen, über hundert Dienerinnen in bunten seidenen Saroṅ’s und Schärpen; diesen Theil des Zuges begleitete zu beiden Seiten die Amazonengarde, meist alte, hässliche Weiber von schwächlichem Aussehn in ungeschickten rothen Röcken und blauen Hosen, mit verrosteten Bajonetflinten bewaffnet.
Nun folgte ein bezopftes Musikcorps mit vielen Gongs, voran ein baumlanger Kerl als Fahnenträger, dann Possenreisser in Thier- masken. Der als Phaya Phollateph oder »Herr der Himmlischen Heerschaaren« fungirende jüngere Bruder der Kalahum, Phaya Wara Poṅ, wurde, in die reichsten Gewänder gehüllt, mit könig- lichem Diadem und prächtigen Spangen geschmückt, auf goldenem Sessel getragen, voraus viele Officiere und Hofbeamten in glänzender Tracht, hinterher mehrere Reihen Krieger mit zweihändigen Schwer- tern, sensenartigen Hellebarden, Lanzen und bunten seidenen Fähn- chen. Die Soldaten, — etwa tausend, — welche die Procession auf beiden Seiten escortirten, hatten bunt durcheinander orange- und rosenfarbene, gelbe, grüne, rothe Röcke an, sahen aber trotz der bunten Bewaffnung mit Schilden, Spiessen und Säbeln aller Länder und Zeiten keineswegs martialisch aus; die Kleider waren diesmal wenigstens neu, nicht abgetragen und zerlumpt, wie bei der feierlichen Audienz. — Ein zweites chinesisches Musikcorps schloss den Zug.
Phaya Wara Poṅ nahm seinen Sitz unter einem Zelt, seine Begleiter, deren Säbel von Juwelen strotzten, kauerten vor ihm zur Erde; die Truppen stellten sich ringsum. Mitten auf dem Platz stand ein wohl hundert Fuss hohes Gerüst mit einer Schaukel, auf deren etwa dreissig Fuss über dem Boden schwebendem Brett vier Männer mit Galgengesichtern und spitzen weissen Mützen sassen, — keineswegs der Vorstellung entsprechend, die man sich von Brah- minen macht. An einer entferntstehenden Bambusstange war in der Schwingungscurve des Schaukelbrettes ein goldgefülltes Beutelchen aufgehängt, das die Schaukler mit den Zähnen herabreissen sollten. Als die Schwingungen gross genug waren, zog man von unten den Strick fort, der die Schaukel bewegte, und überliess das Uebrige den Brahminen, die aus allen Kräften arbeitend dieselbe wohl in Gang hielten, das Beutelchen aber mit dem Munde nicht haschen konnten und zuletzt mit den Händen abrissen. Es sah halsbrechend aus; die Länge des Pendels schätzten wir — vielleicht zu hoch — auf siebzig Fuss, und die Höhe des Aufschwunges war so bedeutend,
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XXI. Das Schwingfest.
Kammerzofen, über hundert Dienerinnen in bunten seidenen Saroṅ’s
und Schärpen; diesen Theil des Zuges begleitete zu beiden Seiten
die Amazonengarde, meist alte, hässliche Weiber von schwächlichem
Aussehn in ungeschickten rothen Röcken und blauen Hosen, mit
verrosteten Bajonetflinten bewaffnet.
Nun folgte ein bezopftes Musikcorps mit vielen Gongs, voran
ein baumlanger Kerl als Fahnenträger, dann Possenreisser in Thier-
masken. Der als Phaya Phollateph oder »Herr der Himmlischen
Heerschaaren« fungirende jüngere Bruder der Kalahum, Phaya
Wara Poṅ, wurde, in die reichsten Gewänder gehüllt, mit könig-
lichem Diadem und prächtigen Spangen geschmückt, auf goldenem
Sessel getragen, voraus viele Officiere und Hofbeamten in glänzender
Tracht, hinterher mehrere Reihen Krieger mit zweihändigen Schwer-
tern, sensenartigen Hellebarden, Lanzen und bunten seidenen Fähn-
chen. Die Soldaten, — etwa tausend, — welche die Procession
auf beiden Seiten escortirten, hatten bunt durcheinander orange-
und rosenfarbene, gelbe, grüne, rothe Röcke an, sahen aber trotz
der bunten Bewaffnung mit Schilden, Spiessen und Säbeln aller
Länder und Zeiten keineswegs martialisch aus; die Kleider waren
diesmal wenigstens neu, nicht abgetragen und zerlumpt, wie bei der
feierlichen Audienz. — Ein zweites chinesisches Musikcorps schloss
den Zug.
Phaya Wara Poṅ nahm seinen Sitz unter einem Zelt, seine
Begleiter, deren Säbel von Juwelen strotzten, kauerten vor ihm zur
Erde; die Truppen stellten sich ringsum. Mitten auf dem Platz
stand ein wohl hundert Fuss hohes Gerüst mit einer Schaukel, auf
deren etwa dreissig Fuss über dem Boden schwebendem Brett vier
Männer mit Galgengesichtern und spitzen weissen Mützen sassen, —
keineswegs der Vorstellung entsprechend, die man sich von Brah-
minen macht. An einer entferntstehenden Bambusstange war in der
Schwingungscurve des Schaukelbrettes ein goldgefülltes Beutelchen
aufgehängt, das die Schaukler mit den Zähnen herabreissen sollten.
Als die Schwingungen gross genug waren, zog man von unten den
Strick fort, der die Schaukel bewegte, und überliess das Uebrige
den Brahminen, die aus allen Kräften arbeitend dieselbe wohl in
Gang hielten, das Beutelchen aber mit dem Munde nicht haschen
konnten und zuletzt mit den Händen abrissen. Es sah halsbrechend
aus; die Länge des Pendels schätzten wir — vielleicht zu hoch —
auf siebzig Fuss, und die Höhe des Aufschwunges war so bedeutend,
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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/303>, abgerufen am 23.11.2024.
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