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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Das Schwingfest. XXI.
nicht beinkleidartig gefaltet, sondern fiel wie ein Unterrock bis auf
die Knöchel herab. Der corpulente Surivon und der Sohn des
Kalahum, -- der zweite Gesandte, -- trugen sogar Schuhe und
Strümpfe. Am besten kleidete die Uniform einen vierzehnjährigen
Enkel des Kalahum, der ebenfalls die Gesandtschaft nach Europa
begleitet und in Paris, wie seine Verwandten stolz erzählten, von
der Kaiserin einen Kuss bekommen hatte. Tafelgeräth und Bedie-
nung waren glänzend, die Speisen aber grossentheils kalt; die pein-
liche Erregung des Wirthes, der nicht aufhörte die Dienerschaft
anzuherrschen, zeigte Mangel an Uebung und Sicherheit. Im Hof
spielte das Musikcorps der Arkona, dann ein siamesisches Orchester.
-- Die Gemächer des Kalahum sahen nicht so festlich aus wie beim
ersten Besuch; alle kostbaren Geburtstagsdarlehne waren ver-
schwunden.

Am 8. Januar wurde auf dem früher beschriebenen freien
Platz vor der Palaststadt des ersten Königs das Schwingfest gefeiert,
das vorderindischen Ursprungs ist. Die Brahminen, deren Tem-
pel an jenem Platze liegt, sollen zu Leitung aller bürgerlichen
Feste in Siam berufen sein; beim Schwingfest sind sie die Haupt-
personen. Ueber ihre Stellung zum Buddismus konnten wir keine
Klarheit gewinnen; sicher haben sie bei den Hofceremonieen wichtige
Functionen und stehen in directen Beziehungen zum Thron. Die
weltregierende Gottheit, welche im Brahminentempel zu Bankok
verehrt wird, scheint in das buddistische Pandämonium aufgenom-
men zu sein.

Auf dem Platz drängte sich eine bunte Volksmenge, als
wir gegen vier Uhr Nachmittags eintrafen. Gegen halb fünf kam
der königliche Zug: voran vier grosse Elephanten mit prächtigen
goldgefassten Stosszähnen; dann eine Schaar Polizeidiener mit
Ruthenbündeln, ähnlich den Fasces der römischen Lictoren, und
auf struppigen Ponies zwei Hofdamen der verstorbenen Königin,
komisch aufgeputzt in zerknitterter pariser Abendtoilette; ganz weiss
geschminkt, mit modernen Chignon-Perrücken, glichen sie auf den
trippelnden Pferdchen aufs Haar verkleideten Clowns aus dem Cir-
cus. Hinter ihnen schritten gravitätisch vier mächtige Elephanten
im reichsten Geschirr, auf den breiten Rücken eine Schaar Königs-
kinder tragend, die uns jubelnd begrüssten; in Festgewänder ge-
kleidet, mit schimmerndem Goldschmuck sahen sie bunt und prächtig
aus. Hinter jedem Elephanten gingen, lustig plaudernd wie andere

Das Schwingfest. XXI.
nicht beinkleidartig gefaltet, sondern fiel wie ein Unterrock bis auf
die Knöchel herab. Der corpulente Surivoṅ und der Sohn des
Kalahum, — der zweite Gesandte, — trugen sogar Schuhe und
Strümpfe. Am besten kleidete die Uniform einen vierzehnjährigen
Enkel des Kalahum, der ebenfalls die Gesandtschaft nach Europa
begleitet und in Paris, wie seine Verwandten stolz erzählten, von
der Kaiserin einen Kuss bekommen hatte. Tafelgeräth und Bedie-
nung waren glänzend, die Speisen aber grossentheils kalt; die pein-
liche Erregung des Wirthes, der nicht aufhörte die Dienerschaft
anzuherrschen, zeigte Mangel an Uebung und Sicherheit. Im Hof
spielte das Musikcorps der Arkona, dann ein siamesisches Orchester.
— Die Gemächer des Kalahum sahen nicht so festlich aus wie beim
ersten Besuch; alle kostbaren Geburtstagsdarlehne waren ver-
schwunden.

Am 8. Januar wurde auf dem früher beschriebenen freien
Platz vor der Palaststadt des ersten Königs das Schwingfest gefeiert,
das vorderindischen Ursprungs ist. Die Brahminen, deren Tem-
pel an jenem Platze liegt, sollen zu Leitung aller bürgerlichen
Feste in Siam berufen sein; beim Schwingfest sind sie die Haupt-
personen. Ueber ihre Stellung zum Buddismus konnten wir keine
Klarheit gewinnen; sicher haben sie bei den Hofceremonieen wichtige
Functionen und stehen in directen Beziehungen zum Thron. Die
weltregierende Gottheit, welche im Brahminentempel zu Baṅkok
verehrt wird, scheint in das buddistische Pandämonium aufgenom-
men zu sein.

Auf dem Platz drängte sich eine bunte Volksmenge, als
wir gegen vier Uhr Nachmittags eintrafen. Gegen halb fünf kam
der königliche Zug: voran vier grosse Elephanten mit prächtigen
goldgefassten Stosszähnen; dann eine Schaar Polizeidiener mit
Ruthenbündeln, ähnlich den Fasces der römischen Lictoren, und
auf struppigen Ponies zwei Hofdamen der verstorbenen Königin,
komisch aufgeputzt in zerknitterter pariser Abendtoilette; ganz weiss
geschminkt, mit modernen Chignon-Perrücken, glichen sie auf den
trippelnden Pferdchen aufs Haar verkleideten Clowns aus dem Cir-
cus. Hinter ihnen schritten gravitätisch vier mächtige Elephanten
im reichsten Geschirr, auf den breiten Rücken eine Schaar Königs-
kinder tragend, die uns jubelnd begrüssten; in Festgewänder ge-
kleidet, mit schimmerndem Goldschmuck sahen sie bunt und prächtig
aus. Hinter jedem Elephanten gingen, lustig plaudernd wie andere

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[288/0302] Das Schwingfest. XXI. nicht beinkleidartig gefaltet, sondern fiel wie ein Unterrock bis auf die Knöchel herab. Der corpulente Surivoṅ und der Sohn des Kalahum, — der zweite Gesandte, — trugen sogar Schuhe und Strümpfe. Am besten kleidete die Uniform einen vierzehnjährigen Enkel des Kalahum, der ebenfalls die Gesandtschaft nach Europa begleitet und in Paris, wie seine Verwandten stolz erzählten, von der Kaiserin einen Kuss bekommen hatte. Tafelgeräth und Bedie- nung waren glänzend, die Speisen aber grossentheils kalt; die pein- liche Erregung des Wirthes, der nicht aufhörte die Dienerschaft anzuherrschen, zeigte Mangel an Uebung und Sicherheit. Im Hof spielte das Musikcorps der Arkona, dann ein siamesisches Orchester. — Die Gemächer des Kalahum sahen nicht so festlich aus wie beim ersten Besuch; alle kostbaren Geburtstagsdarlehne waren ver- schwunden. Am 8. Januar wurde auf dem früher beschriebenen freien Platz vor der Palaststadt des ersten Königs das Schwingfest gefeiert, das vorderindischen Ursprungs ist. Die Brahminen, deren Tem- pel an jenem Platze liegt, sollen zu Leitung aller bürgerlichen Feste in Siam berufen sein; beim Schwingfest sind sie die Haupt- personen. Ueber ihre Stellung zum Buddismus konnten wir keine Klarheit gewinnen; sicher haben sie bei den Hofceremonieen wichtige Functionen und stehen in directen Beziehungen zum Thron. Die weltregierende Gottheit, welche im Brahminentempel zu Baṅkok verehrt wird, scheint in das buddistische Pandämonium aufgenom- men zu sein. Auf dem Platz drängte sich eine bunte Volksmenge, als wir gegen vier Uhr Nachmittags eintrafen. Gegen halb fünf kam der königliche Zug: voran vier grosse Elephanten mit prächtigen goldgefassten Stosszähnen; dann eine Schaar Polizeidiener mit Ruthenbündeln, ähnlich den Fasces der römischen Lictoren, und auf struppigen Ponies zwei Hofdamen der verstorbenen Königin, komisch aufgeputzt in zerknitterter pariser Abendtoilette; ganz weiss geschminkt, mit modernen Chignon-Perrücken, glichen sie auf den trippelnden Pferdchen aufs Haar verkleideten Clowns aus dem Cir- cus. Hinter ihnen schritten gravitätisch vier mächtige Elephanten im reichsten Geschirr, auf den breiten Rücken eine Schaar Königs- kinder tragend, die uns jubelnd begrüssten; in Festgewänder ge- kleidet, mit schimmerndem Goldschmuck sahen sie bunt und prächtig aus. Hinter jedem Elephanten gingen, lustig plaudernd wie andere

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/302>, abgerufen am 23.11.2024.