[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.Einnahme von Tsu-san. besitzt nur die grösste. Die Bevölkerung hatte keine Ahnung vomKriege mit England; unbefangen fuhren die Fischer dem Feinde entgegen und boten ihre Dienste an. Bei der Hauptstadt Tin-hae legten sich die anwesenden Kriegs-Dschunken vor die Handels- flotte; die Ufer wimmelten von Menschen als das Geschwader erschien. Der chinesische Admiral kam an Bord des Flagg-Schiffes Wellesley, liess sich die Ursachen und den Zweck der Feindselig- keiten erklären und beklagte sich bitter, dass Unschuldige für die Fehler der Kantonesen leiden sollten; gegen diese möchten die Engländer kämpfen. "Wir erkennen euere Uebermacht; unser Wider- stand ist nutzlos, und doch müssen wir Widerstand leisten. Ver- lieren wir gleich das Leben, so haben wir doch unsere Pflicht 5. Juli 1840.erfüllt." Am folgenden Morgen waren auf den Uferhügeln Ge- schütze aufgestellt; geschäftig lief die Mannschaft durcheinander. Alle Kriegs-Dschunken lagen vor dem Hafen, ihnen gegenüber das englische Geschwader. Commodore Bremer wartete bis zwei Uhr auf friedliche Uebergabe und liess dann Truppen ausschiffen, die auf der anderen Seite der Insel landeten. Um halb drei fiel auf dem Wellesley der erste Schuss; sämmtliche Kriegs-Dschunken und Ufer-Geschütze antworteten. Die Engländer feuerten nur neun Minuten und liessen darauf die einzelnen Schüsse der Chinesen unbeantwortet, denn der Zweck war erreicht. Die Dschunken und ein Theil der Stadt lagen zerstört, und unter den Trümmern viele Einwohner begraben. Grosse Volkshaufen flohen in das Innere der Insel. Die Engländer konnten ohne Widerstand Tin-hae besetzen, hatten aber Mühe, den Diebesbanden zu steuern, welche die verlassenen Häuser und die öffentlichen Kassen plünderten. -- Der chinesische Admiral wurde schwer verwundet, der erste Civilbeamte ertränkte sich aus Verzweiflung; andere fielen, die meisten flohen. Die Engländer richteten sich auf längere Zeit ein, denn Einnahme von Tšu-san. besitzt nur die grösste. Die Bevölkerung hatte keine Ahnung vomKriege mit England; unbefangen fuhren die Fischer dem Feinde entgegen und boten ihre Dienste an. Bei der Hauptstadt Tiṅ-hae legten sich die anwesenden Kriegs-Dschunken vor die Handels- flotte; die Ufer wimmelten von Menschen als das Geschwader erschien. Der chinesische Admiral kam an Bord des Flagg-Schiffes Wellesley, liess sich die Ursachen und den Zweck der Feindselig- keiten erklären und beklagte sich bitter, dass Unschuldige für die Fehler der Kantonesen leiden sollten; gegen diese möchten die Engländer kämpfen. »Wir erkennen euere Uebermacht; unser Wider- stand ist nutzlos, und doch müssen wir Widerstand leisten. Ver- lieren wir gleich das Leben, so haben wir doch unsere Pflicht 5. Juli 1840.erfüllt.« Am folgenden Morgen waren auf den Uferhügeln Ge- schütze aufgestellt; geschäftig lief die Mannschaft durcheinander. Alle Kriegs-Dschunken lagen vor dem Hafen, ihnen gegenüber das englische Geschwader. Commodore Bremer wartete bis zwei Uhr auf friedliche Uebergabe und liess dann Truppen ausschiffen, die auf der anderen Seite der Insel landeten. Um halb drei fiel auf dem Wellesley der erste Schuss; sämmtliche Kriegs-Dschunken und Ufer-Geschütze antworteten. Die Engländer feuerten nur neun Minuten und liessen darauf die einzelnen Schüsse der Chinesen unbeantwortet, denn der Zweck war erreicht. Die Dschunken und ein Theil der Stadt lagen zerstört, und unter den Trümmern viele Einwohner begraben. Grosse Volkshaufen flohen in das Innere der Insel. Die Engländer konnten ohne Widerstand Tiṅ-hae besetzen, hatten aber Mühe, den Diebesbanden zu steuern, welche die verlassenen Häuser und die öffentlichen Kassen plünderten. — Der chinesische Admiral wurde schwer verwundet, der erste Civilbeamte ertränkte sich aus Verzweiflung; andere fielen, die meisten flohen. 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Einnahme von Tšu-san.
besitzt nur die grösste. Die Bevölkerung hatte keine Ahnung vom
Kriege mit England; unbefangen fuhren die Fischer dem Feinde
entgegen und boten ihre Dienste an. Bei der Hauptstadt Tiṅ-hae
legten sich die anwesenden Kriegs-Dschunken vor die Handels-
flotte; die Ufer wimmelten von Menschen als das Geschwader
erschien. Der chinesische Admiral kam an Bord des Flagg-Schiffes
Wellesley, liess sich die Ursachen und den Zweck der Feindselig-
keiten erklären und beklagte sich bitter, dass Unschuldige für die
Fehler der Kantonesen leiden sollten; gegen diese möchten die
Engländer kämpfen. »Wir erkennen euere Uebermacht; unser Wider-
stand ist nutzlos, und doch müssen wir Widerstand leisten. Ver-
lieren wir gleich das Leben, so haben wir doch unsere Pflicht
erfüllt.« Am folgenden Morgen waren auf den Uferhügeln Ge-
schütze aufgestellt; geschäftig lief die Mannschaft durcheinander.
Alle Kriegs-Dschunken lagen vor dem Hafen, ihnen gegenüber
das englische Geschwader. Commodore Bremer wartete bis zwei
Uhr auf friedliche Uebergabe und liess dann Truppen ausschiffen,
die auf der anderen Seite der Insel landeten. Um halb drei fiel
auf dem Wellesley der erste Schuss; sämmtliche Kriegs-Dschunken
und Ufer-Geschütze antworteten. Die Engländer feuerten nur
neun Minuten und liessen darauf die einzelnen Schüsse der Chinesen
unbeantwortet, denn der Zweck war erreicht. Die Dschunken und
ein Theil der Stadt lagen zerstört, und unter den Trümmern
viele Einwohner begraben. Grosse Volkshaufen flohen in das
Innere der Insel. Die Engländer konnten ohne Widerstand
Tiṅ-hae besetzen, hatten aber Mühe, den Diebesbanden zu
steuern, welche die verlassenen Häuser und die öffentlichen Kassen
plünderten. — Der chinesische Admiral wurde schwer verwundet, der
erste Civilbeamte ertränkte sich aus Verzweiflung; andere fielen,
die meisten flohen.
5. Juli 1840.
Die Engländer richteten sich auf längere Zeit ein, denn
Tšu-san ist die beste Operationsbasis gegen die Mündung des
Yaṅ-tse-kiaṅ und den Norden. Sie gewannen bald das Vertrauen
der Bevölkerung, die schaarenweise zurückkehrte. Die Mandarinen
des nahe gelegenen Festlandes liessen aber durch Streifbanden
jeden Engländer aufgreifen, der sich aus der Stadt entfernte. Es
war unmöglich, diesem Unwesen gänzlich zu steuern; oft wurden
Soldaten durch verrätherische Freundlichkeit in die Falle gelockt
und grausam ermordet oder fortgeschleppt. Die Mandarinen terro-
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