Handel vorkommenden Unregelmässigkeiten mit blutiger Härte ent- gegentraten, sahen sie ruhig den Gewaltthaten der Schmuggler zu, welche mit frechem Trotz die Gesetze höhnten. Die verwilderte Mannschaft der Opium-Schiffe bediente sich ihrer Waffen mit brutalem Leichtsinn. Oft wurden auf Lin-tin Chinesen erschossen, die sich nicht blind der Willkür dieses Gesindels fügten. Klagten die Verwandten bei den Mandarinen, so wiesen diese sie entweder ab, oder liessen die an den Factorei-Ausschuss gerichteten Anträge auf Bestrafung der Schuldigen sogleich wieder fallen; denn jede Untersuchung hätte das ungesetzliche Treiben an den Tag gebracht und die Mandarinen ihrer besten Einkünfte beraubt. Der Aus- schuss aber verwahrte sich gegen jede Verantwortlichkeit für die Schmuggler.
Die glänzenden Erfolge des Schleichhandels mit Opium und die dadurch bewiesene Möglichkeit, dem Handel auf ungesetz- lichem Wege grössere Ausdehnung zu geben, durch Bestechung der Mandarinen höheren Gewinn zu erzielen, als auf gesetzlichem Wege möglich war, erweckten bei den Engländern den Gedanken, denselben auch auf andere Artikel auszudehnen und systematisch zu treiben. Einige Schiffe gingen zunächst nach den Küsten östlich von Kan-ton, fanden aber für englische Manufacturen keinen Ab- satz; nur Opium und etwas Salpeter liessen sich verkaufen. Die Sache beschäftigte aber so sehr alle am chinesischen Handel Be- theiligten, nicht nur in Kan-ton sondern auch in England, -- wo Viele die grössten Hoffnungen darauf setzten und aus diesem Gesichtspunkt die Aufhebung des Monopoles wünschten, -- dass der Ausschuss der Compagnie-Beamten selbst einen Versuch zu machen beschloss. Ein ostindisches Fahrzeug, der Lord Amherst, wurde mit allen möglichen dem Bedürfniss und Geschmack der Chinesen angepassten Artikeln befrachtet und unter den Befehl eines Beamten der Compagnie gestellt. Der Missionar Gützlaff begleitete denselben als Dolmetscher. Am 26. Februar 1832 segelte das Schiff von Kan-ton ab und kehrte am 4. September dahin zurück. Es hatte die Häfen A-moi, Fut-sau, Nin-po, Shang-hae berührt, auf dem Rückwege Korea und die Liu-kiu-Inseln an- gelaufen. Fast überall wurden die Engländer freundlich aufgenom- men, scheiterten aber in ihren Bestrebungen. Wo die Mandarinen sich abweisend verhielten, stürmten jene geständlich deren Woh- nungen, rannten ihre Dschunken an und schlugen die Thüren der
Handel vorkommenden Unregelmässigkeiten mit blutiger Härte ent- gegentraten, sahen sie ruhig den Gewaltthaten der Schmuggler zu, welche mit frechem Trotz die Gesetze höhnten. Die verwilderte Mannschaft der Opium-Schiffe bediente sich ihrer Waffen mit brutalem Leichtsinn. Oft wurden auf Lin-tin Chinesen erschossen, die sich nicht blind der Willkür dieses Gesindels fügten. Klagten die Verwandten bei den Mandarinen, so wiesen diese sie entweder ab, oder liessen die an den Factorei-Ausschuss gerichteten Anträge auf Bestrafung der Schuldigen sogleich wieder fallen; denn jede Untersuchung hätte das ungesetzliche Treiben an den Tag gebracht und die Mandarinen ihrer besten Einkünfte beraubt. Der Aus- schuss aber verwahrte sich gegen jede Verantwortlichkeit für die Schmuggler.
Die glänzenden Erfolge des Schleichhandels mit Opium und die dadurch bewiesene Möglichkeit, dem Handel auf ungesetz- lichem Wege grössere Ausdehnung zu geben, durch Bestechung der Mandarinen höheren Gewinn zu erzielen, als auf gesetzlichem Wege möglich war, erweckten bei den Engländern den Gedanken, denselben auch auf andere Artikel auszudehnen und systematisch zu treiben. Einige Schiffe gingen zunächst nach den Küsten östlich von Kan-ton, fanden aber für englische Manufacturen keinen Ab- satz; nur Opium und etwas Salpeter liessen sich verkaufen. Die Sache beschäftigte aber so sehr alle am chinesischen Handel Be- theiligten, nicht nur in Kan-ton sondern auch in England, — wo Viele die grössten Hoffnungen darauf setzten und aus diesem Gesichtspunkt die Aufhebung des Monopoles wünschten, — dass der Ausschuss der Compagnie-Beamten selbst einen Versuch zu machen beschloss. Ein ostindisches Fahrzeug, der Lord Amherst, wurde mit allen möglichen dem Bedürfniss und Geschmack der Chinesen angepassten Artikeln befrachtet und unter den Befehl eines Beamten der Compagnie gestellt. Der Missionar Gützlaff begleitete denselben als Dolmetscher. Am 26. Februar 1832 segelte das Schiff von Kan-ton ab und kehrte am 4. September dahin zurück. Es hatte die Häfen A-moi, Fut-šau, Niṅ-po, Shang-hae berührt, auf dem Rückwege Korea und die Liu-kiu-Inseln an- gelaufen. Fast überall wurden die Engländer freundlich aufgenom- men, scheiterten aber in ihren Bestrebungen. Wo die Mandarinen sich abweisend verhielten, stürmten jene geständlich deren Woh- nungen, rannten ihre Dschunken an und schlugen die Thüren der
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Schleichhandel. — Der Lord Amherst.
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gegentraten, sahen sie ruhig den Gewaltthaten der Schmuggler zu,
welche mit frechem Trotz die Gesetze höhnten. Die verwilderte
Mannschaft der Opium-Schiffe bediente sich ihrer Waffen mit
brutalem Leichtsinn. Oft wurden auf Lin-tin Chinesen erschossen,
die sich nicht blind der Willkür dieses Gesindels fügten. Klagten
die Verwandten bei den Mandarinen, so wiesen diese sie entweder
ab, oder liessen die an den Factorei-Ausschuss gerichteten Anträge
auf Bestrafung der Schuldigen sogleich wieder fallen; denn jede
Untersuchung hätte das ungesetzliche Treiben an den Tag gebracht
und die Mandarinen ihrer besten Einkünfte beraubt. Der Aus-
schuss aber verwahrte sich gegen jede Verantwortlichkeit für die
Schmuggler.
Die glänzenden Erfolge des Schleichhandels mit Opium
und die dadurch bewiesene Möglichkeit, dem Handel auf ungesetz-
lichem Wege grössere Ausdehnung zu geben, durch Bestechung
der Mandarinen höheren Gewinn zu erzielen, als auf gesetzlichem
Wege möglich war, erweckten bei den Engländern den Gedanken,
denselben auch auf andere Artikel auszudehnen und systematisch
zu treiben. Einige Schiffe gingen zunächst nach den Küsten östlich
von Kan-ton, fanden aber für englische Manufacturen keinen Ab-
satz; nur Opium und etwas Salpeter liessen sich verkaufen. Die
Sache beschäftigte aber so sehr alle am chinesischen Handel Be-
theiligten, nicht nur in Kan-ton sondern auch in England, — wo
Viele die grössten Hoffnungen darauf setzten und aus diesem
Gesichtspunkt die Aufhebung des Monopoles wünschten, — dass
der Ausschuss der Compagnie-Beamten selbst einen Versuch zu
machen beschloss. Ein ostindisches Fahrzeug, der Lord Amherst,
wurde mit allen möglichen dem Bedürfniss und Geschmack der
Chinesen angepassten Artikeln befrachtet und unter den Befehl
eines Beamten der Compagnie gestellt. Der Missionar Gützlaff
begleitete denselben als Dolmetscher. Am 26. Februar 1832 segelte
das Schiff von Kan-ton ab und kehrte am 4. September dahin
zurück. Es hatte die Häfen A-moi, Fut-šau, Niṅ-po, Shang-hae
berührt, auf dem Rückwege Korea und die Liu-kiu-Inseln an-
gelaufen. Fast überall wurden die Engländer freundlich aufgenom-
men, scheiterten aber in ihren Bestrebungen. Wo die Mandarinen
sich abweisend verhielten, stürmten jene geständlich deren Woh-
nungen, rannten ihre Dschunken an und schlugen die Thüren der
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/79>, abgerufen am 27.07.2024.
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