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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Die Ansiedler. XIII.
Talent entwickelt, durch geschickte Theilung aus jedem Dollar
fünf Viertheile zu schlagen, eine Manipulation, in welcher auch die
Matrosen der Arkona und Thetis sehr geschickt wurden. -- Grossen
Luxus trieben damals die vornehmsten englischen Handlungshäuser
in Dampfern: nur um in Shang-hae die Post aus Hong-kong einige
Stunden vor Ankunft des "P. and O."126) Schiffes zu haben, liessen
sie auf berühmten schottischen Werften die schnellsten Dampfer
bauen; bei günstigen Conjuncturen sollen oft grosse Summen da-
mit gewonnen werden.

Man lebt in Shang-hae wie in europäischen Städten und
würde sich kaum im fremden Welttheil fühlen, wenn nicht die bei
uns die Hauptmasse der Bevölkerung bildenden ärmeren Classen
fehlten. Die "Gesellschaft" ist sehr klein, in wenig Tagen kennt
man alle Gesichter. Die Gegenwart der französischen und der
englischen Garnison, welche zum Schutz gegen die Tae-pin in
Shang-hae blieben, brachte damals einige Abwechselung in das
gesellige Leben. Die angesiedelten Kaufleute, die Consuln, die Be-
fehlshaber der Truppen und Kriegsschiffe wetteiferten in Festlich-
keiten, -- aber die glänzendsten Bälle konnten nur sechszehn Da-
men aufweisen, darunter eine unverheirathete; das war der ganze
Bestand. Bei allem Glanz und Luxus hat die Geselligkeit in diesen
Ansiedlungen etwas unharmonisches; die Damen besonders stammen
aus den verschiedensten Lebenskreisen, und da hier alles Ansehn
auf Reichthum beruht, so begegnet man starken Anomalieen; an
Stadtklatsch und Kabalen ist kein Mangel.

Für uns war der Aufenthalt in Shang-hae ein angenehmer
Ruhepunct, eine kurze Pause der Reise im fremden Welttheil, fast
eine vorübergehende Rückkehr auf europäischen Boden. Den
gastfreien Ansiedlern dankten wir willkommene Belehrung über Land
und Leute, den fremden Officieren anziehende Berichte aus dem
jüngsten Feldzug über Pe-kin und den Sommer-Palast, von wo
sie manches Beutestück zeigten. Graf Eulenburg erwiederte die
erwiesene Gastfreundschaft durch mehrere Feste an Bord der Ar-
kona: zunächst am allerhöchsten Geburtstage Seiner Majestät des
Königs, an welchem nicht nur die preussischen und die fremden
Kriegsschiffe, sondern auch die Handelsschiffe aller Nationen schon
früh im reichsten Flaggenschmuck prangten. Auf der Arkona war

126) Peninsular and Oriental steam-navigation-company.

Die Ansiedler. XIII.
Talent entwickelt, durch geschickte Theilung aus jedem Dollar
fünf Viertheile zu schlagen, eine Manipulation, in welcher auch die
Matrosen der Arkona und Thetis sehr geschickt wurden. — Grossen
Luxus trieben damals die vornehmsten englischen Handlungshäuser
in Dampfern: nur um in Shang-hae die Post aus Hong-kong einige
Stunden vor Ankunft des »P. and O.«126) Schiffes zu haben, liessen
sie auf berühmten schottischen Werften die schnellsten Dampfer
bauen; bei günstigen Conjuncturen sollen oft grosse Summen da-
mit gewonnen werden.

Man lebt in Shang-hae wie in europäischen Städten und
würde sich kaum im fremden Welttheil fühlen, wenn nicht die bei
uns die Hauptmasse der Bevölkerung bildenden ärmeren Classen
fehlten. Die »Gesellschaft« ist sehr klein, in wenig Tagen kennt
man alle Gesichter. Die Gegenwart der französischen und der
englischen Garnison, welche zum Schutz gegen die Tae-piṅ in
Shang-hae blieben, brachte damals einige Abwechselung in das
gesellige Leben. Die angesiedelten Kaufleute, die Consuln, die Be-
fehlshaber der Truppen und Kriegsschiffe wetteiferten in Festlich-
keiten, — aber die glänzendsten Bälle konnten nur sechszehn Da-
men aufweisen, darunter eine unverheirathete; das war der ganze
Bestand. Bei allem Glanz und Luxus hat die Geselligkeit in diesen
Ansiedlungen etwas unharmonisches; die Damen besonders stammen
aus den verschiedensten Lebenskreisen, und da hier alles Ansehn
auf Reichthum beruht, so begegnet man starken Anomalieen; an
Stadtklatsch und Kabalen ist kein Mangel.

Für uns war der Aufenthalt in Shang-hae ein angenehmer
Ruhepunct, eine kurze Pause der Reise im fremden Welttheil, fast
eine vorübergehende Rückkehr auf europäischen Boden. Den
gastfreien Ansiedlern dankten wir willkommene Belehrung über Land
und Leute, den fremden Officieren anziehende Berichte aus dem
jüngsten Feldzug über Pe-kiṅ und den Sommer-Palast, von wo
sie manches Beutestück zeigten. Graf Eulenburg erwiederte die
erwiesene Gastfreundschaft durch mehrere Feste an Bord der Ar-
kona: zunächst am allerhöchsten Geburtstage Seiner Majestät des
Königs, an welchem nicht nur die preussischen und die fremden
Kriegsschiffe, sondern auch die Handelsschiffe aller Nationen schon
früh im reichsten Flaggenschmuck prangten. Auf der Arkona war

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[378/0400] Die Ansiedler. XIII. Talent entwickelt, durch geschickte Theilung aus jedem Dollar fünf Viertheile zu schlagen, eine Manipulation, in welcher auch die Matrosen der Arkona und Thetis sehr geschickt wurden. — Grossen Luxus trieben damals die vornehmsten englischen Handlungshäuser in Dampfern: nur um in Shang-hae die Post aus Hong-kong einige Stunden vor Ankunft des »P. and O.« 126) Schiffes zu haben, liessen sie auf berühmten schottischen Werften die schnellsten Dampfer bauen; bei günstigen Conjuncturen sollen oft grosse Summen da- mit gewonnen werden. Man lebt in Shang-hae wie in europäischen Städten und würde sich kaum im fremden Welttheil fühlen, wenn nicht die bei uns die Hauptmasse der Bevölkerung bildenden ärmeren Classen fehlten. Die »Gesellschaft« ist sehr klein, in wenig Tagen kennt man alle Gesichter. Die Gegenwart der französischen und der englischen Garnison, welche zum Schutz gegen die Tae-piṅ in Shang-hae blieben, brachte damals einige Abwechselung in das gesellige Leben. Die angesiedelten Kaufleute, die Consuln, die Be- fehlshaber der Truppen und Kriegsschiffe wetteiferten in Festlich- keiten, — aber die glänzendsten Bälle konnten nur sechszehn Da- men aufweisen, darunter eine unverheirathete; das war der ganze Bestand. Bei allem Glanz und Luxus hat die Geselligkeit in diesen Ansiedlungen etwas unharmonisches; die Damen besonders stammen aus den verschiedensten Lebenskreisen, und da hier alles Ansehn auf Reichthum beruht, so begegnet man starken Anomalieen; an Stadtklatsch und Kabalen ist kein Mangel. Für uns war der Aufenthalt in Shang-hae ein angenehmer Ruhepunct, eine kurze Pause der Reise im fremden Welttheil, fast eine vorübergehende Rückkehr auf europäischen Boden. Den gastfreien Ansiedlern dankten wir willkommene Belehrung über Land und Leute, den fremden Officieren anziehende Berichte aus dem jüngsten Feldzug über Pe-kiṅ und den Sommer-Palast, von wo sie manches Beutestück zeigten. Graf Eulenburg erwiederte die erwiesene Gastfreundschaft durch mehrere Feste an Bord der Ar- kona: zunächst am allerhöchsten Geburtstage Seiner Majestät des Königs, an welchem nicht nur die preussischen und die fremden Kriegsschiffe, sondern auch die Handelsschiffe aller Nationen schon früh im reichsten Flaggenschmuck prangten. Auf der Arkona war 126) Peninsular and Oriental steam-navigation-company.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/400>, abgerufen am 22.11.2024.