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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Befreiung der Gefangenen in Pe-kin.
weit; deshalb schrieb er Lord Elgin, die Gefangenen sollten sofort
ausgeliefert werden, wenn die Truppen aus dem Sommerpalast ent-
fernt würden, den sie eben plünderten. Zu gleicher Zeit war Lord
Elgin's Schreiben gekommen, das zu einer Zusammenkunft vor dem
Ti-sin-Thore um vier Uhr Nachmittags aufforderte. Han-ki habe
sich dort eingefunden; aber die Alliirten verlangten jetzt ausser
Freigebung der Gefangenen auch noch die Auslieferung eines Stadt-
thores; das sei ganz unmöglich. Herr Parkes las das Schreiben
der Generale und rieth zu Fügsamkeit. -- Einige Augenblicke waren
die Aussichten wieder sehr düster; endlich erklärte Han-ki, die
Auslieferung der Gefangenen solle Nachmittags erfolgen. Gegen
zwei Uhr meldete er, dass alle versammelt seien; unter starker Be-
deckung fuhr man sie, jeden in einem Karren, nach dem Nord-
West-Thore Se-tsi-men. Hinter ihnen wurden die Thorflügel
zugeworfen. Kein Chinese wagte sich hinaus; sie mussten sich den
Weg nach dem Lager selbst suchen.

Die anderen der Sprache unkundigen Gefangenen in Pe-kin
wurden ähnlich behandelt wie Herr Parkes, dessen männliche
Haltung auf das Schicksal aller den besten Einfluss übte.118) Viel
trauriger war das Loos derjenigen, welche auf San-ko-lin-sin's
Befehl bei Beginn der Schlacht nach Tsan-kia-van gebracht wer-
den sollten. Gleich nachdem Parkes, Loch und der indische Reiter
sich von ihnen trennten, wurden Jene von dichten Haufen umdrängt,
mussten absteigen und ihre Waffen abliefern. Nachher gab man
ihnen die Pferde wieder und führte sie zum Uebernachten nach
einem Tempel zwischen Tun-tsau und Pe-kin. Am 19. September
Morgens mussten sie nach Pe-kin reiten. Ueber die Art und die
Veranlassung, auf welche Capitän Brabazon und der Abbe Duluc
sich unterwegs von ihnen trennten oder getrennt wurden, finden
sich nirgend bestimmte Angaben; es hiess, sie gingen nach dem
englischen Lager. Wahrscheinlich sollten sie als Parlamentäre
dienen und fielen bei der schnellen Niederlage an diesem Tage der
ohnmächtigen Wuth des Tartaren-Generals zum Opfer. -- Die an-
deren Gefangenen wurden im Triumph durch die Strassen von Pe-
kin
, dann nach dem Sommerpalast Yuan-min-yuan geführt und
auf einem Hofe je sechs zusammen in Zelten untergebracht, Euro-

118) Dem Betragen des mit ihnen gefangenen indischen Reiters stellen die Herren
Parkes und Loch das glänzendste Zeugniss aus.

Befreiung der Gefangenen in Pe-kiṅ.
weit; deshalb schrieb er Lord Elgin, die Gefangenen sollten sofort
ausgeliefert werden, wenn die Truppen aus dem Sommerpalast ent-
fernt würden, den sie eben plünderten. Zu gleicher Zeit war Lord
Elgin’s Schreiben gekommen, das zu einer Zusammenkunft vor dem
Ti-šiṅ-Thore um vier Uhr Nachmittags aufforderte. Haṅ-ki habe
sich dort eingefunden; aber die Alliirten verlangten jetzt ausser
Freigebung der Gefangenen auch noch die Auslieferung eines Stadt-
thores; das sei ganz unmöglich. Herr Parkes las das Schreiben
der Generale und rieth zu Fügsamkeit. — Einige Augenblicke waren
die Aussichten wieder sehr düster; endlich erklärte Haṅ-ki, die
Auslieferung der Gefangenen solle Nachmittags erfolgen. Gegen
zwei Uhr meldete er, dass alle versammelt seien; unter starker Be-
deckung fuhr man sie, jeden in einem Karren, nach dem Nord-
West-Thore Se-tši-men. Hinter ihnen wurden die Thorflügel
zugeworfen. Kein Chinese wagte sich hinaus; sie mussten sich den
Weg nach dem Lager selbst suchen.

Die anderen der Sprache unkundigen Gefangenen in Pe-kiṅ
wurden ähnlich behandelt wie Herr Parkes, dessen männliche
Haltung auf das Schicksal aller den besten Einfluss übte.118) Viel
trauriger war das Loos derjenigen, welche auf Saṅ-ko-lin-sin’s
Befehl bei Beginn der Schlacht nach Tsaṅ-kia-van gebracht wer-
den sollten. Gleich nachdem Parkes, Loch und der indische Reiter
sich von ihnen trennten, wurden Jene von dichten Haufen umdrängt,
mussten absteigen und ihre Waffen abliefern. Nachher gab man
ihnen die Pferde wieder und führte sie zum Uebernachten nach
einem Tempel zwischen Tuṅ-tšau und Pe-kiṅ. Am 19. September
Morgens mussten sie nach Pe-kiṅ reiten. Ueber die Art und die
Veranlassung, auf welche Capitän Brabazon und der Abbé Duluc
sich unterwegs von ihnen trennten oder getrennt wurden, finden
sich nirgend bestimmte Angaben; es hiess, sie gingen nach dem
englischen Lager. Wahrscheinlich sollten sie als Parlamentäre
dienen und fielen bei der schnellen Niederlage an diesem Tage der
ohnmächtigen Wuth des Tartaren-Generals zum Opfer. — Die an-
deren Gefangenen wurden im Triumph durch die Strassen von Pe-
kiṅ
, dann nach dem Sommerpalast Yuaṅ-miṅ-yuaṅ geführt und
auf einem Hofe je sechs zusammen in Zelten untergebracht, Euro-

118) Dem Betragen des mit ihnen gefangenen indischen Reiters stellen die Herren
Parkes und Loch das glänzendste Zeugniss aus.
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[359/0381] Befreiung der Gefangenen in Pe-kiṅ. weit; deshalb schrieb er Lord Elgin, die Gefangenen sollten sofort ausgeliefert werden, wenn die Truppen aus dem Sommerpalast ent- fernt würden, den sie eben plünderten. Zu gleicher Zeit war Lord Elgin’s Schreiben gekommen, das zu einer Zusammenkunft vor dem Ti-šiṅ-Thore um vier Uhr Nachmittags aufforderte. Haṅ-ki habe sich dort eingefunden; aber die Alliirten verlangten jetzt ausser Freigebung der Gefangenen auch noch die Auslieferung eines Stadt- thores; das sei ganz unmöglich. Herr Parkes las das Schreiben der Generale und rieth zu Fügsamkeit. — Einige Augenblicke waren die Aussichten wieder sehr düster; endlich erklärte Haṅ-ki, die Auslieferung der Gefangenen solle Nachmittags erfolgen. Gegen zwei Uhr meldete er, dass alle versammelt seien; unter starker Be- deckung fuhr man sie, jeden in einem Karren, nach dem Nord- West-Thore Se-tši-men. Hinter ihnen wurden die Thorflügel zugeworfen. Kein Chinese wagte sich hinaus; sie mussten sich den Weg nach dem Lager selbst suchen. Die anderen der Sprache unkundigen Gefangenen in Pe-kiṅ wurden ähnlich behandelt wie Herr Parkes, dessen männliche Haltung auf das Schicksal aller den besten Einfluss übte. 118) Viel trauriger war das Loos derjenigen, welche auf Saṅ-ko-lin-sin’s Befehl bei Beginn der Schlacht nach Tsaṅ-kia-van gebracht wer- den sollten. Gleich nachdem Parkes, Loch und der indische Reiter sich von ihnen trennten, wurden Jene von dichten Haufen umdrängt, mussten absteigen und ihre Waffen abliefern. Nachher gab man ihnen die Pferde wieder und führte sie zum Uebernachten nach einem Tempel zwischen Tuṅ-tšau und Pe-kiṅ. Am 19. September Morgens mussten sie nach Pe-kiṅ reiten. Ueber die Art und die Veranlassung, auf welche Capitän Brabazon und der Abbé Duluc sich unterwegs von ihnen trennten oder getrennt wurden, finden sich nirgend bestimmte Angaben; es hiess, sie gingen nach dem englischen Lager. Wahrscheinlich sollten sie als Parlamentäre dienen und fielen bei der schnellen Niederlage an diesem Tage der ohnmächtigen Wuth des Tartaren-Generals zum Opfer. — Die an- deren Gefangenen wurden im Triumph durch die Strassen von Pe- kiṅ, dann nach dem Sommerpalast Yuaṅ-miṅ-yuaṅ geführt und auf einem Hofe je sechs zusammen in Zelten untergebracht, Euro- 118) Dem Betragen des mit ihnen gefangenen indischen Reiters stellen die Herren Parkes und Loch das glänzendste Zeugniss aus.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/381>, abgerufen am 10.05.2024.