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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Weitere Verhandlungen.

Am 6. October erschien Han-ki gegen Mittag: er habe die
Nacht über mit dem Prinzen den Vertrag von 1858 und die Con-
vention durchgearbeitet; Dieser wolle beide annehmen und in drei
Tagen die Gefangenen ausliefern, wenn die Verbündeten sich, wie
die chinesischen Truppen, einige Li zurückzögen. Das möge Herr
Parkes Lord Elgin schreiben. Der Prinz wünsche von ihm Er-
klärungen über einige Puncte des Vertrages, über die stehende
Gesandtschaft, die Kriegskosten und die Räumung der besetzten
Plätze. Parkes gab sogleich darüber Auskunft, weigerte sich
aber, die Zurückziehung der Truppen vorzuschlagen, und schrieb
nur die früher erwähnten Zeilen an Herrn Wade. -- Auf Han-ki's
Wunsch schrieb er ferner Folgendes nieder: "Wenn Herr Loch,
ich selbst und alle anderen Gefangenen in angemessener Weise
ausgeliefert werden, so wird die britische Regierung keine Rache
nehmen. -- So weit ich die jetzige Lage beurtheilen kann, be-
absichtigt die britische Regierung nicht, neue Forderungen gegen
die chinesische zu erheben, wenn letztere sich zu Annahme der
Bestimmungen des Vertrages von 1858 und der Convention von
Tien-tsin ohne jede Beschränkung versteht."

Am 7. October Morgens hörte man im Kao-miao-Tempel,
welcher innerhalb der nördlichen Stadtmauer der Stellung der
Engländer bei den Lama-Tempeln nahe lag, sehr deutlich die zu
Orientirung der Franzosen gefeuerten Kanonenschüsse. In grosser
Erregung kam Han-ki, nach deren Bedeutung zu fragen. Er konnte
nicht mehr verbergen, dass der Feind vor dem Thore stand, dass
der Sommerpalast besetzt, der Prinz von Kun noch bei Zeiten, er
selbst mit genauer Noth entronnen sei. Die Thore der Haupt-
stadt habe er verschlossen gefunden und sei in einem Korbe auf
die Mauer gehisst worden. Herr Parkes stellte ihm vor, dass jetzt
nur schleunige Auslieferung der Gefangenen retten könne; Han-ki
wusste aber nicht, wie das unter dem Kanonendonner zu machen
wäre. Er versprach bald wieder zu kommen, erschien aber den
ganzen Tag nicht. Auf Anfrage in seinem Hause erfolgte Nach-
mittags der Bescheid, er habe sich von der Stadtmauer hinabwin-
den lassen, wahrscheinlich um den Prinzen von Kun zu suchen. --
Die Schliesser und Wachen waren ein Bild der Angst und Be-
stürzung.

Am Morgen des 8. October kam Han-ki, erschöpft und be-
kümmert: den Prinzen hatte er nicht erreichen können, der war zu

Weitere Verhandlungen.

Am 6. October erschien Haṅ-ki gegen Mittag: er habe die
Nacht über mit dem Prinzen den Vertrag von 1858 und die Con-
vention durchgearbeitet; Dieser wolle beide annehmen und in drei
Tagen die Gefangenen ausliefern, wenn die Verbündeten sich, wie
die chinesischen Truppen, einige Li zurückzögen. Das möge Herr
Parkes Lord Elgin schreiben. Der Prinz wünsche von ihm Er-
klärungen über einige Puncte des Vertrages, über die stehende
Gesandtschaft, die Kriegskosten und die Räumung der besetzten
Plätze. Parkes gab sogleich darüber Auskunft, weigerte sich
aber, die Zurückziehung der Truppen vorzuschlagen, und schrieb
nur die früher erwähnten Zeilen an Herrn Wade. — Auf Haṅ-ki’s
Wunsch schrieb er ferner Folgendes nieder: »Wenn Herr Loch,
ich selbst und alle anderen Gefangenen in angemessener Weise
ausgeliefert werden, so wird die britische Regierung keine Rache
nehmen. — So weit ich die jetzige Lage beurtheilen kann, be-
absichtigt die britische Regierung nicht, neue Forderungen gegen
die chinesische zu erheben, wenn letztere sich zu Annahme der
Bestimmungen des Vertrages von 1858 und der Convention von
Tien-tsin ohne jede Beschränkung versteht.«

Am 7. October Morgens hörte man im Kao-miao-Tempel,
welcher innerhalb der nördlichen Stadtmauer der Stellung der
Engländer bei den Lama-Tempeln nahe lag, sehr deutlich die zu
Orientirung der Franzosen gefeuerten Kanonenschüsse. In grosser
Erregung kam Haṅ-ki, nach deren Bedeutung zu fragen. Er konnte
nicht mehr verbergen, dass der Feind vor dem Thore stand, dass
der Sommerpalast besetzt, der Prinz von Kuṅ noch bei Zeiten, er
selbst mit genauer Noth entronnen sei. Die Thore der Haupt-
stadt habe er verschlossen gefunden und sei in einem Korbe auf
die Mauer gehisst worden. Herr Parkes stellte ihm vor, dass jetzt
nur schleunige Auslieferung der Gefangenen retten könne; Haṅ-ki
wusste aber nicht, wie das unter dem Kanonendonner zu machen
wäre. Er versprach bald wieder zu kommen, erschien aber den
ganzen Tag nicht. Auf Anfrage in seinem Hause erfolgte Nach-
mittags der Bescheid, er habe sich von der Stadtmauer hinabwin-
den lassen, wahrscheinlich um den Prinzen von Kuṅ zu suchen. —
Die Schliesser und Wachen waren ein Bild der Angst und Be-
stürzung.

Am Morgen des 8. October kam Haṅ-ki, erschöpft und be-
kümmert: den Prinzen hatte er nicht erreichen können, der war zu

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[358/0380] Weitere Verhandlungen. Am 6. October erschien Haṅ-ki gegen Mittag: er habe die Nacht über mit dem Prinzen den Vertrag von 1858 und die Con- vention durchgearbeitet; Dieser wolle beide annehmen und in drei Tagen die Gefangenen ausliefern, wenn die Verbündeten sich, wie die chinesischen Truppen, einige Li zurückzögen. Das möge Herr Parkes Lord Elgin schreiben. Der Prinz wünsche von ihm Er- klärungen über einige Puncte des Vertrages, über die stehende Gesandtschaft, die Kriegskosten und die Räumung der besetzten Plätze. Parkes gab sogleich darüber Auskunft, weigerte sich aber, die Zurückziehung der Truppen vorzuschlagen, und schrieb nur die früher erwähnten Zeilen an Herrn Wade. — Auf Haṅ-ki’s Wunsch schrieb er ferner Folgendes nieder: »Wenn Herr Loch, ich selbst und alle anderen Gefangenen in angemessener Weise ausgeliefert werden, so wird die britische Regierung keine Rache nehmen. — So weit ich die jetzige Lage beurtheilen kann, be- absichtigt die britische Regierung nicht, neue Forderungen gegen die chinesische zu erheben, wenn letztere sich zu Annahme der Bestimmungen des Vertrages von 1858 und der Convention von Tien-tsin ohne jede Beschränkung versteht.« Am 7. October Morgens hörte man im Kao-miao-Tempel, welcher innerhalb der nördlichen Stadtmauer der Stellung der Engländer bei den Lama-Tempeln nahe lag, sehr deutlich die zu Orientirung der Franzosen gefeuerten Kanonenschüsse. In grosser Erregung kam Haṅ-ki, nach deren Bedeutung zu fragen. Er konnte nicht mehr verbergen, dass der Feind vor dem Thore stand, dass der Sommerpalast besetzt, der Prinz von Kuṅ noch bei Zeiten, er selbst mit genauer Noth entronnen sei. Die Thore der Haupt- stadt habe er verschlossen gefunden und sei in einem Korbe auf die Mauer gehisst worden. Herr Parkes stellte ihm vor, dass jetzt nur schleunige Auslieferung der Gefangenen retten könne; Haṅ-ki wusste aber nicht, wie das unter dem Kanonendonner zu machen wäre. Er versprach bald wieder zu kommen, erschien aber den ganzen Tag nicht. Auf Anfrage in seinem Hause erfolgte Nach- mittags der Bescheid, er habe sich von der Stadtmauer hinabwin- den lassen, wahrscheinlich um den Prinzen von Kuṅ zu suchen. — Die Schliesser und Wachen waren ein Bild der Angst und Be- stürzung. Am Morgen des 8. October kam Haṅ-ki, erschöpft und be- kümmert: den Prinzen hatte er nicht erreichen können, der war zu

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/380>, abgerufen am 10.05.2024.