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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Kaiserliches Decret über Kan-ton.
über die Vorgänge und versicherten nochmals, dass Wan abgesetzt
werden solle.

Unterdessen war dem Consul Parkes ein Document in die
Hände gespielt worden, das, als geheimer Erlass der kaiserlichen
Regierung auftretend, die Volkswehr zu Feindseligkeiten gegen die
Engländer anfeuerte und die nichtswürdigste Politik der Hinterlist und
Lüge bekundete. Lord Elgin schickte den Commissaren eine Abschrift
davon und meldete, dass er selbst nach Kan-ton gehen und in
drei Wochen nach Shang-hae zurückkehren werde; fände er sie dann
nicht mehr anwesend, so werde er sich nach Pe-kin begeben. Die
Commissare erklärten unverzüglich jenes Document für gefälscht
und betheuerten, dass binnen drei Wochen das die Absetzung des
Wan aussprechende Decret aus Pe-kin eintreffen müsse; bis dahin
könne alles Andere erledigt werden; Lord Elgin möge doch blei-
ben. Dieser erwiederte am 25. Januar, dass sie in Bezug auf
Kan-ton nicht Wort gehalten hätten und dass er über diese An-
gelegenheit nicht mehr mit ihnen correspondiren könne; alles
Uebrige, das noch Erwägung fordere, werde er nach seiner Rück-
kehr mit ihnen abmachen, "friedlich oder anders, wie die chinesische
Regierung angemessen finde". Darauf ging er Ende Januar nach
Hong-kong. Mitte Februar 1859 erhielt er dort ein Schreiben der
Commissare mit folgendem kaiserlichen Decret, welches am 31. Ja-
nuar durch die amtliche Zeitung von Pe-kin publicirt wurde, als
Einschluss.

"Wir erhielten heut eine Eingabe von Kwei-lian und Wa-sana,
des Inhalts, dass sie mit Schreiben von den Engländern ein falsches
kaiserliches Decret empfangen hätten, in der Fassung derjenigen,
welche direct vom kaiserlichen Hofe ausgehen. Man theilte ihnen mit,
dasselbe sei von einem Engländer in Kan-ton eingesandt. Wir haben
es mit äusserstem Erstaunen gelesen. Von jeher hielt China an den
Grundsätzen der höchsten Gerechtigkeit fest in seinen Maassregeln zur
Beruhigung der fremden Nationen; es schmiedete niemals Pläne, die-
selben zu schädigen. -- Nach den Misserfolgen des Yi-min-tsin
ernannten wir Wan-tsun-han zum General-Gouverneur der beiden
Kuan und gaben ihm das Siegel als kaiserlicher Bevollmächtigter in
unseren Gebieten. Was den Vice-Präsidenten Lo-tun-yen und seine
Collegen betrifft, so warben sie, von patriotischem Eifer getrieben,
Freiwillige für die Landesvertheidigung, eine vollkommen rechtmässige
Beschäftigung für die Ortsbevölkerung. -- Nachdem aber vor kurzem
die freundschaftlichen Verhandlungen von Kwei-lian und seinen Amts-

Kaiserliches Decret über Kan-ton.
über die Vorgänge und versicherten nochmals, dass Waṅ abgesetzt
werden solle.

Unterdessen war dem Consul Parkes ein Document in die
Hände gespielt worden, das, als geheimer Erlass der kaiserlichen
Regierung auftretend, die Volkswehr zu Feindseligkeiten gegen die
Engländer anfeuerte und die nichtswürdigste Politik der Hinterlist und
Lüge bekundete. Lord Elgin schickte den Commissaren eine Abschrift
davon und meldete, dass er selbst nach Kan-ton gehen und in
drei Wochen nach Shang-hae zurückkehren werde; fände er sie dann
nicht mehr anwesend, so werde er sich nach Pe-kiṅ begeben. Die
Commissare erklärten unverzüglich jenes Document für gefälscht
und betheuerten, dass binnen drei Wochen das die Absetzung des
Waṅ aussprechende Decret aus Pe-kiṅ eintreffen müsse; bis dahin
könne alles Andere erledigt werden; Lord Elgin möge doch blei-
ben. Dieser erwiederte am 25. Januar, dass sie in Bezug auf
Kan-ton nicht Wort gehalten hätten und dass er über diese An-
gelegenheit nicht mehr mit ihnen correspondiren könne; alles
Uebrige, das noch Erwägung fordere, werde er nach seiner Rück-
kehr mit ihnen abmachen, »friedlich oder anders, wie die chinesische
Regierung angemessen finde«. Darauf ging er Ende Januar nach
Hong-kong. Mitte Februar 1859 erhielt er dort ein Schreiben der
Commissare mit folgendem kaiserlichen Decret, welches am 31. Ja-
nuar durch die amtliche Zeitung von Pe-kiṅ publicirt wurde, als
Einschluss.

»Wir erhielten heut eine Eingabe von Kwei-liaṅ und Wa-šana,
des Inhalts, dass sie mit Schreiben von den Engländern ein falsches
kaiserliches Decret empfangen hätten, in der Fassung derjenigen,
welche direct vom kaiserlichen Hofe ausgehen. Man theilte ihnen mit,
dasselbe sei von einem Engländer in Kan-ton eingesandt. Wir haben
es mit äusserstem Erstaunen gelesen. Von jeher hielt China an den
Grundsätzen der höchsten Gerechtigkeit fest in seinen Maassregeln zur
Beruhigung der fremden Nationen; es schmiedete niemals Pläne, die-
selben zu schädigen. — Nach den Misserfolgen des Yi-miṅ-tsin
ernannten wir Waṅ-tsuṅ-han zum General-Gouverneur der beiden
Kuaṅ und gaben ihm das Siegel als kaiserlicher Bevollmächtigter in
unseren Gebieten. Was den Vice-Präsidenten Lo-tuṅ-yen und seine
Collegen betrifft, so warben sie, von patriotischem Eifer getrieben,
Freiwillige für die Landesvertheidigung, eine vollkommen rechtmässige
Beschäftigung für die Ortsbevölkerung. — Nachdem aber vor kurzem
die freundschaftlichen Verhandlungen von Kwei-liaṅ und seinen Amts-

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[260/0282] Kaiserliches Decret über Kan-ton. über die Vorgänge und versicherten nochmals, dass Waṅ abgesetzt werden solle. Unterdessen war dem Consul Parkes ein Document in die Hände gespielt worden, das, als geheimer Erlass der kaiserlichen Regierung auftretend, die Volkswehr zu Feindseligkeiten gegen die Engländer anfeuerte und die nichtswürdigste Politik der Hinterlist und Lüge bekundete. Lord Elgin schickte den Commissaren eine Abschrift davon und meldete, dass er selbst nach Kan-ton gehen und in drei Wochen nach Shang-hae zurückkehren werde; fände er sie dann nicht mehr anwesend, so werde er sich nach Pe-kiṅ begeben. Die Commissare erklärten unverzüglich jenes Document für gefälscht und betheuerten, dass binnen drei Wochen das die Absetzung des Waṅ aussprechende Decret aus Pe-kiṅ eintreffen müsse; bis dahin könne alles Andere erledigt werden; Lord Elgin möge doch blei- ben. Dieser erwiederte am 25. Januar, dass sie in Bezug auf Kan-ton nicht Wort gehalten hätten und dass er über diese An- gelegenheit nicht mehr mit ihnen correspondiren könne; alles Uebrige, das noch Erwägung fordere, werde er nach seiner Rück- kehr mit ihnen abmachen, »friedlich oder anders, wie die chinesische Regierung angemessen finde«. Darauf ging er Ende Januar nach Hong-kong. Mitte Februar 1859 erhielt er dort ein Schreiben der Commissare mit folgendem kaiserlichen Decret, welches am 31. Ja- nuar durch die amtliche Zeitung von Pe-kiṅ publicirt wurde, als Einschluss. »Wir erhielten heut eine Eingabe von Kwei-liaṅ und Wa-šana, des Inhalts, dass sie mit Schreiben von den Engländern ein falsches kaiserliches Decret empfangen hätten, in der Fassung derjenigen, welche direct vom kaiserlichen Hofe ausgehen. Man theilte ihnen mit, dasselbe sei von einem Engländer in Kan-ton eingesandt. Wir haben es mit äusserstem Erstaunen gelesen. Von jeher hielt China an den Grundsätzen der höchsten Gerechtigkeit fest in seinen Maassregeln zur Beruhigung der fremden Nationen; es schmiedete niemals Pläne, die- selben zu schädigen. — Nach den Misserfolgen des Yi-miṅ-tsin ernannten wir Waṅ-tsuṅ-han zum General-Gouverneur der beiden Kuaṅ und gaben ihm das Siegel als kaiserlicher Bevollmächtigter in unseren Gebieten. Was den Vice-Präsidenten Lo-tuṅ-yen und seine Collegen betrifft, so warben sie, von patriotischem Eifer getrieben, Freiwillige für die Landesvertheidigung, eine vollkommen rechtmässige Beschäftigung für die Ortsbevölkerung. — Nachdem aber vor kurzem die freundschaftlichen Verhandlungen von Kwei-liaṅ und seinen Amts-

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/282>, abgerufen am 28.04.2024.